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Letzte Aktualisierung: 23.04.2024

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Innehalten, stöbern und plaudern

von Christian Chur, ASE

(29.11.2019) Seit zehn Jahren gibt es in Frankfurt am Main öffentliche Bücherschränke mit rund 140 Paten.

Schön gelegen: Bücherschrank im Gallusviertel
Foto: Stadt Frankfurt / ASE Frankfurt
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Behutsam nimmt Rachid Rawas die Neuankömmlinge in Augenschein. Es sind nicht wenige, die Regalböden des Bücherschranks in der Platenstraße sind proppenvoll. Rawas sortiert die neu hinterlegten Bücher um, stellt sie so, dass Interessierte sich besser zurechtfinden. Manches Buch gehört bei aller Liebe aber nicht mehr in den Schrank, sagt er, sondern ins Altpapier. Vorsichtig legt er jene Exemplare zur Seite, die ihr Bücherleben hinter sich haben.

Büchern ein schönes Zuhause geben, sie mit Respekt und Würde behandeln: Das ist eine Haltung, die Rawas täglich lebt. Der 59-Jährige Jugendpädagoge und Ortsbeirat im Bezirk 9 ist einer von rund 140 Paten, die in Frankfurt am Main öffentliche Bücherschränke betreuen. Zehn Jahre ist es her, dass der erste Schrank eröffnet wurde. Mittlerweile gehören die hochgewachsenen, robusten Stahlkörper mit gläsernen Schwenktüren zum Stadtbild – immer wieder kommen neue hinzu. 70 sind es an der Zahl, weitere neun sind in Planung. In den meisten Fällen bezahlt der zuständige Ortsbeirat den Bücherschrank aus seinem Budget – eine Investition von je knapp 7000 Euro.

Das Amt für Straßenbau und Erschließung (ASE) kümmert sich darum, die Schränke aufzustellen und repariert diese bei Bedarf. Einen Flyer samt Übersichtskarte hat das ASE erstellt, damit Interessierte einen besseren Überblick bekommen, wo überall Bücherschränke stehen. Bei dem derzeitigen Zuwachstempo dürfte es allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis selbst die überarbeitete Neuauflage (erschienen im September 2019) wieder veraltet ist.

Rawas betreut gemeinsam mit weiteren Paten vier Bücherschränke, den am Ginnheimer Kirchplatz sogar allein. Darüber hinaus organisiert er Lesungen und weitere Veranstaltungen. Mehrmals in der Woche dreht Rawas mit seinem Fahrrad eine Runde und schaut nach dem Rechten. Immer wieder fischt er Kurioses aus dem Schränken – zum Beispiel eine unbeschriftete 3,5-Zoll Diskette. Jüngere Nutzer des Bücherschranks werden wohl kaum noch wissen, was das überhaupt ist. Bücher für Kinder seien ohnehin der Renner, sagt er: „Gerade Bücher für Kinder, aber auch Bildbände, sind meistens innerhalb von kürzester Zeit weg.“ Aber das sei ja auch in Ordnung so.

Das Sortiment in den Schränken ist ziemlich bunt gemischt: Neben klassischer Schulliteratur wie Dürrenmatts „Die Physiker“ oder Populärtiteln wie Noah Gordons „Der Medicus“ sind auch Bücher dabei, die eher Seltenheitswert haben. „Die Bücherschränke sind ein Spiegel der Menschen. Du erfährst so, welche Leute hier wohnen“, erläutert Rawas. Zum Beispiel seien am Dornbusch vermehrt slawischsprachige Bücher in den Schränken zu finden. Auch ältere Schriften in Sütterlin, zum Teil mit persönlichen Notizen am Rand, haben einen Platz im Schrank. Menschen kommen vorbei, halten kurz an, stöbern, tauschen sich kurz mit Gleichgesinnten aus, die am Bücherschrank stehen: Rawas schätzt das Kommunikative. Kleine Gespräche entstehen, so flüchtig sie auch sein mögen.

Marion Weber kann den Eindruck nur bestätigen. Die 67-jährige Sossenheimerin betreut zusammen mit Brigitte Stark-Matthäi und Peter Donath den Bücherschrank in der Sossenheimer Riedstraße. „Man kommt immer wieder ins Gespräch“, sagt sie. Seit gut drei Jahren kümmert sie sich um den Schrank. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern versteht sie den Bücherschrank nicht nur als ein Möbelstück auf der Straße, sondern als Treffpunkt für Menschen. „Wir haben schon zweimal eine Putzaktion im Stadtteil gemacht. Im Anschluss stellte die Feuerwehr uns ein paar Bierbänke hin und es gab ein Gläschen Wein.“ Neuerdings steht auch eine Bank in unmittelbarer Nähe. So ist es möglich, sich in Ruhe hinzusetzen und in ein Buch reinzulesen.

Genau wie Rawas liebt Weber Bücher. Unzählige Exemplare, die im Schrank auftauchen, hat sie selbst schon gelesen. Sie fühlt sich der Stadtteilbibliothek im Ort verbunden und engagiert sich beim Förderverein Bücherwurm. Im Sossenheimer Schrank gebe es eine hohe Fluktuation, wie sie sagt. Soll heißen: Es kommen viele neue Bücher rein, aber ebenso viele werden auch wieder mitgenommen. „Kochbücher gehen richtig gut weg“, bestätigt Weber.

Was die Ordnung im Schrank betrifft, sind sich die Patinnen und Paten in einem Punkt einig: Kinderbücher gehören nach unten, damit die Kleinen besser drankommen. Ansonsten gibt es wenig feste Regeln. Manchmal bietet es sich an, Bücher eines Autors zusammenzustellen oder fremdsprachigen Werken ein eigenes Fach zu geben.

Weber kann den Eindruck nur bestätigen. Die 67-jährige Sossenheimerin betreut zusammen mit Brigitte Stark-Matthäi und Peter Donath den Bücherschrank in der Sossenheimer Riedstraße. „Man kommt immer wieder ins Gespräch“, sagt sie. Seit gut drei Jahren kümmert sie sich um den Schrank. Gemeinsam mit ihren Mitstreitenden versteht sie den Bücherschrank nicht nur als ein Möbelstück auf der Straße, sondern als Treffpunkt für Menschen. „Wir haben schon zweimal eine Putzaktion im Stadtteil gemacht. Im Anschluss stellte die Feuerwehr uns ein paar Bierbänke hin und es gab ein Gläschen Wein.“ Neuerdings steht auch eine Bank in unmittelbarer Nähe. So ist es möglich, sich in Ruhe hinzusetzen und in ein Buch reinzulesen.

Genau wie Rachid Rawas liebt Marion Weber Bücher. Unzählige Exemplare, die im Schrank auftauchen, hat sie selbst schon gelesen. Sie fühlt sich der Stadtteilbibliothek im Ort verbunden und engagiert sich beim Förderverein Bücherwurm. Im Sossenheimer Schrank gebe es eine hohe Fluktuation, wie sie sagt. Soll heißen: Es kommen viele neue Bücher rein, aber ebenso viele werden auch wieder mitgenommen. „Kochbücher gehen richtig gut weg“, bestätigt Weber.

Was die Ordnung im Schrank betrifft, sind sich die Patinnen und Paten in einem Punkt einig: Kinderbücher gehören nach unten, damit die Kleinen besser drankommen. Ansonsten gibt es wenig feste Regeln. Manchmal bietet es sich an, Bücher eines Autors zusammenzustellen oder fremdsprachigen Werken ein eigenes Fach zu geben.

Marion Weber hat den Bestand „ihres“ Schranks gut im Blick. Das scheinen auch die Anwohner zu wissen, die sie gerne mal um Rat fragen, welches Buch sie denn empfehlen könne. Sie berichtet von einer Begegnung mit einem älteren, türkischstämmigen Mann, der seine Deutschkenntnisse verbessern wollte. Was sie ihm riet? „Ein Buch mit einfachen, aber lustigen Sprüchen. Denn lesen soll auch Spaß machen.“

Daten und Fakten zu den Bücherschränken
Der Düsseldorfer Architekt Hans-Jürgen Greve entwarf die Bücherschränke unter dem Namen BOKX. Er lieferte auch die ersten Schränke nach Frankfurt. Inzwischen stellt die regional ansässige Schlosserei Holz und Stahl GmbH die Schränke her.

Der aktuell verwendete Bücherschrank hat eine Stahlhülle auf einer Grundfläche von 60 x 60 Zentimeter. Er ist 2,10 Meter hoch und rund 300 Kilogramm schwer. Er steht auf einem kleinen Betonfundament, das etwa 60 Zentimeter in den Boden versenkt ist. Der Schrank hat fünf Fächer für verschiedene Buchgrößen und kann von zwei Seiten genutzt werden. Die großen Anschlagtüren aus Sicherheitsglas erlauben eine schnelle Übersicht.

Der Bücherschrank erfüllt hohe Anforderungen: er ist robust und wetterfest, als Stadtmöbel markant, optisch ansprechend und dabei trotzdem nicht zu aufdringlich in seinem Erscheinungsbild. Die Kosten für einen Bücherschrank betragen knapp 7000 Euro einschließlich Aufstellung.

Es gibt in Frankfurt auch einige Ausführungen eines größeren, etwa einen Meter breiten Modells mit Schiebetüren. Dieses Modell wird aber wegen seiner fehlenden Praktikabilität und Reparaturanfälligkeit nicht mehr aufgestellt. (ffm)