Ist Vergesslichkeit normal?
Historisches Museum mit Programm 2019
Nach den erfreulichen Besucherzahlen im Historischen Museum in Frankfurt im Jahre 2018, zu dem auch die Ausstellung „Damenwahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht“ wesentlich beigetragen hat, hofft die Museumsleitung die Besucherfrequenz 2019 mit ihrem Programm 2019 wieder erreicht oder gar überboten werden kann.
Bei der Vorstellung der künftigen Aktivitäten in allen Sparten des Museums verweist Museumsdirektor Jan Gerchow vor allem auf die Sonderausstellung „Vergessen – Warum wir nicht alles erinnern“ hin, die vom 7. März bis 14. Juli im Neuen Ausstellungshaus auf der Ebene 0 gezeigt wird.
Mit 400 Objekten wird das Vergessen in acht Themeninseln unter die Lupe genommen. „Dass wir vergessen, ist normal und uns bewusst. Die Industrialisierung beschleunigt seit 200 Jahren die Veränderung und den massenhaften Austausch von Dingen, die unseren Alltag prägen“ erläutert der Museumsleiter. Die Menschen heute besitzen und benutzen immer mehr Gegenstände, an denen immer seltener Erinnerungen haften – wie Fotografien oder Smartphones. Sie dienten nicht nur der Erinnerung, sondern vielmehr der Kommunikation. Der technische Wandel beeinflusse unser Vergessen und Erinnern. „Wir prägen nicht nur die Technik, sondern die Technik auch uns“.
Wie das Vergessen funktioniert erforschten Wissenschaftler schon im 19. Jahrhundert. Auch das zeigt die Ausstellung bis zur heutigen Vergessens-Forschung. Sie greift auch das individuelle krankhafte Vergessen, die Demenz, und das kollektive Vergessen, wie der Holocaust im Nachkriegsdeutschland auf und fragt, wie gehen Menschen damit um, wenn sie nicht vergessen können und ob man Vergessen überhaupt überwinden kann. Schließlich werden die vielfältigen Dimensionen des Vergessens von künstlerischen Arbeiten begleitet, die das Gedächtnis und die Funktionen des Vergessens erforschen.
Vom 16. Mai bis 15. September beschäftigt sich das Museum in einer weiteren Sonderausstellung mit dem Thema „Wie wohnen die Leute?“ – mit dem Stadtlabor durch die Ernst-May-Siedlungen“. Diese Siedlungen avancierten in den 1920er Jahren zu weltbekannten Bauprojekten. Damals wurden 15 000 bezahlbare Wohnungen in nur zehn Jahren gebaut. „Auch heute sind Fragen zu bezahlbaren Wohnraum zentral. Das Stadtlabor fragt nach dem Nutzen der damaligen Utopien für die heutige Zeit. Zum Beispiel was ist von der Reformbewegung geblieben, von der Vorstellung eines guten Lebens, einer guten Gemeinschaft und von gutem Wohnen“, so Gerchow.
Im September geht eine Ausstellung im Historischen Museums dem Thema nach „Das Meisterstück – Kunst kommt von Können. Malerausbildung von der Zunft bis zur Akademie“. Es handelt sich dabei um jenes Werk eines Künstlers, das er am Ende seiner Ausbildung den Vorstehern der Zunft und/oder den städtischen Amtsträgern zur Prüfung vorlegen musste, um als Meister seine Gemälde signieren, eine eigene Werkstatt führen und selbst ausbilden zu dürfen. „Die Kunstgeschichte hat sich in der Vergangenheit vorzugsweise mit den Meisterwerken von Künstlern beschäftigt, darüber aber gerne deren Rolle als Handwerker vergessen“, erläuterte der Museumsdirektor (Termin: 5. September bis 20. Januar 2020).
Außerdem wird am 21. und 22. März 2019 eine Tagung zu „Frankfurt und der Nationalsozialismus“ stattfinden. Das Bild der Stadt als „widerständig“ soll hinterfragt und die Beteiligung der Bevölkerung Frankfurts, ihrer Verwaltung, Universität und Wirtschaft am nationalsozialistischen System verdeutlicht werden.
Das Historische Museum wird 2019 auch das Haus zur Goldenen Waage in der Neuen Altstadt zum großen Teil beziehen. Die beiden Obergeschosse des Vorderhauses werden mit historischen Möbeln, Gemälden und Hausrat des 17. und 18. Jahrhunderts eingerichtet. „Diese Museumswohnung im berühmtesten Haus der neuen Frankfurter Altstadt kann dann bei öffentlichen und angemeldeten Führungen besichtigt werden“, kündigte Jan Gerschow an.
In einem Ausblick auf die Jahre 2020/21 kündigte das Historische Museum eine Ausstellung „Kleider in Bewegung“ als große Textilsammlung, „Frankfurter Parks und Gärten in Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag des Frankfurter Palmengartens und eine umfassende Ausstellung über die Zeit des Nationalsozialismus in Frankfurt an, dessen Ende sich 2020 zum 75. Mal jährt.
Bleibt noch nachzutragen, dass im Jahre 2018 knapp 188 000 Menschen das Museum besucht haben- eingerechnet das Jugendmuseum und die Caricatura im Leinwandhaus, über dessen Selbständigkeit es nach Meinung Gerschows „eine positive Veränderung geben wird“. Die Musemsleitung hatte für 2018 eine Besucherzahl um die 200 000 erhofft. Doch der heiße Sommer habe dies verhindert. Im Jahr 2017, dem Eröffnungsjahr des neuen Historischen Museums, waren 147 000 Besucher gezählt worden.