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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Gesundheit als Schulfach

Immer mehr Kinder körperlich und seelisch krank

von Ilse Romahn

(07.06.2022) Bewegungsmangel, falsche Ernährung und Probleme in Schule und Familie beeinflussen die Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der Region zunehmend. Die IKK Südwest plädiert daher für einen frühzeitigen Einstieg in die Gesundheitsbildung und spricht sich für einen systematischen und regelmäßigen Gesundheitsunterricht an Schulen in der Region aus.

Ziel müsse eine frühzeitige und altersgerechte Vermittlung von Gesundheitsthemen sein, um ein Bewusstsein für den eigenen Körper und Geist - und deren Gesunderhaltung - zu entwickeln, so Prof. Dr. Jörg Loth, Vorstand der IKK Südwest. 

Lebensstilbedingte Erkrankungen (sogenannte Zivilisationskrankheiten) stellen die Todesursache Nummer 1 in Deutschland dar und nehmen immer weiter zu. Um dieser beunruhigenden Entwicklung wirkungsvoll entgegenzutreten, ist es elementar wichtig, ein aktives Bewusstsein für den eigenen Körper sowie den Geist und damit für die Gesundheit insgesamt zu schaffen. Neben der individuellen Verantwortung müssen auch die Lebens-, Umwelt- und Arbeitsbedingungen eines Jeden einbezogen werden. Die Grundlagen für ein gesundes Leben werden jedoch entscheidend in der Kindheit gelegt.

 „Fast 80 Prozent der Krankheitslast in Europa gehen auf Erkrankungen zurück, die weitgehend vermeidbar sind. Die Zunahme der lebensstilbedingten Erkrankungen kommt immer ungebremster besonders in der Lebensrealität von Kindern und Jugendlichen an, oft wissen die Betroffenen aber zu wenig darüber. Diese Realität muss mit konkret anwendbaren Steuerungs- und Gegenmaßnahmen stärker in den Lehrplänen abgebildet werden. Aktuell finden Gesundheitsthemen über alle Klassenstufen hinweg eher in Inselprojekten statt, die zwar sehr wichtig sind, sich aber oft auf die Fächer Biologie oder Sport beschränken. Dadurch zahlen sie zu wenig nachhaltig auf die Gesundheit der jungen Menschen ein“, so Prof. Loth.  

Jungen leiden verstärkt körperlich, Mädchen eher psychisch
Das betrifft vor allem und immer stärker vermeidbare Zivilisationskrankheiten wie Adipositas und Rückenbeschwerden. Eine aktuelle Analyse der IKK Südwest zeigt, dass im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Hessen im Jahr 2020 gegenüber 2013 bis zu 5 % mehr Heranwachsende die Diagnose krankhaftes Übergewicht (Adipositas) erhalten haben – ein wichtiger Risikofaktor bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Bemerkenswert stark verlief der Anstieg innerhalb dieses Zeitraums bei den adipösen Jungen: in Rheinland-Pfalz lag dieser bei rund 7 %, im Saarland sogar bei rund 14 %. 

Auf einem konstanten Niveau blieben seit 2013 in allen drei Bundesländern die ärztlichen Diagnosen bei Rückenleiden, die bei Kindern oft mit der Einschulung beginnen.

Neben dem Körper leidet zunehmend auch die Psyche. So sind immer mehr Heranwachsende in der Region psychisch- und verhaltensauffällig mit Krankheitsbildern wie beispielsweise ADHS. Von 2013 bis 2020 wurden in Rheinland-Pfalz rund 7 % mehr entsprechender Diagnosen gestellt, in Hessen und im Saarland sogar rund 10 %. Hier sind über alle Regionen hinweg wiederum Mädchen mit einem Anstieg von bis zu 18 % deutlich stärker betroffen. 

Volkskrankheiten vermeiden, Gesundheitssystem finanziell entlasten
„Die Corona-Pandemie hat diesen Effekt verstärkt und gerade auch bei psychischen Erkrankungen zusätzlich deutlich gemacht, wie entscheidend Gesundheitskompetenz und Prävention im Kontext Schule ist. Es braucht also eine kindgerechte und vor allem konsequente Information zu wichtigen Themenfeldern wie Bewegung, Ernährung und Krankheit, die auch Eltern und Lehrer einbezieht. Es ist elementar wichtig, früh ein Bewusstsein für die Gesundheit und damit für Körper und Geist zu schaffen. Auch über Gesundheit als eigenständiges Schulfach, das aktuelle und alltagsnahe Inhalte aufnimmt, sollte daher diskutiert werden.“ 

Konkret sollten dabei neben Bewegungs- auch eine bessere Verbraucherkompetenz, zum Beispiel zum Thema Essverhalten und Frühstückskultur, auf dem Lehrplan stehen. Auch die Vermittlung von Kompetenzen im Arzt-Patienten-Verhältnis sowie eine inhaltliche Auseinandersetzung mit aktuellen und vermeidbaren Krankheitsbildern gehören demnach dazu, so Loth. 

Den letzten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zufolge entfielen beispielhaft rund ein Viertel der gesamten Krankheitskosten in Deutschland 2015 auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische und Verhaltensstörungen. Prof. Loth ergänzt: „Schließlich muss es neben dem wesentlichen Ziel, lebensstilbedingte Erkrankungen zu vermeiden bzw. zu reduzieren, im Interesse des Staates sein, Lösungen zu schaffen, die als solche auch die Volkswirtschaft sowie das Gesundheitssystem und damit den Beitragszahler langfristig finanziell entlasten.“

IKK Südwest, Europaallee 3-4, 66113 Saarbrücken