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Letzte Aktualisierung: 02.10.2024

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Jüdisches Musikleben in Frankfurt

Gelebte und gepflegte Erinnerungskultur

von Ilse Romahn

(14.05.2024) Gelebte und gepflegte Erinnerungskultur: Jüdisches Musikleben in Frankfurt ist Thema, wenn sich die Alte Oper Frankfurt, die Frankfurter Museums-Gesellschaft, das Jüdische Museum Frankfurt und die Oper Frankfurt im Frühjahr 2024 für ein dreitägiges Festival zusammenschließen.

Reproduktion Porträtfoto Magda Spiegel
Foto: Wonge Bergmann
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Das Festival findet im Rahmen des Formats „Mitten am Rand“ der Alten Oper von Sonntag, 26. Mai, bis Dienstag, 28. Mai 2024, in der Alten Oper, im Jüdischen Museum und bei einem Stadtspaziergang statt. Dabei steht die Auseinandersetzung mit dem Schicksal der eng mit Frankfurt verbundenen Altistin Magda Spiegel stellvertretend für viele jüdische Künstler, deren Karriere durch den Nationalsozialismus jäh beendet wurde. Das Festival blickt zudem auf Werke jüdischer Komponisten, auf Werke, die sich mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus auseinandersetzen, und auf die Musikbegeisterung einer jüdischen Familie aus Frankfurt. Für Intendant Dr. Markus Fein hat dieser von langer Hand geplante thematische Schwerpunkt durch die aktuellen Entwicklungen eine zusätzliche Dringlichkeit bekommen: „Wir spüren, dass die Bedrohung jüdischen Lebens längst kein abgeschlossenes historisches Kapitel ist, sondern auch unsere Gegenwart betrifft. Umso mehr sind wir gefordert, die Erinnerung wach zu halten und selbst wachsam zu bleiben.“

Den Auftakt gestaltet am Sonntag, 26. Mai 2024, von 11.00 Uhr an im Großen Saal der Alten Oper das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Thomas Guggeis gemeinsam mit den vier großen Frankfurter Chören (Cäcilienchor Frankfurt, Figuralchor Frankfurt, Frankfurter Kantorei und Frankfurter Singakademie). Sie kombinieren zwei bedeutende Vokalwerke von besonderer emotionaler Wucht und Eindringlichkeit miteinander, die sie unter das Motto „Über Leben.“ stellen: Arnold Schönbergs kurzes Melodram „Ein Überlebender aus Warschau“, die erschütternde musikalische Erzählung vom Leid des jüdischen Volks im Warschauer Getto, trifft auf Giuseppe Verdis Requiem mit seiner klangstarken Vision des Jüngsten Tags. Die Solopartien übernehmen Nombulelo Yende (Sopran), Tanja Ariane Baumgartner (Mezzosopran), Attilio Glaser (Tenor), Kihwan Sim (Bass) und Isaak Dentler (Erzähler).

Das Konzert wird am Montag, 27. Mai 2024, von 20.00 Uhr an im Großen Saal der Alten Oper wiederholt.

Am Sonntag, 26. Mai 2024, lässt ein gemeinsamer Termin der Alten Oper und des Jüdischen Museums die Achse zwischen beiden Institutionen erfahrbar werden: Unter dem Titel „Von der Liebe der Familie Frank zur (Alten) Oper“ laden beide Institutionen zu einer Kombination aus Museumsführung, Stadtspaziergang und Konzert ein. Treffpunkt ist um 15.00 Uhr der neue Lichtbau des Jüdischen Museums, wo die Direktorin Prof. Dr. Mirjam Wenzel das Publikum in die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts führt: Thema ist die Frankfurter Familie Frank, deren große Musikleidenschaft sich nicht zuletzt in vielen Besuchen des Opernhauses (der heutigen Alten Oper) äußerte, wo sie eine eigene Loge angemietet hatte.

In einem gemeinsamen Spaziergang geht es – mit Zwischenstationen an Kunstwerken jüdischer Künstler im öffentlichen Raum und an der heutigen Oper – hinein in die Alte Oper. Im Clara Schumann Foyer interpretieren die Cellistin LiLa und die Pianistin Martina Consonni Werke von Beethoven, Ligeti und Bloch. Dessen Suite „From Jewish Life“ für Violoncello und Klavier überführt Charakteristika des jüdischen Gebetsgesangs auf eindrückliche Weise in die Sphäre der Kammermusik.

Ebenfalls am Sonntag, 26. Mai 2024, erweist das Festival von 20.00 Uhr an im Mozart Saal einer herausragenden Altistin, die eng mit Frankfurt verbunden war, eine Hommage. Der von der Journalistin und Historikerin Karen Allihn kuratierte und dramaturgisch betreute „Abend für Magda Spiegel“ zeichnet in Musik, Schauspiel, Rezitation und mit Tondokumenten das Porträt einer außergewöhnlichen Künstlerin. Magda Spiegel wurde 1917 als Altistin an die Oper Frankfurt verpflichtet. Vor allem als Wagner-Interpretin machte sie hier Karriere, sie galt als Jahrhunderttalent, und zu ihren Bewunderern gehörte auch Theodor W. Adorno, der sie als „eine der größten Sängerinnen des deutschen Operntheaters“ würdigte. Zum Verhängnis wurden der Künstlerin mit jüdischen Wurzeln die Nationalsozialisten: Nach deren Machtergreifung erhielt sie immer weniger Angebote, sie wurde verhöhnt, entlassen, verfolgt, erst nach Theresienstadt verschleppt und später in Auschwitz ermordet. An dieses Schicksal erinnert der Abend ebenso wie an die größten Erfolge der Sängerin – unter anderem mit Auszügen aus jenen Werken, in denen die Sängerin einst glänzte, darunter „Samson und Dalila“ von Camille Saint-Saëns und „Orpheus und Eurydike“ von Christoph Willibald Gluck, und mit den Wesendonck-Liedern von Richard Wagner. Den Gesangssolopart übernimmt die Mezzosopranistin Zanda Švēde, Mitglied des Frankfurter Opernensembles – so wie vor mehr als 100 Jahren Magda Spiegel selbst. Es spielen Mitglieder des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, und den Texten geben Birgitta Assheuer und Helge Heynold ihre Stimme.

Abgeschlossen wird das „Mitten am Rand“-Festival am Dienstag, 28. Mai 2024, durch ein Wandelkonzert im Jüdischen Museum. Wenn das Publikum von 19.00 Uhr an in Gruppen das Museum erkundet, triff es in der Bibliothek, im Saal, in der Sonderausstellung "Natalia Romik. Architekturen des Überlebens" und im Foyer des Hauses auf Mitglieder des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters, die die Räume und Exponate mit Klang beleben und kommentieren. Zu Gehör gebracht werden Werke von Komponisten mit jüdischen Wurzeln, die der Stadt Frankfurt besonders verbunden waren, dort studierten, lehrten oder wirkten, wie Felix Mendelssohn, Ernest Bloch oder Mátyás Seiber. Das Wandelkonzert umfasst daneben auch eine persönliche Begrüßung durch die Museumsdirektorin Prof. Dr. Mirjam Wenzel, den Vorsitzenden der Frankfurter Museums-Gesellschaft Dr. Burkhard Bastuck und den Intendanten der Alten Oper Dr. Markus Fein, sowie Kurzführungen durch die Ausstellungen.

„Mitten am Rand 2023/24“ ist ein gemeinsames Projekt der Alten Oper Frankfurt, der Frankfurter Museums-Gesellschaft e. V., des Jüdischen Museums und der Oper Frankfurt.

Weitere Informationen: www.alteoper.de/mitten-am-rand