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Letzte Aktualisierung: 18.04.2024

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Frankfurter Preis für Umwelt und Nachhaltigkeit 2022

von Adolf Albus

(27.09.2022) Die Preisträger stehen fest: Der „Frankfurter Preis für Umwelt und Nachhaltigkeit 2022“ geht in diesem Jahr an insgesamt fünf Nachwuchswissenschaftler der Goethe-Universität.

Lukas Sattlegger (Fachbereich Gesellschaftswissenschaften) und Lisa Zimmermann (Fachbereich Biowissenschaften) erhalten für ihre Dissertationen jeweils die Hauptpreise, Natalie Reininger (Fachbereich Biowissenschaften), Katrin Wagner (Fachbereich Geowissenschaften/Geographie) und Alexandra Werwitzke (Fachbereich Geowissenschaften/Geographie) für ihre Masterarbeiten bzw. Wissenschaftlichen Hausarbeiten jeweils die Förderpreise.Ausgewählt wurden die Preisträger vom Kuratorium Frankfurter Preis für Umwelt und Nachhaltigkeit unter Vorsitz von Professorin Birgit Blättel-Mink. Der „Frankfurter Preis für Umwelt und Nachhaltigkeit 2022“ (Haupt- und Förderpreis) wird vergeben für Qualifikationsarbeiten im Feld der Umwelt- und sozial-ökologischen Nachhaltigkeitsforschung. In diesem Jahr kooperiert das Kuratorium bei der Ausstattung und der Preisverleihung mit dem GRADE Center Sustain der Goethe-Universität.

Verleihung Frankfurter Preis für Umwelt und Nachhaltigkeit 2022
Montag, 21. November 2022, ab 14 Uhr
Renate von Metzler Saal (Casino, Campus Westend).

Mit Vorträgen der beiden Haupt-Preisträger.
Laudator: Dr. Carolin Völker (ISOE/FB 15 - Biowissenschaften) und Prof. Dr. Martin Schmidt (FB 14 - Biochemie, Chemie und Pharmazie).

Die beiden Preisträger im Bereich Hauptpreise
Lukas Sattlegger hat sich in seiner Dissertation im Fach Soziologie mit „Schwierigkeiten und Potentiale der Verpackungsvermeidung – Eine Arbeitsethnographie im Lebensmittelhandel“ beschäftigt.  In seiner Arbeit, die im Rahmen der transdisziplinär angelegten BMBF-Nachwuchsforschungsgruppe „PlastX – Kunststoffe als systemisches Risiko für sozial-ökologische Versorgungssysteme“ erstellt wurde, befasst Sattlegger sich aus praxistheoretischer Perspektive mit folgender Frage: „Wie wird im Lebensmittelhandel mit und an Verpackungen gearbeitet?“ Ethnographisch an mehreren Orten des Lebensmittelhandels arbeitend, identifiziert er eine Vielzahl von spezifischen Funktionen von Verpackungen insbesondere im Supermarkt, die bei einer Transformation hin zu einer nachhaltigeren Verpackung berücksichtigt werden müssen, so die Gutachter Prof‘in Dr. Birgit Blättel-Mink und Prof. Dr. Thomas Scheffer, beide Fachbereich 03 – Gesellschaftswissenschaften. So untersuchte er den Transformationsprozess hin zur Vermeidung von Plastikverpackungen in einem Bio-Großhandel (Problematisierung und Substitution von Plastikfolie in der Palettensicherung unter Aushandlung der Beziehung von menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren) und schließt aus einer Analyse der Beziehungen zwischen den Arbeiter und dem Plastik, dass nicht einfach auf Plastik verzichtet werden kann, sondern erst neue Praktiken für den Umgang mit dem Plastikersatz entwickelt werden müssen.

 „Toxicity of Plastic Consumer Products: A Biological, Chemical and Social-Ecological Analysis“ war das Thema der zweiten Preisträgerin des Hauptpreises, Lisa Zimmermann, deren Dissertation im Fach Aquatische Ökotoxikologie angesiedelt ist. Sie nehme in ihrer Dissertation (ebenfalls: BMBF-Nachwuchsforschungsgruppe „PlastX – Kunststoffe als systemisches Risiko für sozial-ökologische Versorgungssysteme“ am ISOE) eine umfassende toxikologische und chemische Charakterisierung der chemischen Gemische vor, welche in einem Großteil von Alltagskunststoffen enthalten sind und vielfach aus diesen austreten, so die Gutachter des Fachbereichs 15 – Biowissenschaften, Dr. Carolin Völker (ISOE/FB15) und Prof. Dr. Jörg Oehlmann (FB15). Ihre Auswahl umfasst Alltagsprodukte sowie Produkte bestehend aus biobasierten und bioabbaubaren Materialien, welche als nachhaltigere Alternativen zu konventionellen Kunststoffen beworben werden. In ihren In-vitro- und In-vivo-Toxizitätsuntersuchungen konnte Lisa Zimmermann mehr als 1400 Chemikalien nachweisen, welche mehrheitlich mit chemischer Analytik nicht identifizierbar waren und somit in Risikobewertungen nicht berücksichtigt werden.

Im Bereich Förderpreise gibt es drei Preisträgerinnen
Natalie Reininger hat sich in ihrer Masterarbeit im Fach Umweltwissenschaften mit dem Thema „Comparative Study of Bisphenol A and of Selected Analogues in in Vitro and in Vivo Tests“ beschäftigt. Für Bisphenol A (BPA), eine in großen Mengen als Weichmacher in der Plastikproduktion verwendeten Substanz, die sich nun auch in relevanten Mengen in der Umwelt findet und diverse unerwünschte bzw. schädliche Auswirkungen auf Organismen und Ökosysteme hat (z.B. östrogene Wirkung), wurden Ersatzstoffe entwickelt (Bisphenolanaloga). Natalie Reininger habe die ökotoxikologischen Wirkungen von sechs dieser Ersatzstoffe untersucht, schreiben die beiden Gutachter des Fachbereichs 15 – Biowissenschaften, Prof. Dr. Jörg Oehlmann und Prof. Dr. Henner Hollert.

Dafür hat sie umfangreiche In-vitro und In-vivo-Untersuchungen zur biologischen Wirkung der Substanzen durchgeführt. So wurden Mutagenität, Basistoxizität und endokrine Aktivität mit In-vitro-Assays untersucht sowie Reproduktionstests mit einer Wasserschnecke durchgeführt. Die Untersuchungen zeigen, dass die verwendeten Ersatzstoffe ebenfalls problematisch, d.h. toxisch sind, und z.T. stärkere unerwünschte Wirkungen haben als Bisphenol A.

„Hydroclimate Reconstruction from Annually Laminated Lake Sediments from Kapp Linné, Svalbard, Norwegian High Arctic“ – so lautete das Thema von Katrin Wagners Masterarbeit im Fach Physische Geographie. Die Arktis sei ein besonders empfindliches Ökosystem, und im gegenwärtigen globalen Klimawandel ein Ort massiver Veränderungen durch rapide Erwärmung, so die Gutachter des Fachbereichs 11 - Geowissenschaften/Geographie, Prof. Dr. Jürgen Wunderlich (FB 11) und Prof. Michael J. Retelle (Bates College, Lewiston, USA). In der Arktis stieg die Jahresmitteltemperatur in den letzten fünf Dekaden etwa dreimal so schnell wie im globalen Mittel. Diese besonders drastische Erwärmung habe nicht nur starke Konsequenzen für das polare Ökosystem, sondern auch einen Einfluss auf das globale Klima durch die Veränderung von globalen Zirkulationsmustern in Atmosphäre und Ozeanen. Katrin Wagner befasste sich in ihrer Arbeit mit der Analyse eines Sedimentbohrkernes in einem proglazialen See (Linnévatnet am Kapp Linné) im westlichen Spitzbergen. Durch die Auswertung des Bohrkerns sollten die Klimaänderung im westlichen Spitzbergen in einen historischen Kontext eingeordnet und insbesondere die Frage sich ändernder Niederschlagsmuster untersucht werden.

„Auswirkungen des ‚Great Garuda Sea Wall‘-Projekts auf Fischerei und Fisch im Küstengebiet Jakartas“: Damit beschäftigte sich Alexandra Werwitzke in ihrer Wissenschaftlichen Hausarbeit im Lehramt. Das Verhältnis von ökonomischen und ökologischen Zielen müsse in gesellschaftlichen und politischen Diskussionen stets mühsam verhandelt werden und unterliegt dabei nicht zuletzt verschiedenen Vorstellungen von Natur und Nachhaltigkeit, schreiben die beiden Gutachter Prof’in Dr. Antje Schlottmann und Dr. Eva Nöthen, Fachbereich 11 – Geowissenschaften/Geographie. Die Abschlussarbeit von Alexandra Werwitzke widmet sich diesem Spannungsfeld. Am Beispiel des von der Regierung Indonesiens in Zusammenarbeit mit den Niederlanden geplanten Projekts Great Garuda Sea Wall (GGSW) wurde mittels einer Diskursanalyse die interessengruppenspezifische Darstellung der Auswirkungen des Projekts auf Fischerei und Fischfauna analysiert. Im Ergebnis würden die prekäre Situation Jakartas und die sich zuspitzende ökologische Handlungsdringlichkeit zwar sowohl von Seiten der Regierung als auch von lokalen Oppositionellen wahrgenommen, allerdings in unterschiedlichen Argumentationssträngen.