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Letzte Aktualisierung: 19.03.2024

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亞歐堂meet asian art: Pekingglas bis 4. Juni 2023 im Museum Angewandte Kunst

von Karl-Heinz Stier

(30.09.2022) Mit 亞歐堂meet asian art: Pekingglas wendet sich das Museum Angewandte Kunst einem Thema zu, das selbst unter Sammlern Asiatischer Kunst eher wenig bekannt ist: dem nach seinem Hauptentstehungsort benannten Pekingglas. In China ist die Herstellung von Glas, anders als im Vorderen Orient und in Europa, zwar seit rund 2 ½ Jahrtausenden nachweisbar, sie führte jedoch lange Zeit ein Schattendasein.

Werkstück von Ute Kunze
Foto: Museum für angewandte Kunst
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Dies änderte sich erst im späten 17. Jahrhundert, als Kaiser Kangxi Jesuiten-Gelehrte, die als wissenschaftliche Berater am Pekinger Hof tätig waren, mit der Errichtung einer kaiserlichen Glashütte beauftragte. Zuvor hatte der Kaiser von ihnen als Geschenke ein Teleskop, einen Handspiegel und zwei Glasvasen aus europäischer Produktion überreicht bekommen; Gegenstände, die den Monarchen offenbar tief beeindruckten.

Der aus Würzburg stammende und mit der Glasherstellung vertraute Jesuitenpater Kilian Stumpf (1655-1720) wurde zur Schlüsselfigur in der im Westteil der Verbotenen Stadt eingerichteten Glaswerkstatt. In ihr arbeiteten chinesische Handwerker, für die Kilian Stumpf und seine glastechnisch versierten Ordensbrüder als Berater fungierten. Von Anfang an scheint es beim Aufbau der Werkstatt einen engen Austausch mit einer bereits seit der Song-Zeit (12./13. Jh.) nachweisbaren Glashütte in Boshan, südöstlich von Peking in der Provinz Shandong, gegeben zu haben.

Was glastechnische Innovation betrifft, war zweifellos das Know-how der Patres von großer Bedeutung. Doch in der Gestaltung gehen die chinesischen Werkstätten ganz eigene Wege. Sie entwickeln eine dezidiert andere Formensprache, die mit gleichzeitigen Stilentwicklungen in Europa kaum etwas zu tun hat. In der kaiserlichen Glashütte entstanden neben Schalen und Flaschen auch viele kleinformatige Schnupftabakflaschen. Diese waren vor allem beliebt als kaiserliche Geschenke und erfüllten so für das Kaiserhaus einen protokollarisch wichtigen Zweck. Unter Kaiser Qianlong (reg. 1736-95) erlebte die chinesische Glaskunst ihre Blütezeit, doch sie wurde auch bis ins 19. und 20. Jahrhundert fortgeführt.

Die durch die Jesuiten aus Europa nach China vermittelte Glastechnik stand am Beginn der Glasproduktion der kaiserlichen Werkstatt in Peking. Doch ab dem späten 19. Jahrhundert gewann umgekehrt Pekingglas eine erhebliche Wirkung auf Europa: Das vielfarbige Überfangglas aus China fand ein deutliches Echo im europäischen Jugendstil, insbesondere bei Émile Gallé, der sich nachweislich intensiv mit chinesischem Glas beschäftigte. Darüber hinaus überrascht monochromes Pekingglas des 18. und 19. Jahrhunderts oft mit Formen, die in ihrer reduzierten und klaren Formensprache bereits die Bauhaus-Moderne vorwegnehmen. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass gerade in Chinas Republik-Periode (1911 – 1949) viele Pekingglas-Objekte im Stil der Qianlong-Zeit (1736 – 1795) entstehen.

Vorgestellt werden in dieser Schau Meisterwerke aus der rund hundert Stücke umfassenden Pekingglas-Sammlung im Museum Angewandte Kunst, einer der bedeutendsten ihrer Art in Europa.

Museum für angewandte Kunst, Schaumainkai 17, Frankfurt-Main