Frankfurt feiert Reformation und 2000 Menschen sind mit dabei
Das Frankfurter Rathaus Römer hatte am Pfingstmontag lila geflaggt: 500 Jahre Reformation wurde im Herzen der Mainmetropole gefeiert. Mehr als 2000 Menschen sind der Einladung der Evangelischen Kirche Frankfurt am Main und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gefolgt und zu dem Festtag erschienen, der um 11 Uhr mit einem Gottesdienst begonnen hat.

Foto: Rolf Oeser
Groß die Freude, dass das Wetter mitspielte, nicht zu warm, nicht zu kalt, so Frankfurts evangelischer Stadtdekan Dr. Achim Knecht in seiner Begrüßung, groß auch die Freude, dass das Fest mit so vielen Menschen, darunter auch prominente Vertreter der Stadt wie Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler, Oberbürgermeister Peter Feldmann und Kirchendezernent Uwe Becker, begangen wird. Die Spitzen der katholischen Kirche, der katholische Stadtdekan Dr. Johannes zu Eltz und die Vorsitzende der katholischen Stadtversammlung, Dr. Daniela Marschall-Kehrel, zählen zu den Gästen, die Knecht gleichfalls namentlich genannt hat. Im Vergleich zu früheren Jahrhunderten gehe es beim Reformationsjubiläum 2017 darum, das Gemeinsame und Verbindende herauszustellen, wir setzen uns nicht auseinander „sondern an einen Tisch“, so der evangelische Stadtdekan.
Kirchenpräsident Dr. Volker Jung: Glauben heißt, die Einladung anzunehmen
Damit hat er auch das Motto des Gottesdienstes, „An einen Tisch“ angesprochen. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung, predigte dazu. Zugrunde legte er die Geschichte vom großen Gastmahl aus dem Lukasevangelium: Ein wohlhabender Mann lädt Jesus zu einem Gastmahl ein. Der Zimmermannssohn passt nicht so recht zur gediegenen Gesellschaft, aber der Gastgeber hat gehört, dass es sich bei Jesus um eine interessante Person handelt und bittet ihn deshalb hinzu. Prompt mischt Jesus die Tischgesellschaft auf, mit seiner Forderung: „Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine reichen Nachbarn ein, damit sie dich wieder einladen, lade Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein. Dann wirst du selig.“
Mit Bezug auf Martin Luther sagt der EKHN-Kirchenpräsident, der Reformator habe in Wittenberg vor 500 Jahren für die Ansicht eingestanden: Ich muss mir die Einladung an Gottes Tisch nicht erarbeiten und verdienen. Gott lädt den Menschen ein, so wie er ist, mit seinen Talenten und Tugenden und seinen Abgründen und Fehlern. „Glauben heißt, darauf zu vertrauen: ich bin eingeladen. Und Glauben heißt, diese Einladung anzunehmen“, so der Kirchenpräsident.
Die andere Botschaft, die Jung aus dem Text zog, war: Bleibt nicht unter euch und ladet nicht nur aus Berechnung ein. Beifall von den Besucherinnen und Besuchern des Gottesdienstes erhielt der Kirchenpräsident für seine Aussage, es gehe erst einmal um eine grundsätzlich positive Zuwendung zu den Menschen, „damit verträgt sich überhaupt nicht, Mauern und Zäune zu errichten“. Abschließend bat der EKHN-Kirchenpräsident um Gottes Geist: für ein gutes ökumenisches Miteinander der christlichen Konfessionen, für ein gelingendes Miteinander beim Zusammenleben der Religionen und Weltanschauungen. Und „um Gottes Geist für ein friedliches Miteinander in unserem Land und in dieser Welt“.
Lange Tische – im Lied und auf Römerberg und Paulsplatz
Prodekanin Dr. Ursula Schoen, Dr. Irmela von Schenck, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Kirche Frankfurt, und Pfarrerin Andrea Braunberger-Myers von der Evangelischen Sankt Paulsgemeinde wirkten an der Liturgie des Festgottesdienstes zum 500. Reformationsjubiläum mit. Das Musikprogramm gestalteten Pfarrer Eugen Eckert, Frankfurter Stadionpfarrer und Kopf der Band Habakuk, Blech Pur, Posaunenchöre der Propstei Rhein-Main unter der Leitung von Landesposaunenwart Frank Vogel sowie der Chor der Atterberry Chapel, Frankfurt. Eckert konnte gar eine Uraufführung präsentieren: Das Lied „Was wir brauchen“ – darin kommt in einer Liedzeile ein langer Tisch vor.
Eine gute Überleitung für das anstehende Mittagsmahl: Lange Tafeln breiteten sich auf dem Römerberg und im Schatten der Paulskirche aus, gedeckt mit weißen Tischdecken, aufgedruckt eine farbige 500. Passend zu dem Motto Vielfalt, passend zu dem Motto „bunt“ des Festtages. Olaf Lewerenz, Pfarrer für Stadtkirchenarbeit an der Evangelischen Sankt Katharinenkirche und Beauftrager für das Reformationsjubiläum in Frankfurt freute sich über den Besuch: „Genauso bunt und vielfältig haben wir uns den Tag gedacht und gewünscht“, meint er mit Blick auf die Anwesenden. Erfreut zeigte sich Prodekan Holger Kamlah, dass der Gemeindepavillon von vielen angesteuert wurde. Dort lagen Flyer und Informationen der Gemeinden, aber auch einiges Informationsmaterial aus sozial-diakonischen Einrichtungen. „Die Leute interessieren sich, nehmen die Sachen mit“, so Kamlah.
An den Tischen konnten sich die Gäste mit Grüner Soße oder auch „Bierfleisch mit Dinkel und Rüben“ stärken, einem Gericht aus der Lutherzeit, und mit Tischreden – Impulsen, um ins Gespräch zu kommen. „Wir stecken viel Zeit und Energie in unsere demokratischen Willensbildungen“, das führe zu sinnvollen Ergebnissen und stabilisiere das Fundament, sagte Präses Irmela von Schenck. Klaus-Dieter Drescher, Kirchenvorstandsvorsitzender der Evangelischen Dornbuschgemeinde, berichte einen Tisch weiter darüber, was es heißt, dass Laien wie er die Zukunft einer Gemeinde mitgestalten: Wie sehen die Finanzen aus? Bauen wir einen neuen Kindergarten? Fragen wie diese würden gewählte Vertreterinnen und Vertreter wie er beantworten.
Statements von Gästen des Festtages zu „500 Jahre Reformation“:
Als „Weckruf für uns Katholiken, auf welch falschen Weg wir uns da begeben hatten“ begreift Dr. Daniela Marschall-Kehrel, Vorsitzende der Stadtversammlung der Frankfurter Katholiken, die Reformation. Auch „Kirche für alle“ und „Bibelübersetzung für alle“ verbindet sie mit der Reformation. Nach 500 Jahren solle heute die Versöhnung zwischen katholischen und evangelischen Christen im Vordergrund stehen, „mit 36 Prozent sind die Konfessionslosen in Frankfurt die größte Gruppe, wir sollten nach dem suchen, was uns verbindet und nicht nach dem, was uns trennt.“ In der heutigen „verrückten politischen Welt“ seien Menschen, die ein Zeugnis ablegen, wichtig.
Als „Aufbruch in Eigenständigkeit und in die eigene Verantwortung“ begreift der Frankfurter Bürgermeister, Stadtkämmerer und Kirchendezernent Uwe Becker die Reformation. Mit ihr gehe einher, „sich als aktiver Teil von Gemeinschaft zu begreifen und Freiheit in Verantwortung praktizieren zu können und zu müssen.“ Die Reformation als Bewegung habe sich „von den strengen Fesseln mittelalterlicher Obrigkeit gelöst“ und bilde „ein wichtiges Fundament unserer demokratischen Gemeinschaft“.
Für Stadtverordnetenvorsteher Stephan Siegler ist zentral an der Reformation „die Übersetzung der Bibel ins Deutsche“. Dies habe nicht nur einer kleinen elitären Gruppe, sondern dem Rest der Bevölkerung „den Zugang zur Bibel ermöglicht. Das war ein wichtiger Schritt zur Demokratisierung.“
Hans-Peter Hoogen, Senior im Szene-Café Größenwahn und in der Regenbogenpflege aktiv, sagt nach dem Pfingstgottesdienst auf dem Römerberg: „Das war eine Super-Sache von Luther, der Thesenanschlag war wichtig, damit etwas passierte.“ Seine Bibelübersetzung ins Deutsche bezeichnet Hoogen als „Revolution“.
Frank Lehmann, ehemaliger Börsenmoderator des HR und Reformationsbotschafter, sagt: „Wir brauchen jetzt wieder einen neuen Aufbruch, es wäre schön, wenn ein Luther heute da wäre. Heiner Geißler hat dazu ein Buch geschrieben.“ Was der Reformator heute tun sollte? „Wir sind sehr verkrustet, über den Frieden wird viel geredet, aber es wird nicht umgesetzt. Wir brauchen Umsetzer.“ Auch die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich treibt den ehemaligen Wirtschaftsjournalisten um: „Es entsteht heute immer mehr Reichtum ohne Blick auf das Gemeinwohl. Ein neuer Luther würde energisch darauf drängen, dass das Gemeinwohl oberstes Gebot ist. Es muss etwas passieren, um der Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken.“
Auf dem Paulsplatz unter Platanen sitzt Thomas Bäppler-Wolf, besser bekannt als Bäppi la Belle und wartet auf Gäste an seinem Tisch. Wasserflaschen und Bratwürstchen balancierende Besucher werden gleich seiner Tischrede lauschen. „Die Reformierung der Kirche, das Abspalten von der katholischen Kirche war gut“, sagt der Tanzschulbesitzer und SPD-Stadtverordnete. Als Jugendlicher engagierte sich Bäppler-Wolf beim CVJM: „Ich stellte fest, dass die evangelische Kirche der katholischen einiges voraus hat.“ Er zählt auf: In der evangelischen Kirche sind auch Frauen tätig, sie können auch heiraten, es gibt die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, sie ist immer auf dem Stand der Zeit.“ Eine Anekdote erzählt er noch zum Abschied: „In meiner Tanzschule habe ich einen Mitarbeiter, dessen Vater Pfarrer ist. Ich fragte ihn, ob er evangelisch oder katholisch ist….na toll, ein echter Bäppler.“
Ein paar Tische weiter hält Oberbürgermeister Peter Feldmann seine Tischrede. Er berichtet von seiner Zeit als Leiter des Jugendhauses des Evangelischen Vereins für Jugendsozialarbeit am Bügel und von einem jungen Mann, der ihn dort, als er gerade seine Arbeit begonnen hatte, provozierte. „Ich fragte ihn schließlich, was er mit mir zusammen machen will“, erzählt Feldmann seinen lauschenden Tischgästen, „und er sagte mir, er wolle eine Funktion im Jugendhaus übernehmen. Später wurde er Sprecher des Jugendhauses.“ Feldmann hat gefallen, dass die kirchliche Einrichtung Raum für die Entwicklung von Engagement geboten hat. Engagiert appelliert der Oberbürgermeister: „Es ist eine unglaubliche Kraft, die von Menschen ausgeht, wenn sie von einer Sache überzeugt sind.“ So sei es auch mit dem Glauben an den einen Gott, der die Menschen mitreiße und Hoffnung gebe.
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