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Erbarme – die Erna kommt!

Sommerliche Premiere eines weihnachtlichen Kultstücks

Und das mitten im Sommer. Der Weihnachtsklassiker „Erna, der Baum nadelt“? kommt am Wochenende, am 16. und 17. Juni, bei den Rüsselsheimer Filmtagen erstmals öffentlich auf die ganz große Leinwand. Auch wenn viele meinen, den hätten sie schon mehrfach gesehen – ähnlich wie „Dinner for one“. So tief hat sich das skurrile Stück in das Bewusstsein der Konsumenten eingegraben. Doch das ist eine Selbsttäuschung.
Setfoto mit Pit Knorr (mitte).
Setfoto mit Pit Knorr (mitte).
Foto: Wolfgang Minich
Regisseurin Dr. Ina Knobloch als Prof. Dülmen
Regisseurin Dr. Ina Knobloch als Prof. Dülmen
Foto: Wolfgang Minich
Peter Steitz als Nachbar Fenner
Peter Steitz als Nachbar Fenner
Foto: Wolfgang Minich
Uwe Klörs als Reporter Häusler
Uwe Klörs als Reporter Häusler
Foto: Wolfgang Minich

Der Baum nadelte zwar erstmals vor bereits 50 Jahren, wurde aber „nur“ im hr-Radio und einige Jahre später in Buchform verewigt. Verfilmt wurde er erst jetzt, und zwar von der Regisseurin und Filmpreisträgerin („Die Akte Oppenheimer“) Dr. Ina Knobloch. An diesem Wochenende bekommt „Erna“ die große Bühne, die ihr zusteht, und das Publikum darf den Preis für einen der zwölf für das Festival auserwählten Kurzfilme selbst bestimmen, worauf das „Erna“-Team natürlich hofft. Karten gibt es im Vorverkauf direkt beim Veranstalter unter https://satirische-kurzfilme.de/de_DE/tickets

Die Regisseurin und einige weitere Mitstreiter aus dem Erna-Team werden an beiden Tagen vor Ort sein, und am Samstag wird sich die Regisseurin den Fragen des Moderators Philipp Engel (hr1) stellen. Das ganze Team freut sich auf ein hoffentlich lauthals lachendes Publik bei der sommerlichen Premiere des weihnachtlichen Kultstücks. Das dann vielleicht – ähnlich wie Dinner for one – tatsächlich jedes Jahr – same procedure as every year „Miss Erna“ – an Weihnachten laufen wird. Der Hessische Rundfunk hat auch schon Interesse angemeldet.

Die Geschichte um den Menschenauflauf – sogar ein Angela Merkel-Double als Schwiegermutter aus dem Osten ist dabei – in der Wohnung von Schorsch und Erna wegen eines vermeintlichen Naturphänomens ist ein in viele Sprachen und Dialekte, einschließlich schwäbisch, bayerisch und sächsisch übersetztes Stück des legendären Frankfurter Satiretrios Robert Gernhardt, Pit Knorr und Bernd Eilert. Otto hat das Stück auf ostfriesisch eingelesen, Harry Rowohlt auf Plattdeutsch und Herbert Feuerstein auf Salzburgisch.

Ina Knobloch, Regisseurin, Drehbuch und Romanautorin sowie mehrfach ausgezeichnete Filmautorin, hat diesen Klassiker nunmehr (mit Unterstützung der Hessischen Filmförderung/Hessenfilm) endlich, muss man sagen, filmisch umgesetzt, und zwar mit dem kongenialen Michael Quast als Schorsch im Trainingsanzug, Sabine Fischmann mit Lockenwicklern und Anke Sevenich als Erna in Kittelschürze und mit Kunstperlenkette in den Hauptrollen und zur Musik von Ali Neander.

Ina Knobloch selbst, die erst gar nicht glauben konnte, dass dieser Sketch bislang noch nicht verfilmt worden ist, schlüpfte in die Rolle des Nadelexperten Professor Dülmen, der in unseren queeren Zeiten, in denen man sich sein Geschlecht aussuchen darf, jetzt halt mal eine Frau ist. Als promovierte Biologin war ihr die Rolle des Tannenbaum-Experten Dülmen natürlich besonders lieb. So konnte sie dabei alle möglichen botanischen Witze einbauen.

In der Tat ist der Film zum Nadeln, äh Schießen komisch, wie auch die zahlreichen Lacher, aufmerksamen Gesichter und Beifallsbezeugungen des sichtlich hingerissenen Publikums bei einer internen Vorpremiere in der Evangelischen Akademie in Frankfurt zeigten. Viele versteckte, aber doch auffindbare Gags lockern das Ganze weiter auf. Oberwitzig beispielsweise sind die Sprechlaute der jeweiligen Telefonpartner am anderen Ende der alten Wählscheibentelefonanlagen, die allein schon einen Minisketch abgeben. Und dass der Christbaum blau-gelbe Kugeln hat, ist auch kein Zufall. Mit den komischen Interpretationen und vielen Anspielungen im Detail kommt man beim Schauen kaum hinterher.

Und darum geht es

Weihnachten bei Familie Breitlinger. Hausherr Schorsch (Georg, gespielt von Michael Quast) bemerkt, dass der Weihnachtsbaum nadelt und ruft aufgeregt seine Frau Erna („Erna, der Baum nadelt!!!“) gespielt von Anke Sevenich). Der nadelnde Baum wird daraufhin von Gattin Erna bestaunt und auch die Kinder eilen herbei (Ei gugg). Die patente Erna geht sofort ins Treppenhaus und klingelt bei Nachbarin Schmidt (Sabine Fischmann), um ihr und ihrer Familie das Desaster zu zeigen.

Auf das Entsetzen folgt die Erleuchtung: Ein Weihnachtswunder!Das Staunen ist auch bei den Schmidts groß und Erna hat noch weitere Eingebungen: Sie ruft den botanischen Notdienst an und die Presse. Alle eilen herbei, auch weitere Nachbarn, denen das Wunder zu Ohren gekommen ist, pilgern zur heiligen Stätte der Breitlingers. Und gerade als Frau Prof. Dülmen (die gleich mit einer ganzen Horde Studenten angerückt ist) das Wunder wissenschaftlich dokumentieren möchte, hört der Baum auf zu nadeln.