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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Die Vergangenheit vergeht nicht

MdB Prof. Dr. Matthias Zimmer hat einen Roman geschrieben

von Norbert Dörholt

(31.05.2021)  Der mehrfach direkt gewählte Frankfurter Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Matthias Zimmer ist schon ein erstaunlicher Mensch. Nicht nur als erfolgreicher Politiker und Hochschullehrer hat er sich einen Namen gemacht, sondern auch als Autor zahlreicher Bücher. Und jetzt hat er zum ersten Mal nicht ein Sach- oder Lehrbuch, sondern einen Roman geschrieben. Er trägt den neugierig machenden Titel „Morandus“ und ist im Frankfurter Verlag Edition Faust erschienen.

Cover
Foto: Edition Faust Frankfurt am Main
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Kurz zusammengefasst geht es dabei um Folgendes: In der Nachkriegszeit nach Kanada ausgewandert, stieg Ernst Funk zum erfolgreichen Bauunternehmer auf. Privat traf er mit seiner Frau und den beiden Söhnen ebenfalls ins Schwarze. Seine Vergangenheit hat er daher längst zum abgeschlossenen Kapitel erklärt. Welche Bedeutung sollten die Jugendjahre und die Erlebnisse im Krieg für seine Gegenwart noch besitzen?

Als sein langjähriger Freund Landau eine wissenschaftliche Studie über deutsche Emigranten startet, beantwortet Funk entsprechend abgeklärt dessen Fragen. Dass verdrängte Gefühle hierbei die Oberhand gewinnen könnten, kommt ihm nicht in den Sinn. Nach anfänglichem Sträuben stellt er sich schließlich aber doch den Begebnissen einer Zeit, die ihm die Liebe seines Lebens und das größte Grauen zugleich bescherte.

Durch die Gespräche mit Landau wird für ihn das Gestern auf schmerzliche Weise wieder zum Heute. „Die Vergangenheit vergeht nicht. Sie bleibt des Menschen Wegbegleiter, manchmal auch sein Fluch“, wird Funk irgendwann resümieren. So reist er als über 60-Jähriger erstmals an die Orte eines Geschehens, das seit mehr als vierzig Jahren auf ihm lastet. So kommt etwas ans Licht, was längst der Vergessenheit anheimgefallen war, und der so gut befestigte Stein löst sich aus der Mauer und bringt etwas in Rollen.

Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, sonst fehlt die Spannung beim Lesen. Und lesen sollte man dieses Buch schon, denn es ist ebenso spannend wie anrührend, auf jeden Fall aber kurzweilig. Am Anfang plätschert die Handlung harmlos dahin, man wird mit allerlei Lebensweisheiten konfrontiert, schön sind auch die Passagen über die real und liebenswert geschilderte Geographie Kanadas – man merkt, dass der Autor lange Jahre im kanadischen Edmonton gelebt und gearbeitet hat –, und dann nimmt die Handlung zunehmend Fahrt auf.

Das zusätzlich Interessante an dem Stoff ist seine latente Aktualität. Irgendwie hat jeder Leser, gleich welchen Alters, einen Bezug zu jenen unseligen zum Glück nur zwölf von geplanten tausend Jahren, vor dessen historischem Hintergrund der Protagonist der Erzählung lebt und leidet. Denn jeder Leser kennt diese Zeit teilweise entweder noch aus eigenem Erleben, von seinen Großeltern oder Eltern her oder direkt live im heutigen Alltag mit seinen beschämenden und nicht mehr für möglich gehaltenen antisemtischen Ausfällen. In diesem mentalen Dunstkreis bewegt sich die Handlung, die immer stärker das Herz berührt und weicheren Gemütern auch schon mal die Tränen in die Augen treibt.

Das Schicksal des Protagonisten Ernst Funk entlarvt aber auch sehr tiefgehend die Verbohrtheit, ja den Wahnsinn jener absurden Ideologie, die in nur einem Dutzend Jahren so viel Unglück über die Menschen gebracht hat und unbegreiflicherweise leider bis heute in manchen Köpfen immer noch herumspukt. Matthias Zimmer greift aber nicht zur Keule oder gar zum Dampfhammer, um dies deutlich zu machen. Nein, feinfühlig – beinahe hätte der Rezensent jetzt geschrieben „wie eine Frau“ – jedenfalls einem kampf- und streiterprobten Politiker so nicht zutrauend, beschreibt der Autor einfühlsam die Lebenssituation dieses einen Menschen, aber immer reflektiert auf die Verstrickungen vieler anderer, die in den unseligen Zeiten des Dritten Reiches Schuld auf sich geladen haben. Aber, wie gesagt, ohne moralisch erhobenem Zeigefinger oder überheblichem Gutmenschentum.

Und eben das macht das Buch lesenswert: Man liest anhand eines menschlichen Schicksals über Ereignisse, echte, ähnlilche und erfundene, erkennt nicht immer angenehme Zusammenhänge, fühlt sich aber nie belehrt oder gegängelt. Das muss man erst mal hinkriegen. Und noch eines schimmert auch in diesem Werk von Matthias Zimmer, immer wieder Halt und Trost gebend, durch: seine christliche Gesinnung, die wie auch in seinen anderen Büchern die Richtline moralisch aufrichtigen Handelns vorgibt, die einem die innere Festigkeit gibt, das viele Unbill im Leben richtig einschätzen und hoffentlich bestehen zu können.

Und damit diese Rezension jetzt nicht melancholisch endet noch eine humorige Anmerkung. Trotz aller Sprachgewandtheit und feinem Stil rutscht dem Politiker auch einmal ein wenig Gesetzgeberischesbundestagsbeamtendeutsch durch, etwas wenn er an einer Stelle tatsächlich das Verb „verunmöglichen“ verwendet. Aber vielleicht war das auch Absicht.

Über den Autor:

Matthias Zimmer ist gebürtiger Marburger und an der Mittelmosel aufgewachsen. Nach beruflichen Stationen in Bonn und dem kanadischen Edmonton lebt und arbeitet er seit mehr als 20 Jahren in Frankfurt am Main, unterrichtet an der Universität zu Köln und ist seit 2009 Mitglied im Deutschen Bundestag. »Morandus« ist sein erstes erzählerisches Werk. Es ist aus der Vermutung entstanden, dass man manche Dinge erzählen muss, weil sie für eine wissenschaftliche Arbeit zu kompliziert sind. Schließlich sind wir alle in Geschichten verstrickt.

www.editionfaust.de

Edition Faust Frankfurt 2021
Matthias Zimmer - Morandus
Roman, 240 Seiten
ISBN 9783945400890
Preis: 24,00 Euro
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