Johann Gräber - Marcel Vasselin - James Elmer Spyglass
Drei Straßennamen frei von NS-Mief, die über Parteigrenzen gefallen finden könnten
Ein besonderes Augenmerk und Wachsamkeit sind gefragt. Faschisten darf keine Grundlage gegeben werden. Genug rechtes Gedankengut gibt es immer noch rund um uns, so zum Beispiel in Straßennamen, die frei nach NS-belasteten Personen benannten sind. In vielen Städten, so u.a. in Berlin, Hamburg, Koblenz, Bad Dürkheim, Saarbrücken, um nur einige zu nennen, wird seit mehr als zwei Jahrzehnten Diskussionen um die Entnazifizierung von Straßenträgernamen geführt, und wie man mit ihnen umgehen soll. Hierzu zählen seit fast vier Jahren im Stadtteil Limes von Schwalbach am Taunus mittlerweile noch zwei Namen, der von Rudolf Dietz, und Julius Brecht, der dritte Hans-Bernhard-Reichow wurde inzwischen wieder - wie zuvor - in Mittelweg umbenannt, da es hier keine Postanschriften gibt.
Straßennamen gibt es seit dem Mittelalter und Straßenumbenennungen gab es immer, meist wurden sie der Zeit angepasst. Straßennamen bieten Orientierung, und dies nicht nur geografisch, sondern auch kultur- und gesellschaftspolitisch. Deshalb kommt auch heute, denn nach NS-belasteten Personen benannten Straßen eine besondere Bedeutung zu.
Ihre Namen Rudolf Dietz, Julius Brecht und Hans Bernhard Reichow stehen für das Dritte Reich
13 problematische Straßennamen im Schwalbacher Stadtteil Limes wurden bis 2023 von den Mitgliedern des Ausschusses für Bildung, Kultur und Soziales unter die Lupe genommen, drei Straßen blieben übrig und eine Empfehlung für eine Umbenennung gegeben. Es handelt sich jetzt noch um den Rudolf-Dietz-Weg und die Julius-Brecht-Straße. Rudolf Dietz, war Heimatdichter mit völkischem Gedankengut. Julius Brecht, Wohnungspolitiker, der sich aktiv an der Enteignung und Entrechtung jüdischer Bürger beteiligte. Hans Bernhard Reichow, der Stadtplaner, der die Limesstadt in den 60er Jahren im letzten Jahrhundert entwarf, hatte in der NS-Zeit am „Generalplan Ost“ mitgewirkt. Er war damit an der Planung der Vernichtung und Deportation zahlreicher Osteuropäer beteiligt, um Lebensraum für Deutsche im Osten zu schaffen.
Entscheidungen warten weiterhin
Im vergangenen Jahr fand eine gut besuchte Bürgerversammlung statt, in der sich die Anwohner der beiden Straßen für eine Beibehaltung der Straßennamen aussprachen und sich für ein Zusatzschild aussprachen, auf dem hingewiesen wird, um wen es sich handelt. Dr. Holger Köhn vom Büro für Erinnerungskultur berichtete, dass in den allermeisten von ihm untersuchten Fällen in anderen Städten an geeigneter Stelle eine Infotafel mit einem Hinweis angebracht wurde, diese Vorgehensweise schlägt er auch für Schwalbach vor.
Der Historiker und Anwohner, Dr. Wolfgang Küper, erinnerte daran, dass seiner Recherche zufolge eine Umbenennung lediglich in zwei Kommunen tatsächlich umgesetzt worden sei. „In mehr als einem Dutzend anderer Städte wurden die Straßennamen so gelassen“, erklärt der Historiker. Und die Frankfurter Rundschau schrieb nach der Bürgerversammlung am 30. Oktober 2023: „Man kann wirklich gespannt sein, wie die Parteien weiter agieren - solange sie sich nicht einigen, passiert das, was das Parlament nicht will - die Straßen behalten ihre Namen.
Ob die so bleibt, ist die Frage, nachdem die Fraktionen von SPD, Grünen und „Eulen“ nochmals ihre Vorschläge unterbreitet haben. Die SPD schlägt vor, für den Rudolf-Dietz-Weg den Namen einer Schriftstellerin zu wählen, für die Julius-Brecht-Straße ebenfalls einen weiblichen Namen, möglichst den einer schwarzen Person. Die Grünen rufen derzeit die Bürgerschaft auf, Namensvorschläge an sie einzureichen, die auf dem Wochenmarkt am Freitag diskutiert werden sollen. Dieser Tage erinnerte nochmals die Fraktion der „Eulen“ an ihre Vorschläge, so soll die Julius-Brecht-Straße in Bert-Brecht-Straße und der Rudolf-Dietz-Weg in Johann Gräber-Weg umbenannt werden.
Vergessene Schwalbacher in Erinnerung bringen
Der Zimmermann Johann Gräber ist gebürtiger Schwalbacher, der wegen seiner antifaschistischen Gesinnung und Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei (KPD) vom NS-Regime verfolgt und in ein Arbeitslager kam. Gräber war als einstiger Sprecher der KPD-Ortsgruppe ohnehin verdächtig, offiziell verhaftet wurde er wegen der Mitgliedschaft in der verbotenen Organisation, aber es gab unter anderem auch eine Anzeige wegen „Herabsetzung der nationalsozialistischen Bewegung“. Offenbar war er in provozierender Verkleidung auf einem Maskenball erschienen. Seine Strafe musste Gräber in einem der Moorlager ableisten, die wegen ihrer unmenschlichen Arbeitsbedingungen berüchtigt waren. Nach seiner Freilassung musste er in einem sogenannten Bewährungsbataillon noch in den Krieg ziehen, geriet in Kriegsgefangenschaft und kehrte 1945 nach Schwalbach zurück.
Er überlebte alle Strapazen und bildete nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner KPD-Gruppierung zusammen mit der CDU die erste Ortsregierung in Schwalbach. Johann Gräber blieb seiner Überzeugung auch nach dem Verbot der KPD bis zu seinem Tode treu.
Bevor man Straßen nach Blumen, Flüssen oder Monden benennt - was auch schon Vorschläge waren, gibt es immer noch vergessenen Namen, die mit der Stadt bzw. der Gemeinde in enger Verbindung einst waren und die frei sind von Rechtsextremismus, so wie Johann Gräber.
Hierzu zählt einer der französischen Kriegsgefangenen, Marcel Vasselin, der 1941 nach Schwalbach kam, um in der Landwirtschaft zu helfen. Er war sehr beliebt unter den Bürgern und hatte Deutsch gelernt. Ihm ist es zu verdankenden, dass Schwalbach kampflos und ohne Schäden beim Einmarsch der Amerikaner übergeben werden konnte. Marcel Vasselin kletterte beim Einmarsch der amerikanischen Truppen auf den Kirchturm von St. Pankratius und hisste die weiße Fahne. Schwalbach wurde so ohne Angriff eingenommen.
Noch einer, der 1944 nach Schwalbach kam, war der US-Bürger James Elmer Spyglass, der in Frankfurt ausgebombt und in die Ortschaft einquartiert wurde. Die Hilfsbereitschaft des farbigen Musikers war in den schwierigen Zeiten ohne Grenzen. Er war Fürsprecher für die Schwalbacher bei den US-Militärbehörden und half vielen durch die Hungerjahre bis 1949 zu kommen. Die Gemeinde Schwalbach verlieh James Elmer Spyglass am 9. November 1954 das Ehrenbürgerrecht. In unregelmäßigen Abständen verleiht die Stadt an Schwalbacher Bürger die Elmer-Spyglass-Plakette, die allerdings nicht im Bewusstsein der Bürgerschaft haftet.
Drei Vergessenen, die nicht vergessen werden dürfen und die durch ihre Namensnennung für eine Straße oder Weg sicherlich über Parteigrenzen würdig sind.