`Die verkehrte Braut` / Jubiläumspremiere im Palmengarten am 20. Juli
Dramma Giososo von Gioachino Rossini
„Eine gänzlich niederträchtige, plebejische Skurrilität“. Eine verbotene Oper des großen Rossini als Frankfurter Erstaufführung durch die Kammeroper Frankfurt im Palmengarten.
Der grade mal 19jährige und zukünftige und ewige Maestro aller denk-und hörbaren opera buffa-Klassen, aber damals noch eher unbekannte Giacomo Rossini erhielt 1811 den Auftrag für eine neue Oper. „50 Piaster“ sollten dabei für ihn herausspringen, ein überschaubarer Betrag, und das Sujet war politisch höchst unkorrekt. Ein neugeadelter Bauer will seine Tochter Ernestina, an den reichen, aber geistig bescheidenen jungen Stutzer Buralichio verheiraten. Doch Ernestina ist trotz einfacher Herkunft ein philosophierender weiblicher Bücherwurm: sie fühlt eine „innere Leere“ in sich, liebt aber im Zweifelsfall und vor die Wahl gestellt eher den armen Hauslehrer Ermano als Buralichio. Um ihren vom Vater anvisierten Ehemann abzuschrecken, wird das Gerücht gestreut, Ernestina sei in Wirklichkeit gar keine Frau. Sie sei ein Kastrat, der sich nur als Frau verkleidet habe, um dem Militärdienst zu entgehen. Eine fatale List: der düpierte Möchtegernbräutigam Buralicchio lässt Ernestina als vermeintlichen Kastraten und Wehrflüchtigen verhaften. Aber Ermano als Soldat verkleidet, befreit sie wieder, die Flüchtende stimmt mit Soldaten, um nicht entdeckt zu werden, sogar ein kriegerisches Lied an. Am Ende werden die wahren Fronten, das Geschlecht und Sache scheinbar klargestellt und das Happy End lässt nicht lange auf sich warten.
Zu diesem respektlosen und ziemlich anzüglichem Libretto, das mit lässiger Geste und obszönen Wortspielen Geschlechterrollen, soziale Borniertheiten und allerlei pathetischen Libretti seiner Zeit durcheinanderschüttelt und zur Explosion bringt, schrieb der kecke, junge Rossini kurz nach 1800 eine schier unwiderstehlich Musik, randvoll von Buffoneskem und bestem Belcanto – eben zum fast ersten Mal: eine Musik wie von Rossini!
Aber nach drei Aufführungen war Schluss. Nachdem schon vor der Premiere die Direzzioni degli spectaculli, die Kontrollinstanz der Theater wegen der „Ruchlosigkeit des Librettos“ zahlreiche Änderungen und die „Entfernung anstößiger Wörter“ verlangt hatte, verbot der Polizeiminister von Mailand nach drei Aufführungen die Oper „für ganz Italien“ und ließ alle gedruckten Exemplare des Librettos einstampfen wegen Obszönität, Beleidigung der vermögenden Klassen, der ruhmreichen Armee und nicht zuletzt der bedauernswerten Kastraten. Oder wie kurz darauf von einem staatlichen Inspektor zähneknirschend formuliert wurde, wegen der „gänzlich niederträchtigen, plebejischen Skurillität“ der Oper.
Wen die Zusammenstellung von Kaserne und Kastration verwundert: Zu der Zeit war die übliche Kastration schöner Knabenstimmen als Relikt alter Zeiten per Todesstrafe verboten. Kastraten büßten ihren barocken Ruhm ein und fristeten ein ärmliches Leben, ein Schicksal, das vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben sollte und von dem Rossini selbst ein Lied zu singen wusste. Sein Onkel hatte in Kinderjahren die Kastration Rossinis der Mutter aufgrund seiner Singstimme empfohlen. Aber Rossinis Mutter lehnte damals dankend ab. Der unverschnittene Rossini verschnitt nach dem Verbot der Oper wie so oft ungerührt Teile der Musik für Cuvees seiner neuen Opern. Die „Die verkehrte Braut“ Rossinis aber wurde in der Schublade der Zensur verschüttet für immer-wenn auch nicht ganz. Denn 140 Jahre später, 1965 erblickte die Oper in Siena in einer Bearbeitung wieder das Licht der Bühne. In Deutschland gab es seitdem ganze drei spärliche, allerdings umjubelte Aufführungen: in Bad Wildbad, Hamburg und Berlin (letztere konzertant).Eigentlich erstaunlich angesichts der wunderbaren Musik.... Aber vielleicht versteht man die Modernität und subversive Komik der Oper erst heute angesichts verwirrter und verwirrender Gendergrenzen, Geldgrenzen und Grenzen des Anstands und des guten Geschmacks.
Und wer könnte besser geeignet sein als die Grenzgängerisch erfahrene Frankfurter Kammeroper, um diese Rossinische Perle der Unkorrektheit zu vollem Glanz aufzupolieren, um sie neu musikalisch und szenisch erstrahlen zu lassen und dann beseeligt durch den Palmengarten zu rollen? Niemand.
Premiere ist am 20. Juli. Weitere Aufführungen: 24., 26., 27., 31. Juli, 2., 3., 7., 9., 10., 14., 16. und 17. August, jeweils ab 19.30 Uhr.
Karten über FrankfurtTicket (069)1340400 und an der Abendkasse