Letzte Aktualisierung: 03.12.2024
Mit Volldampf durch die Region
Ein Ausflugsführer zu Nostalgie-Eisenbahnen im Rhein-Main-Gebiet von Holger Vonhof
von Oscar Unger
(13.07.2021) Dampflokfans und Eisenbahnfreunde werden sich mit Gewissheit begeistert über ein Büchlein hermachen, das der Historiker und Leitende Redakteur der Frankfurter Neuen Presse Holger Vonhof jetzt im Societäts-Verlag Frankfurt herausgegeben hat. Aber nicht nur sie. Denn unter Anleitung dieser ebenso liebevoll viel kenntnisreich hergestellten Schrift mit dem Titel „Eisenbahn-Nostalgie in Rhein-Main. Ein Ausflugsführer – nicht nur für Pufferküsser“ lässt sich Hessen unter ganz speziellen Blickwinkeln neu entdecken.
Sie kennen jeden Achsabstand auf den Millimeter genau, Tendergrößen, die noch so unbedeutende Veränderung in den Baureihen und das Fassungsvermögen der Feuerbüchse. Dass sie die einzelnen Modelle am Klang der dampfbetriebenen Pfeifen unterscheiden können - Ehrensache. Ach ja, und natürlich ist ihnen der Vorname des Heizers bei der Jungfernfahrt geläufig: Eisenbahn-Freunde und speziell Dampflokomotiven-Enthusiasten sind eine eigene Spezies. Von nicht so kohleaffinen Zeitgenossen werden sie gerne despektierlich Pufferküsser genannt.
Da ist es eine erfrischende Wohltat, dass es jetzt ein Buch gibt, das zwar die Faszination der Fortbewegung auf zwei Schienen preist, sich aber - wie der Titel verspricht - ausdrücklich an Menschen mit einer weniger ausgeprägten Inselbegabung wendet: "Eisenbahn-Nostalgie in Rhein-Main - ein Ausflugsführer nicht nur für Pufferküsser". Aber sicher auch für Sie, lieber Leser. Sie können auf den 120 Seiten des jetzt im Societätsverlag erschienenen Bändchens vielleicht noch einen Blick jenseits der technischen Besonderheiten auf Ihr Faible erhaschen. Quasi im Vorbeischnaufen. Denn im Buch kommen auch die elektrisch betriebenen Varianten und sogar Straßenbahnen nicht zu kurz. Sei es der Frankfurter Ebbelwei-Express oder sein südhessisches Pendant, der Darmstädter Datterich-Express.
Knapp drei Dutzend Besonderheiten, Museen und Vereine berührt die Seiten-Strecke, die gut bebildert durch ganz Hessen führt. Von Darmstadt über den Taunus bis in den Odenwald und im Norden schließlich nach Treysa. Und natürlich nach Frankfurt. Und dort speziell nach Höchst. Ist der Autor Holger Vonhof doch bekennender Lokalpatriot und -redakteur dieser Zeitung sowie mit dem Dietrich-Oppenberg-Preis der Stiftung Lesen ausgezeichneter Geschichtenerzähler.
Natürlich besaß der 1967 in Höchst geborene Autor als Bub auch eine Eisenbahn. Doch heute fasziniert ihn mehr das Reisen mit ihnen; er war etwa auf der Transsib von Moskau nach Peking unterwegs, auf der Darjeeling-Bahn in Indien oder auf der "Ferrocarril Chihuahua al Pacífico", kurz Chepe, die in Mexiko von der Pazifikküste hoch in die Sierra Madre Occidental führt und als eine der spektakulärsten Eisenbahnstrecken der Welt gilt.
"Die Nase aus dem Fenster strecken, den Rauch riechen und den Fahrtwind im schütteren Haar spüren - das ist ein großes Glück", sagt Vonhof. Und das können Eisenbahn-Fans auch ganz in der Nähe erfahren. Wörtlich gemeint. "Es muss nicht immer Harry Potters Hogwarts-Express sein, dessen reales Vorbild, der Jacobite Steam Train, über das Viadukt von Glenfinnan fährt", sagt Vonhof, der bekennender Schottland-Fan ist und den man bei besonderen Gelegenheiten schon mal im maßgeschneiderten Kilt mit Highland-Tartan sehen kann. Die mächtige 52 4876 (Baujahr 1942), die vom Verein Historische Eisenbahnen Frankfurt betrieben wird, stehe der filmischen Schwester kaum nach. Aber statt in die Zauberschule fährt sie - wenn kein Lockdown ist - nicht nur an Pfingsten "Unter Volldampf in den Taunus", und zwar von Höchst aus, seit 40 Jahren.
"Historische Dampfrösser, die schnaubend, Funken sprühend und unter Qualm über die Schienen rattern, im Hintergrund eine glänzende Hochhaus-Skyline: Das gibt es nur in Frankfurt", sagt Vonhof und wirbt für Fahrten entlang des Mains, durch den Taunus oder das Lahntal. Einen detaillierten Fahrplan mit allen Betriebstagen gibt es auf den Webseiten der Vereine, die das anbieten - wie die Historische Eisenbahn Frankfurt. Im Frankfurter Feldbahnmuseum am Rebstockpark, zweite Anlaufstelle in der Stadt, sind die Fahrtage gerade wieder angelaufen. Es sind unvergessliche Ausflüge und kleine Reisen. Für Nostalgiker, Fotografen und Kinder. "Man kann die Begeisterung für diese Art der Fortbewegung nicht früh genug anfeuern", so Vonhof.
Als Historiker hat er den aktuellen Tipps und Porträts einen geschichtlichen Abriss vorangestellt. Von der ersten offiziellen Personenfahrt am 7. Dezember 1835 von Nürnberg nach Fürth über die 41,5 Kilometer lange Taunus-Eisenbahn von Frankfurt nach Wiesbaden (1939) bis hin zum Oktober 1977, als die Deutsche Bahn für ihr gesamtes Streckennetz ein Dampflok-Verbot aussprach. Das wurde später teilweise wieder aufgehoben. Pufferküsser sind bis heute dankbar. Und nicht nur sie. Oscar Unger
Das Buch
"Eisenbahn-Nostalgie in Rhein-Main. Ein Ausflugsführer - nicht nur für Pufferküsser", Societätsverlag, Frankfurt. ISBN 978-3-95542-402-2, 14 Euro