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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Jugendliche und Cannabis: Ist die Legalisierung die Lösung?

von Bernd Bauschmann

(28.10.2021) Zehn Prozent aller Teenager haben schon mindestens einmal Cannabis konsumiert. Diese Zahl ist bedenklich, zumal das Kiffen in der Pubertät besonders schädlich ist. Aufklärungskampagnen und Polizei waren bislang nicht in der Lage, des Problems Herr zu werden.

Symbolfoto
Foto: Unsplash / Add Weed
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Jetzt zeichnet sich ein anderer Lösungsansatz ab, der zunächst einmal absurd klingt. Ausgerechnet die Legalisierung von Cannabis soll dazu beitragen, dass Jugendliche seltener zum Joint greifen. Neue Erkenntnisse aus den USA stützen aber diese These. Denn in den Bundesstaaten, die Cannabis in den letzten zehn Jahren legalisierten, ging der Cannabiskonsum bei Minderjährigen um etwa zehn Prozent zurück. Zu diesem Schluss kamen die Autoren einer Studie, die vor Kurzem in der angesehenen Fachzeitschrift JAMA Pediatrics erschien. Für diese überraschende Entwicklung führen sie verschiedene Gründe an.

Mehr Kontrolle über den Verkauf
Eine Vermutung ist, dass es Jugendlichen nach der Legalisierung schwerer fällt, an Cannabis zu kommen. Denn die Anzahl der Verkäufer auf dem Schwarzmarkt ist deutlich zurückgegangen. Eine zwielichtige Gestalt, die Tütchen gegen Bargeld tauscht, ist bereit, mit jedem Geschäfte zu machen. Aber wenn jemand in ein Dispensary geht und eine Packung Jack the Ripper Samen kaufen möchte, muss er sich ausweisen und sein Alter bestätigen. Aufgrund der Legalisierung haben minderjährige Teenager also seltener die Gelegenheit, Cannabis zu kaufen. Und die Alterskontrolle in den Dispensarys ist streng. Denn je nach Bundesstaat droht dem Betreiber bei Verstößen nicht nur eine Geldstrafe im fünfstelligen Bereich, sondern teilweise auch eine mehrjährige Haftstrafe. Die Polizei führt dabei immer wieder stichprobenartig Kontrollen durch, um die Einhaltung des Gesetzes zu überprüfen.

Bessere Kommunikation
Die Legalisierung hat aber auch andere Auswirkungen auf den Umgang mit Cannabis. Denn viele Eltern sind seither besser in der Lage, ihre Kinder über die Risiken des Konsums aufzuklären. Cannabis wird nicht mehr so dämonisiert wie früher, sodass ausgewogene Informationen verfügbar sind. In den Medien wird darüber ebenso offen gesprochen wie unter Bekannten. Und auch Ärzte sind eine Quelle von differenzierten Informationen über das Genussmittel geworden. Weil Eltern keine Angst mehr haben müssen, dass ihre Kinder mit dem Gesetz in Konflikt kommen und sich auf diese Weise die Zukunft verbauen, sehen sie das Thema außerdem nicht mehr so emotional. Jugendliche haben daher weniger Hemmungen, mit ihren Eltern über Cannabis zu reden. Und Eltern, die sich damit auskennen, können deutlich überzeugender argumentieren. Das ist aber nicht der einzige Faktor, der sich darauf auswirkt, wie Jugendliche Cannabis wahrnehmen.

„Reiz des Verbotenen“ fällt weg
Denn mit der Legalisierung fällt auch der Reiz des Verbotenen weg. Für Teenager besteht die

Anziehungskraft von Cannabis nicht zuletzt darin, dass sie sich beim Konsum als Rebellen am Rande der Gesellschaft fühlen. Durch die Legalisierung ist es aber ganz selbstverständlich geworden, dass Erwachsene gelegentlich einen Joint in der Hand haben. Und unter diesen Erwachsenen befinden sich nicht nur coole Popikonen, sondern auch ganz gewöhnliche Gestalten. Dazu gehören etwa Bürokaufleute, Supermarktkassierer, Bankangestellte und sogar Polizisten, nach Feierabend versteht sich. Als Akt der Rebellion entfällt das grüne Kraut somit. Vielleicht kehrt sich das Image sogar irgendwann ins Gegenteil um und wird mit Spießigkeit anstatt mit Lockerheit assoziiert.