Laptop contra Tastentelefon
„Wir sind die Neuen“ am Fritz-Rémond-Theater am Zoo
Generationen prallen hier aufeinander. Drei Alt-68er Anne (Simone Rethel), Johannes (Joachim H. Luger) und Eddi (Lutz Reichert) beschließen, ihre alte Studenten-WG wieder aufleben zu lassen, finanzielle Gründe zwingen die Drei dazu. Anne – Biologin und Artenschützerin – kann sich mit ihrer kleinen Rente keine eigene Wohnung mehr in der teuren Großstadt leisten und ist die treibende Kraft. Johannes, ein Sozial-Anwalt, ist auch klamm „Ich hab mein Examen! Nur habe ich fürs Recht gekämpft und nicht für`s Geld.“ Und Eddi, Lehrer, geschieden und einst stets auf Sex-Abenteuer aus, war schon früher bei den beiden anderen nicht sehr beliebt. „Wir fragen alle – nur Eddie nicht“. Doch nur Eddie aus den früheren Zeiten ist bereit, mit zu tun. Sie mieten sich eine Wohnung. Über ihnen wohnen 3 Studenten, die so spießig und karrierebesessen sind, dass es den Drei aus der einstigen Hippie-WG graust. Bewaffnet mit Laptop und mit immer den gleichen Sprüchen auf den Lippen „Bin gestresst!“ und „Muss zur Uni!“ wollen die 3 jungen Leute, Katharina (Katarina Schmidt), Barbara (Julie Stark) und Thorsten (Florian Gierlichs) vorwärts kommen, ihre Examen schaffen und „es zu Etwas bringen“.
Joachim H. Luger als Johannes läuft zu großem Spiel auf. Er schlüpft so glaubwürdig in die Rolle, dass er „Vater Beimer aus der Lindenstraße“ zum Glück sofort vergessen lässt. Auch Lutz Reichert, als Eddie, der mit Goethe-Zitaten nervt, immer noch gerne mal hingrapscht, aber sterbenskrank ist, ist ein glaubwürdiger Revoluzzer. Nur Simone Rethel macht es ein wenig schwer, ihr die wilde Anne abzunehmen. Das ist sicher auch ihrem Aussehen geschuldet. Sie wirkt zu mädchenhaft in ihrem kurzen Jeans-Röckchen. Aber sie kämpft sich dann doch recht gut in den Part der Anne. Dass es das Laptop-Trio schwer hat, schauspielerisch mitzuhalten, liegt an der Story. Mit spießig und brav gegen Revolution, Saufgelagen und coolen Sprüchen ist nicht so leicht anzuspielen.
Das Bühnenbild funktioniert. Auf den verschiedenen Ebenen wird glaubhaft agiert. Sogar der Putz rieselt von der Decke, als die empörten, in ihrer Ruhe gestörten Jung-Studenten mit dem Besenstiel auf den Boden klopfen. Die „Alten“, die sich nett vorgestellt hatten: „Wir sind die Neuen“ erschrecken nämlich die junge Generation. Man befürchtet, dass man zur Alten- und Krankenpflege, Apothekengängen, Computer-Nachhilfe oder mehr missbraucht werden könnte. Mit dem Jurassic-Park und der Tattergreis-Generation wollen sie nichts zu tun haben. Ja und… die 68-er-Generation hat das Feiern nicht verlernt. Sie saufen, spielen Gitarre, stören die Ruhe der karriereversessenen jungen Leute, verachten Smartphones, träumen sich zurück zu ihrem alten Tasten-Telefon der 7o-erJahre. Aber sie erkennen auch, dass die jungen Leute durchaus von ihnen Hilfe gebrauchen können bei Liebeskummer, juristischem Staatsexamen und Bandscheibenproblemen.
Dass sich folgerichtig trotz Examensstress und Ruhestörung einerseits und auf der anderen Seite dem Unverständnis gegenüber den unpolitischen, spießigen, brav lernenden Studenten gegenseitige Hilfestellungen entwickeln, ist vergnüglich zu beobachten. Wer die Hilfsbedürftigen in Wahrheit sind, ist gar nicht leicht auszumachen. Der erste Teil des rund zweistündigen Programms ist witzig und unterhaltsam, im zweiten Teil schwindet gelegentlich die Lebendigkeit, freilich ohne langweilig zu wirken.
Alles in allem: Trotz einiger wohl unvermeidbarer Klischees ist „Wir sind die Neuen“ ein sehenswertes Stück mit zum Teil feinsinnigen Dialogen, einigen Wahrheiten und einem Top-Ensemble im Rémond-Theater. Lang anhaltender Applaus belohnte die Mimen. Fazit: das Theaterstück konnte durchaus mithalten mit dem Film, der immerhin besetzt war mit Filmgrößen wie Heiner Lauterbach und Gisela Schneeberger. Darin war sich das angetane Publikum einig.
Regie führte René Heinersdorff.
Weitere Vorstellungen bis zum 11.Februar 2018
Dienstag – Samstag um 20 Uhr, Sonntag 18 Uhr, Montag spielfrei