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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Majestät im Dirndl und Krönchen auf den Locken

Ulrike Neradts Rückblick: „Der Wein und die Königin“

von Ingeborg Fischer und Karl-Heinz Stier

(25.09.2020) „Doch die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Mit diesen berühmten Worten von Jean Paul beendet Ulrike Neradt den Rückblick auf ihre Zeit als Deutsche Weinkönigin 1972/73, zusammengefasst in einem lesenswerten Büchlein, in dem sie unterhaltsam, informativ und auch augenzwinkernd von der Zeit plaudert, als die Martinsthaler Chansonette, Moderatorin und Autorin noch das Fräulein Seyffardt war.

Bildergalerie
Weinkönigin 1972
Foto: Neradt
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Buchtitel
Foto: eigenes Archiv Neradt
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Natürlich träumt jedes kleine Mädchen im Rheingau davon, einmal Prinzessin oder sogar Königin zu sein und mit erhobenem Kelch jubelnden Menschen zuzuwinken. Die siebzehnjährige Ulrike allerdings strebte keineswegs die Krone an. In diesem Alter hat man andere Interessen, schreibt sie in ihrem Buch. Fast unfreiwillig wurde sie zur Ortsweinkönigin gekürt. Die hübsche Winzertochter stieg dann zur Gebietsweinkönigin auf, und wenn schon,  denn schon, meinte sie, dann will ich auch Deutsche Weinkönigin werden. 

Wie aufregend die Wahl in Neustadt dann war, die sie mit  viel Wissen, Schlagfertigkeit und einem  liebenswerten Mundartspruch von Hedwig Witte überraschend gewann, und wie es einer Kandidatin vor einem von Männern dominierten Jurorenrat so erging, erzählt sie schelmisch und im Rückblick auch kritisch. 

Wenn jeder uff de Welt entdeckt
Wie gut der Wei vom Rheingau schmeckt,
dann wärn bald alle Fässer leer,
mir hätte nix zu trinke mehr…. 

Der begeisterte Empfang nach ihrer Wahl im Heimatort Martinsthal, die liebevolle Unterstützung der Eltern, aber auch die Reaktionen von Neidern, all das erzählt Ulrike in ihren Erinnerungen. Dass sie sogar einmal als „Martinsthaler Wildsau“ angekündigt wurde, ist eine sehr launige Geschichte. Mehr sei aber nicht verraten. 

Die ereignisreiche Zeit als Deutsche Weinkönigin hat sie damals akribisch in ihrem Tagebuch festgehalten und konnte daraus für ihren charmanten Rückblick schöpfen. Sie lernte bedeutende Persönlichkeiten kennen, unter anderen Baron von Oetinger, den legendären Weinversteigerer, Hans Ambrosi, Förderer des Rheingau-Musik-Festivals, Jockel Fuchs, OB von Mainz oder Landwirtschaftsminister Josef Ertl, sogar den philippinischen Diktator Marcos. 

Sie war auch die erste Deutsche Weinkönigin, die durch die Welt reisen durfte, nach Fernost, nach Manila, nach USA. Diese Reisen haben sie geprägt, aus dem unbedarften jungen Mädchen wurde eine sehr selbstbewusste junge Frau, die eine gewinnende Botschafterin für den Deutschen Wein in aller Welt war. Dass Weinkönigin sein allerdings „e ernst Angeleschenheit is“, darauf wiesen die älteren Herren Begleiter immer wieder hin. Sie hatten ein wachsames Auge auf die junge Wein-Repräsentantin. Welche kleinen Freiheiten sie sich aber doch genommen hat, das ist ebenso interessant wie das gesamte Buch. 

Das Buch ist in allen Buchhandlungen zu erhalten. Preis € 10,--.