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Letzte Aktualisierung: 23.04.2024

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Herrliche Komödien und spannende Krimis

Breite Palette beim 17. Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen

von Michael Hoerskens

(30.09.2021) Das Festival des Deutschen Films ist zurück gekommen. Bei seiner 17. Ausgabe auf der Ludwigshafener Parkinsel waren an 19 Tagen 315 Vorstellungen in je zwei Zelt- und Freilichtkinos erneut interessante Produktionen zu sehen. Mehrere Auszeichnungen für besondere Leistungen gab es ebenfalls. Die Palette deckte die gesamte Bandbreite des Genres ab, von der Komödie bis zur Tragödie, von Krimis bis Dokus.

Kultur und Idylle beim Festival des deutschen Films auf der Parkinsel in Ludwigshafen.
Foto: Hörskens
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Das ging mal schon gut los: Mit der Komödie „Endlich Witwer – Forever young“ wurde das Ludwigshafener Filmfestival eröffnet. Es ist die Fortsetzung des ersten Teils des Festivalerfolges von 2018. Und wieder stellte Hauptdarsteller Joachim Król seine schauspielerische Klasse auch im Bereich Humor unter Beweis, diesmal mit Martina Gedeck und Peter Lohmeyer an seiner Seite, die den Streifen mit zusätzlichem Witz genial würzen.

In Teil eins der herrlichen Komödie fühlt sich Król als Georg Weiser von seiner Gattin bevormundet und kritisiert. Das Paar hat sich nichts mehr zu sagen. Nach dem plötzlichen Tod seiner Brigitte blüht Witwer Georg erst einmal auf, wirft alles Gemüse aus dem Kühlschrank, stopft diesen voll mit Bierflaschen und benutzt die Toilette endlich so, wie er es möchte. Der 60 Jahre alte Georg wird sogar beim Kiffen in einer Kirche erwischt. Im zweiten Teil ist er, Ex-Inhaber einer Kunstrasenfirma, mit dem Wohnmobil unterwegs. Als Alt-Hippie taucht auf dem Bauernhof bei seinen alten Freunden Petra (Gedeck) und Jürgen (Lohmeyer) auf, die er seit fast 40 Jahren nicht mehr gesehen hat. Die beiden haben im Gegensatz zu Georg keinen konservativen Lebensweg eingeschlagen. Sie sind überrascht und zeigen sich zunächst zurückhaltend.

Zweifelsohne sind in beiden Teilen Anleihen an den Hollywood-Streifen „About Schmidt“ von 2002 mit Jack Nicholson zu erkennen. Auch dieser Warren Schmidt fühlt sich nach dem Tod der Ehefrau erlöst, der 66-Jährige kann endlich im Stehen pinkeln oder fährt ebenfalls wie Georg Weiser mit einem Wohnmobil durch die Landschaft.

„Endlich Witwer – Forever young“ war nicht die einzige sehenswerte Komödie auf dem Filmfestival in Ludwigshafen. „Dream Horse“, ein Gastbeitrag aus Großbritannien, ist gespickt mit dem herrlichen britischen Humor. In einer walisischen Kleinstadt beschließ eine Dorfgemeinschaft, ein Rennpferd zu kaufen und von den Siegerprämien seinen Lebensunterhalt finanziell komfortabler zu gestalten. Zu Beginn sind die Leute aber noch nicht so richtig mit der gesamten Materie vertraut, das Pferd etwa wird zunächst in einem Schrebergarten gehalten. Echt schräg, was der Streifen so alles bietet.

Gleich in zwei Komödien war Andrea Sawatzki zu sehen. In „Sprachlos in Irland“ spielt sie die Chefsekretärin Connie, deren neuer Chef ein perfektes Englisch von ihr verlangt. Sprachkurse in Großbritannien sind alle ausgebucht, also entscheidet sie sich für einen Unterricht in Irland. Doch alles ist irgendwie nicht so ganz wie erwartet. Zunächst führt die Lehrerin in ihrer Pension hauptberuflich ein Beerdigungsinstitut, und zweitens ist ihr Mitschüler ein mürrischer Rätselknochen. Leider spürt der Kinogänger bei dem Film schon bald zu Beginn, dass die beiden irgendwann im Bett landen. So wie viele Streifen auch vergangener Filmfestivals in Ludwigshafen trotz unterschiedlichen Thematiken ohne diese überflüssigen Szenen nicht auszukommen scheinen. Aber unterm Strich bleibt hier eine Komödie mit fast englischem Humor.

Recht düster beginnt eigentlich der Streifen „Sterben ist auch keine Lösung“. Ein lebensmüder Literaturliebhaber legt nach einem Telefonat mit einer Schweizer Sterbehilfe-Klinik diese Idee auf Eis. Dann misslingt es Hermann Weber (Walter Sittler), sich mit Tabletten ins Jenseits zu befördern. Was für ein Glücksfall aber, dass plötzlich die Apothekerin Hanne (Andrea Sawatzki) über seinen Literaturkreis in sein Leben tritt. Seltsamerweise ist sie dreifache Witwe, alle ihre Ex-Ehemänner sind kurz nach der Hochzeit verstorben. Hermann wittert seine Chance. Ein Film, der glänzend den Spagat zwischen Tragik und Komik glänzend meistert und bei dem durch die spritzig-witzigen Dialoge und immer heiterer werdendem Szenario schließlich das Zwerchfell unter Dauerbeschuss steht.

Der Streifen kam bei den Cineasten sehr gut an: „Sterben ist auch keine Lösung“ von Regisseur Ingo Rasper und dem Drehbuch von Matthias Lehmann wurde beim 17. Festival des Deutschen Films mit dem Publikumspreis Rheingold ausgezeichnet.

Doch es gab noch weitere Auszeichnungen von einer dreiköpfigen Jury mit Claudia Landsberger, Liane Jessen und Rainer Bock. Die Preise für Schauspielkunst gingen in diesem Jahr an Claudia Michelsen und Ulrich Mathes. Michaelsen absolvierte die Schauspielschule Ernst Busch, einst die Talentschmiede in der DDR. Sie spielte mit Götz George, Heino Ferch oder Tobias Moretti. 2012 erhielt sie den Hessischen Filmpreis, 2013 die Goldene Kamera und den Grimme-Preis. Seit 2013 ist sie in der Serie Polizeiruf 110 aus Magdeburg zu sehen.

Ulrich Matthes spielte Personen, wie sie gegensätzlicher nicht sein können. Er verkörperte Joseph Goebbels und dann wieder einen Kardinal, er schlüpfte in die Rolle eins SS-Manns und in die des Widerstandskämpfers von Moltke. Matthes war als Schwerverbrecher Harloff zu sehen und auch als Literaturprofessor. Oder er spielte einen Stasi Oberst, einen Terroristen und andererseits Ernst Jünger oder einen Bischof. „Zu aller Leidenschaft kommt der Geist. Mit einem hohen, sehr hohen ethischen Empfinden noch der kleinsten Ungerechtigkeiten, ist Ulrich Matthes in der Lage seine ganze Schauspielkunst auch dafür einzusetzen, anderen die Meinung buchstäblich zu geigen“, lobte Festivalintendant Dr. Michael Kötz in seiner Laudatio.

Als Bester Film des Wettbewerbs erhielt „Ivie wie Ivie“ (Regie & Buch: Sarah Blaßkiewitz) den Filmkunstpreis Ludwigshafen. Die Auszeichnung „Bestes Drehbuch“ des Wettbewerbs ging an Jan Schomburg und Maria Schrader für „Ich bin dein Mensch“, für die beste Regie des Wettbewerbs wurde Bastian Günther mit seinem Streifen „One of These Days“ ausgezeichnet.

Doch auch andere Filme, die nicht mit Auszeichnungen dekoriert wurden, waren überaus sehenswert. So der mit einem Oscar und dem Europäischen Filmpreis ausgezeichneten dänischen Gastbeitrag „Der Rausch“, in dem sich vier Lehrer zu einem gewagten Experiment entschließen. Intelligent gestrickt zeigte sich der Spreewaldkrimi „Tote trauern nicht“, wo Rückblenden und Gegenwart geschickt aufgebaut werden und Stück für Stück ein logisches Gesamtbild entstehen lassen.

Auch eine ihre Welturaufführung gab es auf dem 17. Festival des Deutschen Films: Die interessante sechsteilige Serie für die ARD mit dem Titel „Ein Hauch von Amerika.“ Darin wird in das Jahr 1951 zurückgeblendet, in eine Provinz in der Pfalz. Tausende von GIs werden dort stationiert, ein „Klein-Amerika“ entsteht. Zwei junge deutsche Frauen flirten mit amerikanischen Soldaten, erleben dabei neue, unbekannte Freiheiten. Die Ereignisse nehmen ihren Lauf.

Leider konnten einige Stars zu den beliebten Filmgesprächen und einhergehenden Flanieren auf dem Roten Teppich nicht anreisen, da durch die Corona-Pandemie viele Dreharbeiten erst jetzt wieder aufgenommen wurden. Andrea Sawatzki grüßte allerdings in einer Videobotschaft das Publikum von einem Drehtermin in Bayern aus. Gekommen waren jedoch Joachim Król, Jürgen Prochnow, Christian Redl, Margarita Broich, Hannelore Hoger oder Walter Sittler.

Nach den Filmen hatten die Besucher wieder die Gelegenheit, auf den idyllisch gelegenen Parkinsel am Ufer des Rheins bei einen schönen Gläschen sich in der anheimelnder Atmosphäre einer dort aufgebauten Gastronomie bis in die Dunkelheit auszutauschen.  Oder im Liegestuhl direkt am Wasser Frachtkähnen oder Flusskreuzfahrtschiffen entspannt nachzuschauen.

Nach einer virtuellen, coronabedingten virtuellen Ausgabe der Veranstaltung im letzten Jahr nun wieder mit Publikum. Allerdings mit strengen Hygieneregeln, Zutritt gab es nur gemäß der 2G-Regel. „Ein starkes Zeichen für die Rückkehr gemeinsamer Kulturerfahrung setzt diese Festivalausgabe mit ihren Kinos an diesem magischen Ort am Rhein mit knapp über 60 000 verkauften Tickets – etwa genauso viele wie die Berliner Filmfestspiele in diesem Ausnahmejahr hatten“, freute sich Festivalintendant Dr. Michael Kötz. „Das sind zwar 50 Prozent weniger als in unserm Rekordjahr 2019 mit 120 000 Besuchern, aber die Lust auf Kultur ist auf der Insel deutlich spürbar“.