Letzte Aktualisierung: 29.09.2023
Kinovergnügen mit hohem Niveau
Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen
von Michael Hoerskens
(19.09.2023) Beim 19.Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein bekamen die Besucher eine Vielzahl interessanter Produktionen zu sehen. Sämtliche Genres des Kulturgutes Film wurden dabei präsentiert. Zudem wurde viele Preise vergeben.
„Ein Filmfestival ist normalerweise etwas für die Fachleute der Branche“ erklärte Intendant Dr. Michael Kötz eingangs. „Das Filmfest auf der Ludwigshafener Parkinsel ist anders“, betonte er. Es zeige Filme für alle Menschen. „Es ist ein Fest des Zusammenkommens, ein Treffpunkt, bei dem wir uns Geschichten erzählen“. Und er ergänzte, dass die Besucher die Kunst des Geschichtenerzählens mit den wunderbaren Mitteln des Kinos erleben, so Kötz, der in Frankfurt am Main Germanistik und Politologie studierte. Danach war er als Filmkritiker publizistisch tätig, unter anderem bei der Frankfurter Rundschau oder im Hessischen Rundfunk. 2005 gründete Kötz mit seiner Frau Daniela das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein, das mit weit über 100.000 Besuchern zum zweitbeliebtesten Filmfestival Deutschlands wurde und dessen Gesellschafter er ist.
Nun als die 19. Version auf der Parkinsel der Chemiestadt. Den Besuchern wurde erneut ein bunter Querschnitt des deutschen Films präsentiert - vom Drama über Krimi bis zur Komödie. Gleich zu Beginn sorgte der Eröffnungsfilm „Gäste zum Essen“ Grund für Lachsalven. Da ist die Tochter aus reichem Haus und der Freund, dessen Eltern aus eher bürgerlichen Kreisen stammen. In der Komödie mit Hintersinn gab es viele amüsante Szenen, aber auch Einblicke in die Schwierigkeiten und Dissonanzen, die in einer Ehe auftauchen.
Großes Kino gab’s bei der Uraufführung des neuesten Münsteraner Tatorts: „Der Mann der in den Dschungel fiel“. Ebenso ein Angriff auf die Lachmuskeln, der über die gewohnten sarkastischen Dispute zwischen Prof. Börne und Kommissar Thiel hinausgeht. Weil der gesamte Film eine komödienreiche Inszenierung darstellt. Doch auch die Spannung kommt nicht zu kurz.
Eine pointenreiche Komödie auch der Streifen „Zwei Weihnachtsmänner sind einer zu viel“. Zwei Eltern unterschiedlichen Charakteren prallen am Weihnachtsfest durch ihre miteinander liierten Kinder. Das sind einerseits die „Alt-Hippies“ (überragend Joachim Krol als ausgeflippter Papa) und auf der anderen Seite der Vater, ein Ex-Major, ebenso glänzend von Rainer Bock verkörpert, der seine Militärvergangenheit deutlich klarmacht. Ein Weihnachtsmann zu viel? Das Fest entwickelt sich zu einer wahren Herausforderung für alle Beteiligten.
Um Väter und ihre erwachsenen Töchter sowie potentielle Schwiegersöhne dreht sich auch die muntere Komödie „Wenn Papa auf der Matte steht“. Aus Sorge um ihren Nachwuchs starten drei Papas zu deren Wohnort in Berlin. Dort werden sie in Lebensmilieus hereingezogen, die ihnen fremd sind. Die Turbulenzen nehmen ihren Lauf.
Hoch amüsant ein Gastbeitrag aus Belgien und Frankreich mit dem Titel „Der Weinhändler“. Jacques betreibt sein Geschäft schon seit langen Jahren, doch plötzlich erklärt ihm sein Arzt, dass er aus gesundheitlichen Gründen auf die guten Tropfen verzichten muss und damit auch keine Weinproben mehr durchführen kann. Ein Dilemma. Jaques stellt einen jungen, etwas lustlosen Migranten ein, der nach einigen Startschwierigkeiten ein überraschendes Talent für Sensorik an den Tag legt. Als dann die attraktive Hortense in der Weinhandlung aufkreuzt wird es turbulent. Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte mit viel Humor.
Doch auch Probleme und Schwierigkeiten, welche das Leben mit sich bringen kann, wurden beim Festival des deutschen Films thematisiert. Etwa in der Produktion „Wir haben einen Deal“. Frank kommt nach langer Zeit wegen der Beerdigung seiner Mutter wieder in seinen Heimatort zurück. Er möchte schnellstmöglich das Dorf wieder verlassen, fühlt sich unwohl hier. Doch seine Frau und sein kleiner Sohn Tim möchten gerne hier bleiben. Frank gibt nach, aber seine Erlebnisse an einen dubiosen Fußballtrainer wecken in ihm schlimme Erinnerungen an seine eigene Kindheit, zumal Tim sich dem Fußballclub anschließt. Das Thema des Films wird allmählich deutlich. Es geht um Kindesmissbrauch im Sport. Frank, eindrucksvoll gespielt von Felix Klare, kämpft mit den Geistern der Vergangenheit. Ein Familienthriller um ein Trauma, der unter die Haut geht.
Einfühlsam erzählt wird in „Nach uns der Rest der Welt“ die Geschichte des 16-Jährigen Jonas, der an einer unheilbaren Krankheit leidet. Durch seine Muskeldystrophie ist er an den Rollstuhl gefesselt, legt ein aufbrausendes Verhalten an den Tag, eckt überall an und muss mehrfach Schulen für Inklusion wechseln, behütet von einer überaus sorgsamen Mutter. Trotz seiner Einschränkung ist Jonas aber hochintelligent. Dann kommt er in eine Klasse, in der er seine Mitschülerin Emily trifft. Und damit tritt eine Veränderung in seinem Leben ein.
Christian Redl las auf dem Filmfestival aus seinem Roman “Das Leben hat kein Geländer“, einer Autobiografie, vor. Der Schauspieler wurde berühmt als Theaterdarsteller unter anderem in Frankfurt, noch populärer als Filmschauspieler in den Spreewaldkrimis. Auf dem Festival lief die neueste Produktion der Serie mit dem Titel „Bis das der Tod Euch scheidet“.
Kleiner Wermutstropfen: Nicht alle angekündigten Filmstars sind auf dem Filmfestival in Ludwigshafen erscheinen, einige mussten wegen Dreharbeiten absagen. Umso mehr umjubelt wurden die Münsteraner Tatort-Stars, die fast geschlossen zur Filmpremiere der neusten Folge erschienen. Sowohl Jan Josef Liefers, ChrisTine Urspruch, Mechthild Großmann und Claus Dieter Clausnitzer wurden vom Publikum frenetisch gefeiert. Wobei Liefers sich geduldig für Autogrammwünsche und Selfies ausgiebig Zeit nahm. Axel Prahl musste wegen des 80. Geburtstages eines Freundes leider passen, sendete aber eine Videobotschaft.
Zweimal wurde auf dem Filmfestival der Preis für Schauspielkunst verliehen. Zum einen an Axel Milberg. Der Schauspieler wurde vor allem bekannt als Kieler Tatort-Kommissar Borowski. „Auch wir können nicht anders, als uns vor dieser Figur des Borowski zu verneigen, diesem wunderbaren Einzelgänger mit den dunklen Seiten, den Milberg so grandios verkörpert“, hieß es unter anderem seitens der Festival-Macher. Doch auch in anderen Rollen habe der Schauspieler geglänzt, etwa in seiner Rolle in der Satire „Bundschuh vs. Bundschuh“ an der Seite von Andrea Sawatzki, von der auch die Idee und die Konzeption der Serie stammt. Beide Darsteller waren in Ludwigshafen anwesend und wurden von den zahlreichen Besuchern begeistert begrüßt.
Auch Justus von Dohnanyi erhielt den Preis für Schauspielkunst. Die Liste seiner Filmrollen ist lang, an die 100. Er spielte den liebenswerten Papa, aber auch den Serienmörder. International drehte er auch mit Hollywood-Größen, etwa zusammen mit Robin Williams oder auch mit George Clooney als Russe in einem James-Bond-Spektakel. 2011 bereits gewann Justus von Dohnanyi den Hessischen Filmpreis.
Beim Festival In Ludwigshafen verlieh die Jury „Sonne und Beton“ von Regisseur David Wnendt den Filmkunstkunstpreis als bestem Film. Er handelt von einem Leben inmitten einer Jugendszene im Berliner Problemkiez Gropius-Stadt. Die Auszeichnung für die beste Regie ging an Lars Kraume für „Die Unschärferelation der Liebe“, eine Liebesgeschichte, in der zwei Menschen offensichtlich nicht zueinander passen. Der Filmkunstpreis für das beste Drehbuch erhielt Alice Gruia, die in der Familienkomödie „Seid einfach wie ihr seid“ auch Regie führte. Den Publikumspreis „Rheingold“ für den besten Film bekam „Wir haben einen Deal“, Regisseurin war Felicitas Korn. Und „Das Lehrerzimmer“ erhielt die Ludwigshafener Auszeichnung für die Kameraführung von Judith Kaufmann.