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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Kulturdezernentin Hartwig unterzeichnet Restitutionsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt

von Ilse Romahn

(01.10.2020) Kulturdezernentin Ina Hartwig hat am Mittwoch, 30. September, für die Stadt Frankfurt einen Restitutionsvertrag mit der Jüdischen Gemeinde unterzeichnet. Der Restitutionsvertrag wurde im Rahmen des Kooperationsprojekts „Gekauft. Gesammelt. Geraubt?“ angebahnt.

Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig unterzeichnet Restitutionsvertrag
Foto: Stad Frankfurt / Stefanie Kösling
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Im Zuge des Projektes übertrug das Historische Museum fünf jüdische Ritualgegenstände an die Sammlung des Jüdischen Museums, die in Teilen nur noch als Fragmente erhalten sind. Das Jüdische Museum stellte im Zuge von Provenienzforschungen fest, dass fünf der Gegenstände aus synagogalem Gebrauch stammten und der Israelitischen Gemeinde gehört hatten.

„Diesen Weg gilt es konsequent weiterzugehen und alle Objekte in den städtischen Instituten einer kritischen Revision zu unterziehen. Auch wenn mögliche Restitutionen die Häuser im Einzelfall schmerzen: Die Sammlung eines modernen Museums muss vollumfänglich rechtmäßig erworben sein. Kein Frankfurter Museum soll sich in Zukunft noch mit Raubkunst schmücken“, erklärt Stadträtin Hartwig.

Die Israelitische Gemeinde war bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme die größere der beiden Jüdischen Gemeinden Frankfurts und beging ihre Gottesdienste unter anderem in drei prächtigen Synagogen, der Westendsynagoge, der Börneplatzsynagoge und der Hauptsynagoge. Drei der restituierten Gegenstände wurden in diesen Synagogen oder in den kleineren Betstuben genutzt, die insbesondere im Ostend zahlreich waren. Die beiden anderen Gegenstände, ein Zinnteller und eine Wasserfontäne, weisen Inventarnummern auf, die als Leihgaben der Israelitischen Gemeinde an das Museum Jüdischer Altertümer dechiffriert werden konnten.

Das Museum Jüdischer Altertümer war das erste jüdische Museum, das in Frankfurt im Jahr 1922 eröffnet und von der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Kunstdenkmäler unterhalten wurde. Es präsentierte vor allem Zeremonialgegenstände, welche die Gesellschaft gesammelt hatte, sowie Leihgaben des Historischen Museums und der Israelitischen Gemeinde. Das Museum wurde im Novemberpogrom 1938 zerstört, die Zeremonialobjekte aus seiner Ausstellung und seiner Sammlung geraubt. Die heutige Jüdische Gemeinde Framkfurt versteht sich als Nachfolgeeinrichtung der Israelitischen Gemeinde, die 1942 liquidiert wurde.

Marc Grünbaum, Mitglied des Vorstands und Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde, sagt: „Bei der heutigen Restitution geht es nicht nur um die restituierten Gegenstände aus dem Besitz der Vorgängergemeinden der heutigen Jüdischen Gemeinde Frankfurts. Vielmehr setzt die Stadt Frankfurt am Main ein längst überfälliges Zeichen, was wir außerordentlich begrüßen. Es ist gut, dass vor der Neueröffnung gerade des Jüdischen Museums historisches Unrecht vergegenwärtigt wird und die Präsentation der Zeremonialobjekte in der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums auf einer historisch verantwortungsvollen Grundlage aufbaut.“

Die Leiterin des Jüdischen Museums, Mirjam Wenzel, erklärt: „Mit der Restitution von fünf Objekten, die dem Jüdischen Museum von Seiten des Historischen Museums übergeben wurde, an die Jüdische Gemeinde Frankfurt beginnt ein neues Kapitel im Verhältnis zwischen der Jüdischen Gemeinde und der Stadt Frankfurt. Das Jüdische Museum versteht sich als ein Brückenbauer in diesem Verhältnis und setzt sich dafür ein, dass die Jüdische Gemeinde Frankfurt auch in materieller Hinsicht die Nachfolge der Israelitischen Gemeinde antreten kann.“

Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums, ergänzt: „Das Historische Museum hat in den 2000er Jahren begonnen, seine Sammlungen systematisch auf unrechtmäßig erworbene oder aufbewahrte Objekte hin zu untersuchen. 2018 konnten wir mehrere Objekte mit jüdischer Provenienz an das Jüdische Museum übergeben. Wir freuen uns sehr, dass davon nun fünf Objekte mit Bezug zur ehemaligen Israelitischen Gemeinde an die Jüdische Gemeinde zurückgegeben werden. Auch wenn das spät - 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus - geschieht, ist es nicht zu spät und erst recht nicht ‚verjährt‘. Diese große Bringschuld deutscher Museen ist noch lange nicht erfüllt.“

Alle fünf Objekte, die mit dem Restitutionsvertrag an die Jüdische Gemeinde übergeben werden, wurden in den vergangenen zehn Jahren in den Depots des Historischen Museums gefunden und zwischen 2003 und 2011 als Teil von dessen Sammlung inventarisiert. (ffm)