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Letzte Aktualisierung: 18.04.2024

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GERMANIA – Marke & Mythos

22 Jahre im Umlauf

von Karl-Heinz Stier

(17.02.2020) Mit dem Namen Germania schmücken sich heute - im Gegensatz zu vielen Jahrzehnten früherer Zeiten - nicht mehr so viele Institutionen.

Bildergalerie
Auskünfte erteilen (v.l.n.r.): Dr. Corinna Engel, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit; Dr. Helmut Gold, Direktor Museum Kommunikation; Dr. Andreas Hahn, Leiter Archiv für Philatelie Bonn; Regina Hock Pressearbeit.
Foto: Karl-Heinz Stier
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Paulskirche innen 1848 Nationalversammlung mit Germania-Bild
Foto: Karl-Heinz Stier
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Das Bild der Germania hinter Rednerpult. In der rechten Hand Schwert mit Ölzweig umwunden
Foto: Karl-Heinz Stier
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Die Germania mit Kaiserkrone und Brustpanzer auf Pfennigmarken
Foto: Karl-Heinz Stier
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Einweihung Niederwalddenkmal 1993 mit der Germania
Foto: Karl-Heinz Stier
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Heute sind es treu sorgende Gesang– und Sportvereine, viele  Studentenverbindungen wie z.B. die Berliner Burschenschaft Germania, die alte Darmstädter Burschenschaft oder die Burschenschaft Teutonia-Germania Marburg, seltener allerdings titulieren sich mit dem Begriff Konsumartikel- und Gebrauchsgegenständehersteller.

Das ist allerdings nicht gegen eine andere Zeit, in der die Germania für vieles stand, zum Beispiel auch für Freiheit und Demokratie wie in der Frankfurter Nationalversammlung 1848, dem ersten gesamtdeutschen Parlament. Hier wurde unter dem Schutzmantel einer friedensstiftenden Proklamation die Grundlagen für eine demokratische Ordnung ausgehandelt. Über dem Rednerpult hing ein Bild von ihr. Sie trägt ein rotes Gewand mit einem gold-blauen Umhang, auf der Brust das Wappen mit dem Doppeladler. In der rechten Hand hält sie ein erhobenes Schwert und einen Ölzweig. Mit der Linken stützt sie sich auf eine mittelalterliche Turnierlanze, von der die schwarz-rot-goldene Fahne weit in die Landschaft weht. Fünf Meter hoch war das Gemälde, das die Orgel verdeckte. Heute befindet sich das Original im Germanischen Nationalmuseum.

Bekannt auch das Niederwald-Denkmal in Rüdesheim. Die 12,50 Meter hohe Germania-Figur zielte bei ihrer Einweihung 1883 darauf ab, die Einigung Deutschlands und die Reichsgründung 1871 zu feiern. Der Blick der Germania richtete sich gegen Frankreich. Der Frankfurter Poet und Dichter Friedrich Stoltze verfasste dazu eine Parodie auf die „Wacht am Rhein“ mit dem Satz: „Wacht ihr am Rhei so viel derr wollt, in Frankfurt laßt mich schlafe“.

Die größte Außenwirkung erzielte die Germania allerdings als Briefmarkenobjekt Anfang des 20. Jahrhunderts, als die deutsche Reichspost neue Briefmarken in Pfennig-Werten für den Transport von Briefen und Postkarten  herausgegeben hatte. Kaiser Wilhelm II. sucht persönlich unter den über 40 Entwürfen eine blonde Weiblichkeit mit blauen Augen aus, die die Marke schmücken sollte – allerdings ohne die anderen Fotos zu beachten. Es war Anna Führing aus Hamburg. Sie feierte aufgrund ihrer inzwischen erworbenen Berühmtheit durch die Briefmarken viele Erfolge als Schauspielerin auf den Bühnen im In- und Ausland. Die Bewunderung Kaiser Wilhelms II für sie war allgemein bekannt.

Überrascht hat die Briefmarkenhistoriker, dass trotz großer politischer Wirren und Umstürze die „Germania“ mehrere Staatsformen und einschneidende Ereignisse überstand: das Kaiserreich mit seinem wilhelminischen Imperialismus und die Ausbeutung von Kolonien in Afrika und Asien, den 1. Weltkrieg und der Abdankung des Kaisers 1918 und sogar einen Teil der Weimarer Republik. Erst nach 22 Jahren, als die rasante Entwertung der Mark und die Briefmarke immer teurer wurde (1923 betrug das Briefporto 10 Milliarden Mark!), ging die letzte Serie der Germania Marke in Druck.

Wie sie auf der Briefmarke darzustellen war, darüber gingen bei den Entwürfen die Meinungen der Künstler und Grafiker auseinander. Der Maler und Grafiker Paul Eduard Waldraff ging als Gewinner des Wettbewerbs hervor: mit einem goldenen Brustpanzer und der Kaiserkrone auf dem Haupt. Er selbst nannte seine Schöpfung etwas despektierlich „Germania mit dem Blechbusen“.

Freilich ging trotz der Einstellung der Germania–Briefmarke nicht aus der Mode. Vor allem der Brustpanzer der Germania. Er stand für Wehrhaftigkeit. Aktuelle Beispiele aus dieser Zeit, in denen die Germania stellvertretend für die Nation Bezug genommen hat, werfen Fragen der Nachfolge der blonden bauäugigen Frau für spätere Deutungen auf. Der Nationalismus spielt eine entscheidende Rolle für die Massenpolitisierung im 19.Jahrhundert: Davon zeugen viele Studentenverbindungen und Sportvereine, die sich mit dem Namen Germania gründeten. Auch Gebrauchsprodukte nehmen in ihrer Werbung den Namen Germania auf. Ihre Produkte stehen für die nationale Gesinnung ihrer Fabrikanten. Ihr Bild hat sich im kollektiven Gedächtnis verankert. Germania wird zum Inbegriff für das völkische Bündnis, das nur wenige Jahre später zur nationalsozialistischen Ideologie pervertiert. Es dient auch als Drohgestalt einer endlich geeinten Nation - so  Dr. Andreas Hahn, Leiter Archiv für Philatelie Bonn. Darauf habe die nationalsozialistische Propaganda aufbauen können. Größenwahnprojekte wie der gigantische Plan für eine „Weltstadt Germania“ von Adolf Hitler und Albert Speer entstanden für Berlin. Beim angestrebten Neubau der Metropole seien Vision und Verbrechen untrennbar verbunden. 

„Mit der Ausstellung präsentiert das Museum für Kommunikation nicht nur bisher niemals ausgestellte Marken und Grafiken einer breiten Öffentlichkeit, sondern es nimmt das Motiv auch zum Anlass für einen kritischen Blick auf das aktuell vieldiskutierte Thema einer nationalen Identität“, sagt  Dr. Helmut Gold, Direktor des Museums für Kommunikation Frankfurt. Das Motiv lade dazu ein, die Frage nach einer stets wandelbaren und vielfältig empfundenen nationalen Identität immer wieder neu zu stellen und Antworten kritisch zu hinterfragen. Germania gehört zu den  bis heute bekanntesten und prägendsten Postwertzeichen Deutschlands. 

Die Ausstellung „Germania. Marke & Mythos“, dauert noch bis zum 31. Mai im Museum Kommunikation, Schaumainkai 53, Frankfurt am Main. 

Öffnungszeiten: DI bis Fr von 9 bis 18 Uhr, Sa, So und Feiertage 11-19 Uhr.

Weitere Infos  unter Tel. (069)60600 oder mfk-frankfurt@mspt.de oder mfk-frankfurt.de