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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Gemeinsam statt einsam

Gesundheitsamt verschreibt Kultur gegen Einsamkeit

von Ilse Romahn

(05.12.2022) Kultur, da sind sich Matthias Roos und Katharina Popp einig, ist ein hochwirksames Mittel gegen Einsamkeit. Darum wollen sie ab März kommenden Jahres Menschen, die sich einsam fühlen, kulturelle Aktivitäten, wie zum Beispiel einen Theater-Workshop oder einen Malkurs, auf Rezept verschreiben. Das Bewerbungsverfahren für ein solches Kulturrezept ist am 2. Dezember gestartet.

Das COPE-Projektteam: Matthias Roos und Katharina Popp
Foto: Gesundheitsamt
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„COPE – Culture On Prescription in Europe“ ist der Name des Projektes, das Roos, Psychologe am Gesundheitsamt, gemeinsam mit dem ISIS Institut für Soziale Infrastruktur erdacht hat. Seit 2009 ist Roos im Amt tätig. Als Leiter des Bereichs „Gesundheit im Alter/Prävention“, in dem zahlreiche Veranstaltungen für verschiedene Altersgruppen entwickelt und organisiert werden, ist Roos überzeugt davon, dass Kultur und Gesundheit zusammengehören. „Kultur verbindet Menschen, schafft soziale Interaktion und, wenn man sich der Kunst gemeinsam mit einer Gruppe widmet, auch Austausch unter Gleichgesinnten“, erklärt er.

„Genau darauf zielt COPE ab: Menschen zusammenbringen, die mehrheitlich allein leben, nur wenige soziale Kontakte haben, kurz – einsam sind“, sagt Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamts. Wie viele Menschen von Einsamkeit betroffen sind, belegen aktuelle Zahlen: Mehr als 75 Millionen Europäerinnen und Europäer treffen sich höchstens einmal im Monat mit Familie oder Freundinnen sowie Freunden, etwa 30 Millionen fühlen sich regelmäßig einsam. Und die gefühlte Einsamkeit hat während der Pandemie noch zugenommen. Tinnemann betont: „Jetzt ist genau die richtige Zeit, um ein Projekt wie ‚Kultur auf Rezept‘ zu initiieren. Mit ihm können wir Betroffene direkt erreichen und dazu beitragen, ihre seelische Gesundheit zu fördern.“

Mit speziell zugeschnittenen Kreativangeboten soll dies gelingen. „Im März beginnen wir mit einem Malkurs mit dem Kunstpädagogen und Sozialarbeiter Andreas Hett und einem Theater-Workshop in Kooperation mit T-Raum in Offenbach. Bis zu 15 Teilnehmer können in diesen Kursen jeweils mitmachen“, sagt Katharina Popp, die das Projekt zusammen mit Roos am Gesundheitsamt betreut. Die Kurse richten sich an Menschen aller Altersgruppen, wollen aber speziell Ältere ansprechen. „Denn sie leben besonders häufig in sozialer Isolation und haben oftmals weniger Zugang zu digitalen Angeboten als Jüngere“, weiß Popp.

Um ein Kultur-Rezept zu bekommen, kann man sich bis Mittwoch, 15. Februar 2023, per E-Mail an kulturrezept@stadt-frankfurt.de oder telefonisch an das Gesundheitsamt unter der Nummer (069)212-33129 wenden. Die Bewerbung beinhaltet das Ausfüllen eines speziellen Fragebogens, mit dessen Hilfe sich der Einsamkeitsgrad der Interessierten bestimmen lässt. Denn von dem Angebot sollen vor allem diejenigen profitieren, die sich einsam fühlen oder die in einer anderen Weise psychisch belastet sind.

„In einem nachfolgenden Gespräch wollen wir klären, ob unsere Kursangebote passen oder ob ein individuelles Angebot wie eine Führung mit einer Kulturbegleiterin oder ein Gutschein für einen Museumsbesuch besser zu der Bewerberin oder dem Bewerber passen. Alle, die sich bewerben, werden ein Kulturrezept bekommen“, erklärt Roos.

Die Gespräche und Fragebögen dienen den Projektkoordinatorinnen und -koordinatoren auch dazu, nach Abschluss der beiden Kreativkurse zu erheben, inwieweit das Kulturrezept Wirkung zeigt – fühlen sich die Teilnehmenden noch immer einsam oder bestärkt sie das gemeinschaftliche Erlebnis, künftig eigenständig einen Kurs zu belegen oder sich einer Gruppe anzuschließen? Hat das Einsamkeitsgefühl nachgelassen und wirkt sich das Angebot auch auf andere Bereiche günstig aus? Mit den Erkenntnissen aus COPE wollen die Kooperationspartner mögliche positive Effekte belegen und neue Konzepte gegen Einsamkeit entwickeln.

Roos ist sich schon jetzt sicher: „Kunst schafft Erlebnisse, der Besuch eines Kurses erweitert die eigenen Kenntnisse. Und das erweist sich immer als positiv für die psychische Gesundheit.“
 
Informationen zu COPE
 „COPE – Culture On Prescription in Europe“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des ISIS Institut für Soziale Infrastruktur, des Gesundheitsamts Frankfurts und Partnern in Dublin, Bukarest, Gouda, Lissabon und Brüssel. Es hat eine Laufzeit von 27 Monaten, welche sich bis zum 31. März 2024 erstreckt und wird vom Erasmus-Förderprogramm der Europäischen Union kofinanziert. Ziel des Projekts ist es, Menschen, die unter Einsamkeit leiden, zu unterstützen und gleichzeitig zu untersuchen, inwieweit Einsamkeit und sozialer Isolation durch neu entwickelte Kunst- und Kulturprogramme entgegengewirkt werden kann.