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Letzte Aktualisierung: 27.03.2024

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Fälle, Fragen, Faxe

Wie das Gesundheitsamt eine Viertelmillion Fälle, noch mehr Anrufe und über 60.000 E-Mails bearbeitete

von Ilse Romahn

(16.08.2022) „Es war eine krasse Zeit“, sagt Peter Waterstraat auf die Frage, wie das war im Frühjahr 2020, als die Corona-Pandemie losging und die Gesundheitsämter in ganz Deutschland mit immer neuen Daten von immer neuen Erkrankten überflutet wurden. Von März 2020 bis März 2022 war Waterstraat zusammen mit einer Kollegin Leiter der Falleingabe.

Quasi über Nacht bestand sein Arbeitstag nicht mehr aus der Koordination der psychosozialen Notfallversorgung in Frankfurt, für die Waterstraat eigentlich zuständig ist, sondern daraus, ein 35-köpfiges Team anzuleiten und zu motivieren.

„Anfangs haben wir wie alle anderen Gesundheitsämter auch die Fälle noch per Fax bekommen und von Hand eingetippt, mussten bergeweise Papier durch das Amt schieben“, sagt er. Dann hat die Pandemie der Digitalisierung der deutschen Behörden eine Art Schub verpasst: „Im Januar 2021 kam das einheitliche elektronische Erfassungssystem DEMIS, später haben wir im Amt eine digitale Fallmappe entwickelt. Das hat die Arbeit zwar erleichtert, gleichzeitig stiegen aber die Fallzahlen.“ Ihren Gipfel erreichten sie an einem Tag im Frühjahr 2022, als das Team 3009 Fälle eingab. „Wir haben sieben Tage die Woche Vollgas gegeben, das war für alle eine hohe Stressbelastung“, sagt Waterstraat.

Alles in allem hat das Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 bis Juli dieses Jahres über 250.000 Coronafälle bearbeitet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Corona-Hotline, die zudem Hotline für das gesamte Land Hessen ist, haben knapp 290.000 Anrufe beantwortet. Und allein das offizielle Corona-Postfach, an das sich Bürgerinnen und Bürger per E-Mail wenden konnten, verzeichnet bis heute über 63.000 Nachrichten.

„Zu Beginn und während der Peaks der Pandemie nahmen wir zusammen mit unseren 13 studentischen Aushilfskräften bis zu 1650 Anrufe pro Tag an“, sagt Sylke Dobat, Sozialarbeiterin beim Sozialpsychiatrischen Dienst und verantwortlich für die hessische Hotline. Diese war bis zu sieben Tage in der Woche von 8 bis 20 Uhr erreichbar. Manchmal gingen die Telefonate über die reinen Fragen zu Corona und den aktuellen Richtlinien hinaus. „Wenn ich etwa jemanden am Hörer hatte, der über seine Existenzängste sprach, konnte ich ihn durch meinen beruflichen Hintergrund auch beraten“, erzählt Dobat. „Die Zeiten waren teilweise sehr anstrengend, gleichzeitig war die Arbeit aber auch spannend.“ Inzwischen erreichen das Team deutlich weniger Fragen – etwa 80 bis 100 pro Tag, die vier Studentinnen und Studenten montags bis freitags zwischen 9 und 15 Uhr beantworten.

An der Hotline stellte sich schnell heraus, dass sich manche Fragen besser schriftlich stellen und beatworten lassen. Also richtete das Gesundheitsamt ein E-Mail-Postfach ein, das Pamela McLaughlin seither federführend betreut. „Wer schreibt, ordnet zuvor seine Gedanken, es gibt weniger Verständigungsprobleme. Zudem ist eine E-Mail immer verbindlicher als ein Telefonat“, sagt die Psychiaterin aus dem Sozialpsychatrischen Dienst. „In den Hochzeiten schrieben wir permanent gegen einen Berg ankommender Nachrichten an. Und wenn man dachte ‚Diese zehn Mails schaffe ich noch‘, kamen in der Beantwortungszeit dreißig neue dazu, die man nicht mehr erledigen konnte. Das war oftmals frustrierend“, erzählt sie. Je routinierter die Bürgerinnen und Bürger wurden, umso ruhiger wurde es im Posteingang. Mittlerweile betreut McLaughlin das Postfach allein und kann teilweise auch wieder ihren originären Aufgaben nachgehen. Die eingehenden Fragen änderten sich mit den verschiedenen Verordnungen. Mal drehte sich der Großteil der Mails um Einreisebestimmungen, mal um Maßnahmen, die Schulkinder betrafen. Inzwischen wollen die Absenderinnen und Absender zumeist wissen, wo man einen PCR-Test machen lassen kann und wie lange man in Absonderung bleiben muss. „Wir wurden schon sehr eingesogen von der Thematik und mussten anfangs auch viel Neues lernen“, sagt McLaughlin.

Dennoch empfindet sie ihre Arbeit als Bereicherung.  „Wie jede Krise setzt diese Pandemie bisherige Strukturen außer Kraft. Das bietet auch die Möglichkeit, sich selbst anders kennenzulernen und wertvolle Erfahrungen zu machen.“ Dobat ist inzwischen Expertin darin, Verordnungen zu lesen und gut verständlich an die Anruferinnen und Anrufer weiterzugeben. „Wir arbeiten sehr gut mit der Infektiologie zusammen, fühlen uns gut aufgehoben im eignen Haus“, sagt sie. 

„Niemand, der das nicht selbst miterlebt hat, kann sich vorstellen, was die Mitarbeiter der  Gesundheitsämter in den vergangenen zweieinhalb Jahren geleistet haben“, sagt Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamts Frankfurt. „Die Belastung war enorm hoch, die Arbeitstage extrem lang. Und dennoch mangelte es bei uns im Amt nie an Teamgeist. Egal wie sehr die Pandemie gerade wütete, ganz gleich wie oft eine neue Verordnung umgesetzt und den Menschen am Telefon oder per E-Mail erklärt werden musste – immer haben die Kollegen einen guten Job gemacht. All jenen, die dieses Pensum gestemmt haben, gilt mein großer Dank!“

Es war, wie Waterstraat es eingangs bezeichnet, eine „krasse Zeit“. Aber auch eine, in der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Frankfurt zusammengewachsen sind. „Es ist wirklich beeindruckend, wie die Kollegen aus den verschiedenen Abteilungen zusammengearbeitet haben“, sagt er. (ffm)