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Letzte Aktualisierung: 04.10.2024

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Lichter zeigt „Die Ermittlung“ am Originalschauplatz

Der Film dokumentiert den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess

von Ilse Romahn

(18.09.2024) Zwischen 1963 und 1965 fand in Frankfurt am Main, zuerst im Römer, dann im Saalbau im Stadtteil Gallus, der erste Auschwitzprozess statt. Es war einer der größten Prozesse der deutschen Nachkriegszeit. Das maßgeblich von dem hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer angestrengte Verfahren brachte erstmals das ganze Ausmaß des Grauens in Auschwitz zur Sprache und offenbarte der deutschen Öffentlichkeit das System dahinter.

Die Ermittlung Szenenbild
Foto: Clemens Schick
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Der Suhrkamp-Autor Peter Weiss hat den Prozess mehrfach besucht und noch vor Prozessende zu einem Theaterstück mit dem Titel „Die Ermittlung. Oratorium in 11 Gesängen“ verarbeitet. Knapp 70 Jahre später hat der Regisseur RP Kahl das berühmte Theaterstück und damit den ersten Frankfurter Ausschwitzprozess verfilmt – mit einem bemerkenswerten Cast von 60 Schauspielern. Ihm ist ein vierstündiges Hybrid aus Theater und Kino gelungen, das bewegt und erschüttert. Im Juli kam der Film in die Kinos. Am 3. Oktober wird der Film im Beisein des Regisseurs an dem Ort gezeigt, an dem jenes Verfahren in weiten Teilen stattfand: im Saalbau Gallus.

Weil die Frankfurter Justiz für den ersten Auschwitz-Prozess selbst keinen Raum von erforderlicher Größe besaß, stellte die Stadt Frankfurt anfänglich den Römer, das Rathaus der Stadt, zur Verfügung. So konnte der Prozess am 20. Dezember 1963 im Saal des dortigen Stadtparlaments beginnen. Wenige Monate später, im April 1964, zog das Gericht in das neuerbaute Bürgerhaus Gallus, wo es im August 1965 schließlich zur Urteilsverkündung kam. Der Saal des Hauses bot Platz für 87 Prozessbeteiligte, 143 Zuhörer und 124 Vertreter der Presse. Heute heißt das Gebäude „Saalbau Gallus“ und wird für größere Tagungen und Veranstaltungen genutzt. Sein großer Saal ist nach Fritz Bauer benannt.

Wenn am 3. Oktober die Verfilmung des Prozesses an dem Ort gezeigt wird, an dem er stattfand, wird der Genius Loci sicherlich wieder lebendiger und spürbarer. Ohnehin verzichtet RP Kahl in seiner Verfilmung auf die Abbildung des Prozesspublikums, so dass sein Filmpublikum dessen Rolle einnimmt. Im Rahmen des Sonderscreenings wird dies noch unmittelbarer der Fall sein, sitzt das Filmpublikum dann doch dort, wo seinerzeit das Prozesspublikum Platz fand. „Unser Film spielt fast ausschließlich im Gerichtssaal dieses Prozesses. Wir haben uns in der Gestaltung des Ortes im Film allerdings dafür entschieden, keinen Nachbau des Raumes zu schaffen“, so der Regisseur RP Kahl, um daraufhin zu schlussfolgern: „Nun aber mit dem fertigen Film an den originalen Ort des Geschehens zu kommen, wird für mich einer der Höhepunkte der langen Reise mit dem Film sein. Es könnte noch einmal eine ganz neue Rezeption für den Film bedeuten.“

Auch das Datum der von Lichter Filmkultur organisierten Veranstaltung in Kooperation mit dem Fritz Bauer Institut und Pupille – Kino in der Uni e.V. ist keineswegs zufällig gewählt. Am 19. Oktober 1965 wurde Peter Weiss‘ Theaterstück an nicht weniger als fünfzehn Bühnen in beiden Teilen Deutschlands gleichzeitig uraufgeführt. Damals war man von einer Wiedervereinigung noch weit entfernt. Beabsichtigt waren ein beidseitiges Gedenken und gemeinsames Aufbrechen des Schweigens. RP Kahl formuliert hierzu: „Ich finde die Terminfindung am 3. Oktober perfekt, um eben nicht nur der Wiedervereinigung zu gedenken oder diese zu feiern, sondern sich aktiv mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Der Tag der Deutschen Einheit wird oft mit dem Streben der Ostdeutschen nach Freiheit gleichgesetzt. Das komplette Gegenteil von persönlicher Freiheit war Auschwitz. Dies zu begreifen, vor allem das Privileg von Demokratie, die Freiheit möglich macht, bewusst zu machen, ist vielleicht eine der zentralen Aussagen meines Films.“ 

Die Veranstaltung beginnt am 3. Oktober um 14 Uhr im Saalbau Gallus. Einleitend wird es ein von RP Kahl moderiertes Gespräch geben, an dem sowohl Gerhard Wiese als auch Dr. Markus Roth teilnehmen werden. Der heute 96-jährige Jurist Wiese, dem jüngst von der Goethe-Universität die Ehrendoktorwürde verliehen wurde, war einer von drei Staatsanwälten, die den Mammutprozess gegen 22 Mitarbeiter des Konzentrationslagers Auschwitz vorbereiteten. Er war für zwei besonders brutale Täter zuständig: SS-Oberscharführer Wilhelm Boger und Rapportführer Oswald Kaduk. Dr. Markus Roth wiederum ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz Bauer Institut. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust sowie der Antisemitismus.

Im Anschluss an das etwa einstündige Gespräch wird der vierstündige Film „Die Ermittlung“ gezeigt. Nach Filmende ist ein Publikumsgespräch geplant. Der Eintritt kostet 9 Euro, ermäßigt 7 Euro. Inhaber des Frankfurt-Passes erhalten freien Eintritt. Tickets sind über die Seite www.lichter-filmfest.de erhältlich.

LICHTER Filmkultur e.V., Leipziger Straße 9, 60487 Frankfurt am Main