Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 13.11.2024

Werbung
Werbung

Justizmord im Jüdischen Museum

Eine hochaktuelle Veranstaltung zur „Akte Oppenheimer“

von Norbert Dörholt

(05.09.2024) Filmausschnitte, Lesung und Gespräch zum Thema „Die Akte Oppenheimer – ein Justizmord“ bietet eine Veranstaltung am heutigen Donnerstag, 5. September, um 19.30 Uhr im Jüdischen Museum am Bertha-Pappenheim-Platz 1 in 60311 Frankfurt. Karten gibt es unter juedischesmuseum.de/tickets. Gegebenenfalls sind Restkarten an der Museumskasse erhältlich. Der Eintritt beträgt zehn, ermäßigt fünf Euro.

Bildergalerie
Dr. Ina Knobloch (rechts) bei den Dreharbeiten im Gräflichen Park mit Christian Berkel und Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff
Foto: Privat
***
Dr. Ina Knobloch Aug in Aug mit Joseph Süß Oppenheimer
Foto: Privat
***
Blättern in der Akte Oppenheimer
Foto: Privat
***

Joseph Süß Oppenheimer war Mitte des 18. Jahrhunderts Hoffaktor des Württembergischen Herzogs Karl Alexander und genoss zu dessen Lebzeiten auch bei anderen Kurfürsten als Geschäftsmann großes Ansehen. Nach dem Tod des Herzogs kam es zu einer politischen Revolte, die ihm als Juden zu viel Macht und Einfluss zusprach. Oppenheimer wurde in einem spektakulären Schauprozess verurteilt, hingerichtet und sein Leichnam öffentlich zur Schau gestellt.

Vor dem Hintergrund des ansteigenden Antisemitismus haben sich die Filmemacherin Ina Knobloch und die Gerichtsreporterin und Autorin Raquel Erdtmann erneut mit der Geschichte des Hofjuden beschäftigt. Dessen Wahrnehmung wird bis heute von dem antisemitischen NS-Propagandafilm „Jud Süß“ des Regisseurs Veit Harlan geprägt, der heute unter Verschluss in der Murnau-Stiftung liegt.

Was sind die bislang unbekannten Seiten der Geschichte von Joseph Süß Oppenheimer? Wie können diese der Wirkmächtigkeit antisemitischer Stereotype entzogen werden? Und was soll in Zukunft mit dem NS-Propagandafilm geschehen? Über diese und weitere Fragen unterhalten sich an diesem Abend Dr. Ina Knobloch, Filmproduzentin der fünfteiligen ARD-Serie „Die Akte Oppenheimer“ sowie Raquel Erdtmann, Gerichtsreporterin (DIE ZEIT / FAZ) und Autorin des soeben erschienenen Buchs „Joseph Süßkind Oppenheimer. Ein Justizmord“ mit Dr. Christiane Wahlert, Vorstand der Wilhelm-Murnau-Stiftung. Das Gespräch wird von Filmvorführungen und einer Lesung begleitet und von Helge Freund, Redakteur des BR, moderiert. Die Veranstaltung geschieht in Kooperation mit den Jüdischen Filmtagen der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.

Zum Film von Ina Knobloch: „Die Akte Oppenheimer – Und ewig grüßt der Antisemit“, BR-ARD Dokumentarfilm und 90 Minuten, sowie fünfteilige Serie:

Nachfolgeprojekt des preisgekrönten Films zum Thema der Regisseurin Ina Knobloch. Ein Film und eine Serie über einen historischen, antisemitisch motivierten Justizmord, der aktueller kaum sein könnte und den Bogen über die Nazi-Zeit bis heute schlägt. Ein Film über den schlimmsten Propagandafilm aller Zeiten: Der NS-Film „Jud Süß“, den wahren historischen Hintergrund und seine Auswirkungen bis heute.

Dramaturgisch führen die Filme zur „Evolution“ des Antisemitismus und erzählen pars pro toto die Geschichte des ikonischen und berühmten jüdischen Finanzministers in Württemberg, der 1738 vom Staat ermordet wurde, weil er Jude war: Joseph Süßkind Oppenheimer. Seine Biographie missbrauchten die Nazis für den Propagandafilm „Jud Süß“.

Oppenheimer war der wirtschaftspolitischer Berater des Herzogs Karl Alexander von Württemberg und wurde nach dem Tod des Regenten als Sündenbock einer politisch motivierten, judenfeindlichen Hetzkampagne hingerichtet. Der Film zeigt das erschreckend lange Nachwirken dieser fast 280 Jahre alten antisemitischen Kampagne. Er führt von der Neuzeit über die Romantik, die "Goldenen 1920er" Jahre der Weimarer Republik, den Nationalsozialismus, der Oppenheimer mit dem NS-Film "Jud Süß" diffamierte, bis zur heutigen Zeit.

Die NS-Dramaturgen entstellten Oppenheimers Biografie und vereinigten in seiner Figur alle bestehenden antisemitischen Ressentiments – vom Giftmord bis zur Schändung der Frauen, von der geheimen Weltherrschaft, bis zum Finanzmonopol. – wirkmächtig bis weit in unsere Zeit hinein.

Die historische Spurensuche der Regisseurin führt an zahlreiche Originalschauplätze, Gassen, Landschaften und Schlösser, die für das Leben und den tragischen Justizmord an Oppenheimer entscheidend waren. Mit Hilfe von Expertenen und Dokumenten entblättert der Film nach und nach die wahre Person des Joseph Süßkind Oppenheimer, die hinter dem späteren propagandistischen Zerrbild des „Jud Süß“ ansonsten verschwindet.

Auch fördert der Film aus Archiven einige Fundstücke zu Tage, die einen neuen Blick auf Oppenheimers Persönlichkeit und seinen Beitrag zur wirtschaftspolitischen Modernisierung Württembergs frei geben und die manipulativen Strategien und Tricks enthüllen, mit denen antisemitische Fake-News-Kampagnen arbeiten, damals wie heute. So zeigen die Gerichtsakten von 1737/38, mit welcher massiven Folter politische Gegner des Herzogs versuchten, Oppenheimer – gegen den keinerlei Vergehen vorlagen – zu einem falschen Geständnis zu zwingen. Während seines Hungerstreiks hielt man ihn notdürftig am Leben, um ihn öffentlich hinzurichten. Da hatten seine politischen Gegner bereits antisemitische Bildblätter in Auftrag gegeben, die noch am Hinrichtungsort gezeichnet und schnell verbreitet wurden – antijüdische „Hetz-Comics“ aus einer Zeit, die gemeinhin als Ära der deutschen Aufklärung gilt.

Prominente Betroffene, Zeitzeugen und zahlreiche Expertenen kommen in dem Film zu Wort, darunter Schauspieler und Autor Christian Berkel, der das Schicksal seiner jüdischen Vorfahren in einem Roman verarbeitet hat und der US-amerikanischen Historiker Prof. Yair Mintzker, der Parallelen zur heutigen Zeit zieht, genau wie die Direktorin des jüdischen Museums in Frankfurt, Dr. Miriam Wenzel.

Die Regisseurin begibt sich auch auf die Spurensuche ihrer eigenen Wurzeln, die zu den Weltkulturerbestätten der SchUm-Städte führen und damit auch zu Oppenheimers Herkunft führen, fokussiert sich aber vor allem auf das systemische des Antisemitismus und spürt Dokumente auf, die noch nie gezeigt wurden. Darunter Original-Akten aus der Hitler-Pressestelle mit Anweisungen an die Medien, Juden zu denunzieren. Der Film analysiert aber vor allem, auf welche perfide Art und Weise die Nazis Antisemitismus und Rassismus ausgelöst haben und wie jüdische Menschen auch heute noch unter den FakeNews leiden, die die Nazis verbreitet haben und heute wieder salonfähig werden.

Der Film ist ein Statement gegen Antisemitismus und ein Spiegel der Gesellschaft, in der Antisemitismus in den letzten Jahren auf beängstigende Weise zugenommen hat. Dabei haben gerade die Deutschen eine besondere Verantwortung.

Im Finale keimt Hoffnung auf, US-Historiker Mintzker stellt Deutschland insgesamt ein gutes Zeugnis im Kampf gegen Antisemitismus aus und auch UFA-Chef Nico Hofmann hält gerade die Jugend für engagiert und solidarisch. Der berühmte Pantomime stellt eine gemeinsame Forderung an Täter und Opfer des Nationalsozialismus: „Nie wieder“ – und das ist auch die Botschaft des Films/der Reihe.

Der Link zum Trailer
https://vimeo.com/636103539

Link zur 5-teiligen Serie, die vom BR für Free-TV für 5 Jahre lizensiert wurde (noch 4 Jahre):

https://www.br.de/presse/inhalt/pressemitteilungen/ard-mediathek-br-mediathek-die-akte-oppenheimer-100.html

Directors statement

Nomen est Omen ist eine lateinische Metapher. Und mein Name hat mich direkt zu diesem Fall geführt. Vor Jahren habe ich herausgefunden, dass mein Nachname „Knobloch“ von „Knoblauch“ abstammt, was Knoblauch bedeutet und Knoblauch auf Hebräisch „Schum“ ist. Im Mittelalter war SchUM auch eine Abkürzung für die jüdischen Geistesstädte in Deutschland: Speyer, Worms und Mainz. Und mitten in diesem Dreieck liegt das Städtchen Oppenheim.

Während die Juden während der mittelalterlichen Pogrome aus diesen Städten fliehen mussten, behielten sie ihre Heimatstädte im Namen, wie die Familie Oppenheimer und meine. SchUm ist mittlerweile eine Weltkulturerbe und auch Thema des Films. Die Skulptur von zwei Bäumen, deren Kronen miteinander verflochtenen sind und deren eine Wurzel in den Himmel ragt, hat mich ebenfalls inspiriert: Für die Suche nach den Wurzeln des Antisemitismus, der 1700 Jahre alten Geschichte des Christlich-Jüdischen Leben in Deutschland und die Suche nach den eigenen Wurzeln.

Die Regisseurin und Produzentin

Dr. Ina Knobloch lebt als Filmproduzentin und freie Autorin in Frankfurt am Main und Costa Rica. 1989 gründete sie den Tropenschutzverein Tropicaverde, promovierte über eine tropische Nutzpflanze, wechselte in den Journalismus und widmet sich seither dem Naturschutz, dem Filmen und Schreiben. Über 100 Dokumentationen und Fernsehbeiträge produzierte und moderierte sie u.a. für ARD, ZDF und arte in den letzten 30 Jahren. Darüber hinaus schreibt sie Romane, Sachbücher für renommierte Zeitungen und Buchverlage. Ihr Band Aufschrei der Meere mit Hannes Jaenicke erklomm die Spiegel-Bestseller-Liste. Ihr Roman „Der Duftmacher“ wurde für ein Bühnenstück lizensiert, Premiere Ende September 24. Für Die Akte Oppenheimer erhielt sie den Hessischen Filmpreis.