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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Frankfurt und seine Partner halten auch in Zeiten von Corona zusammen

von Ilse Romahn

(02.06.2020) ,Frankfurt World Conference‘: Frankfurts Partnerstädte bilden digitalen Schulterschluss.

Oberbürgermeister Peter Feldmann im Bild auf der "Frankfurt World Conference"
Foto: Stadt Frankfurt
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Die Coronapandemie nimmmt in ihrer globalen Ausbreitung keine Rücksicht auf Ländergrenzen. Binnen weniger Wochen hat das neuartige Virus die globalen Wirtschafts- und Sozialsysteme in eine vorübergehende Schockstarre versetzt. Behutsam fahren neben Deutschland auch andere Länder nun wieder hoch. Ein wichtiges Anliegen ist es daher für Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann, sich mit Vertretern von Frankfurts Partnerstädten über den bisherigen Verlauf und das weitere Vorgehen bei der Bekämpfung der Pandemie abzustimmen.

Bei der von der Mainmetropole organisierten „Frankfurt World
Conference“ haben sich am Freitag, 29. Mai, Delegierte der Städte Guangzhou (China), Birmingham (England), Philadelphia (USA), Mailand (Italien) und Eskisehir (Türkei) virtuell mit Frankfurts Stadtoberhaupt ausgetauscht. „Deutschland – und glücklicherweise auch Frankfurt – haben bisher viele richtige Entscheidungen bei der Bewältigung dieser Pandemie getroffen. Nun gehen wir ein Stück weit zurück in die Normalität“, sagte Feldmann. Doch dieser Tage zeige sich, dass die Globalisierung nicht nur wirtschaftliche Vorteile mit sich bringe, sondern auch, wie verwundbar die vernetzte Weltbevölkerung sei.

Brigid Jones, stellvertretende Vorsitzende des Stadtrates von Birmingham, bilanzierte: „Wir haben in Birmingham mehr als 1000 Menschenleben verloren, auch weil wir viel später in den Lockdown gegangen sind als andere Länder.“ Jones meldete sich aus dem Homeoffice, von wo aus sie versucht, die Stadt zu managen. „Seit 2010 hat unser öffentliches Gesundheitssystem stark an Leistungsfähigkeit verloren. All das macht es für uns sehr schwierig“, sagte sie. Dennoch gebe es Hoffnung. Die Stadtverwaltung habe 23.000 Essensrationen an Bedürftige verteilt, 11.000 städtische Mitarbeiter kümmern sich um das Wohl der Bewohner. „Wir kommen als Land sehr langsam aus dem Lockdown und sorgen uns um die zweite Welle“, sagte Jones. Ein weiteres großes Problem sei, dass die Regierung in London wissenschaftliche Erkenntnisse nur zögerlich mit lokalen Institutionen teile. „Wir hoffen aber, dass der Frankfurter Weihnachtsmarkt in diesem Jahr bereits wieder stattfinden kann“, sagte die Vertreterin Birminghams.

Li Ming, die Vizebürgermeisterin von Guangzhou, betonte, dass die Metropole am Perlflussdelta das Coronavirus inzwischen dank des entschlossenen Handelns der chinesischen Regierung eingedämmt habe und die Bevölkerung der Elf-Millionen-Metropole wohlauf sei. Das Zustandekommen einer Maskenspende nach Frankfurt sowie die Teilnahme an der „Frankfurt World Conference“ bezeichnete Li Ming als Ausdruck freundschaftlicher Verbundenheit. China und Guangzhou betrachteten es nun als ihre Verpflichtung, die Coronapandemie zu bekämpfen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiteten Forscher, Mediziner und Politiker weiterhin Tag und Nacht. Auch die chinesische Wirtschaft sei inzwischen auf dem Weg der Erholung und fahre wieder hoch. Dennoch sei die Binnennachfrage im ersten Quartal 2020 um über 13 Prozent eingebrochen.

Philadelphias Wirtschaftsdezernentin Sylvie Gallier Howard berichtete, dass die Stadtverwaltung „einige schwierige Entscheidungen hinsichtlich Finanzierung und Personal“ zu treffen hatte. Vor allem kleine Geschäfte seien vom Lockdown hart getroffen worden. „Wir haben sehr schnell ein Programm aufgestellt, um 2000 dieser Unternehmer mit 14 Millionen Dollar zu unterstützen“, sagte Gallier Howard. Auch beobachte man sehr genau, wie die internationalen Partner und besonders Deutschland mit der Pandemie umgehen. Durch die coronabedingte Express-Digitalisierung täten sich aber auch Chancen der wirtschaftlichen Erholung auf: „Wir sehen dies als Möglichkeit, nach vorne zu schauen und nicht zurück“, sagte Gallier Howard. So seien Philadelphias Schulen nicht auf E-Learning ausgelegt, profitierten derzeit jedoch stark von privaten Spenden, um eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen. „Am 5. Juni werden viele Geschäfte wieder öffnen. Wir wissen aber nicht, ob unsere Schulen im September ihren Betrieb wieder aufnehmen können oder nicht“, resümierte die Wirtschaftsdezernentin.

Unter Frankfurts Partnerstädten sorgte vor allem Mailand wegen des frühen und sehr heftigen Corona-Ausbruchs in Italien für Schlagzeilen. Vittoria Beria, Leiterin der Abteilung für Auslandsbeziehungen, berichtet von drastische Maßnahmen, welche die Stadtverwaltung zu treffen hatte und bedankte sich zugleich für große Hilfe von allen Partnern weltweit, auch aus Frankfurt. „Es war eine sehr schockierende Erfahrung, viele Menschen trauern um ihre Angehörigen. Inzwischen sind wir aber weitaus besser aufgestellt“, sagte Beria. Die Mailänder Bevölkerung habe mit sehr großer Disziplin und Solidarität auf die Krise reagiert und ein beachtliches ehrenamtliches Hilfsnetzwerk etabliert.

Corona habe für einen massiven Schub digitaler Angebote gesorgt und die Zahl der digitalen Dienstleistungen und Arbeitsplätze binnen kurzer Zeit massiv erhöht. „Vieles davon sind Services, die sicherlich auch in Zukunft erhalten bleiben. Wir haben auch weitaus weniger Luftverschmutzung als zuvor und daher neue Wege erschlossen, auf denen sich die Menschen innerhalb der Stadt bewegen, sowie mehr Freiflächen im Stadtraum für Restaurants und Bars“, bilanzierte Beria. Mailand würde sehr gerne die von Oberbürgermeister Feldmann ausgesprochene Einladung zur Buchmesse im Oktober annehmen, derzeit gehe es aber zunächst darum, die Krise zu überwinden.

Auch Utku Cakirözer, Stadtrat von Eskisehir, zog ein äußert differenziertes Zwischenfazit. Die türkische Kulturmetropole sei eine jener Städte gewesen, die früh begannen, ihr Personal auf die Pandemie in der Türkei vorzubereiten. „Wir haben im März mit den Vorbereitungen begonnen und den Shutdown eingeleitet sowie Veranstaltungen abgesagt, noch bevor die Regierung dies vorgeschrieben hat“, erklärt Cakirözer. Dieses Vorgehen habe sich durch verhältnismäßig geringe Infektionszahlen und milden Krankheitsverläufen bezahlt gemacht. Aber: „Ramadan und Bayram konnten wir nicht wie gewohnt feiern. Für viele war dies das erste Bayram ihres Lebens, an dem enge Familienangehörige nicht wie üblich Herzlichkeiten austauschen konnten“, sagte Cakirözer. Die soziale Distanz sei besonders in diesem Kontext für viele schwer zu akzeptieren gewesen.

Eskisehir, das für sein kulturelles Leben bekannt ist, habe zwar große Einschnitte erfahren. Doch Orchester und Künstler haben über die sozialen Netzwerke Aufführungen angeboten und somit den Menschen ein Stück Normalität zurückgeben können. „Wir haben gemerkt, wie kostbar alltägliche Freiheiten wie freie Reise oder Restaurantwahl sind. Vermeintliche Banalitäten wie Händewaschen haben uns aber auch gezeigt, wie groß ihr individueller Einfluss auf die Gesellschaft sein kann“, sagte Utku Cakirözer.

Auch Frankfurts Oberbürgermeister wies darauf hin, dass die aktuelle Krise Chancen biete: „Wir nehmen wahr, dass der Wunsch nach einer stärker digitalisierten Wirtschaft zunimmt. Und wir spüren in Frankfurt, wie wichtig digitale Konferenz- und Arbeitslösungen sind, die auch zur Einsparung von umweltschädlichen Kurzstreckenflügen führen können.“ In Frankfurt sind Schulen und der Zoo wieder geöffnet, Kindergärten folgen in Kürze. „Das Leben kehrt in die Stadt zurück. Dennoch hat sich einiges geändert. Umso interessierter haben wir das Geschehen in den USA, England, China und auch der Türkei verfolgt“, sagte der Oberbürgermeister.

Eine Video-Zusammenfassung der ersten „Frankfurt World Conference“ wird am Dienstag, 2. Juni, auf http://www.frankfurt.de zu sehen sein. (ffm)