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Letzte Aktualisierung: 11.10.2024

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Die Schattenseite moderner Krebstherapien

DGE weist auf vermehrte Nebenwirkungen hin

von Juliane Pfeiffer

(30.09.2024) Etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit an Krebs erkrankt. Bis 2030 wird ein Anstieg der Neuerkrankungen um etwa 23 Prozent erwartet. Moderne Krebsbehandlungen wie Immuntherapien und zielgerichtete Therapien sind ein wichtiger Fortschritt in der Behandlung von Tumoren und können bei einigen Krebsarten die Überlebenschancen von Betroffenen erheblich verbessern. Die Kehrseite allerdings: Sie können auch teils schwere Nebenwirkungen auslösen.

Gerade endokrine Störungen treten häufig auf, in seltenen Fällen sind sie irreversibel und lebensbedrohlich. Mit der zunehmenden Anwendung moderner Krebstherapien brauche es mehr Bewusstsein für das Auftreten und die Früherkennung ernsthafter Nebenwirkungen, und eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Fachärzten. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) anlässlich der Hormonwoche hin.

Bei der Immuntherapie kommt eine bestimmte Klasse von Antikörpern zum Einsatz, die sog. Checkpoint-Inhibitoren. Aktuell werden sie unter anderem bei der Behandlung des nichtkleinzelligen Bronchial-, Nierenzell- und Blasenkarzinoms oder Hodgkin-Lymphoms verwendet. Sie aktivieren das körpereigene Immunsystem, damit es die Tumorzellen besser bekämpfen kann. Doch dieser Mechanismus birgt Risiken: Das hochgefahrene Immunsystem kann sich gegen den eigenen Körper richten – autoimmune Nebenwirkungen sind die Folge.

Autoimmune Nebenwirkungen sind häufig

„Aktuelle Auswertungen zeigen, dass 86 bis 96 Prozent der Patienten, die eine Immuntherapie zur Krebsbehandlung erhalten, autoimmune Nebenwirkungen von unterschiedlichem Schweregrad entwickeln“, so Privatdozentin Dr. med. Dr. jur. Birgit Harbeck, Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und Mediensprecherin der DGE.

Besonders häufig treten Immunreaktionen an Haut und im gastrointestinalen Bereich auf. Zu den endokrinen unerwünschten Ereignissen gehören unter anderem das Neuauftreten einer Schilddrüsenentzündungen (bis zu 20 Prozent), die Entzündung der Hirnanhangdrüse (bis zu 17 Prozent) und selten ein neu auftretender Diabetes Typ 1 (ein bis zwei Prozent). Diese Komplikationen können das Leben der Patienten erheblich beeinträchtigen und in seltenen Fällen sogar irreversible und lebensbedrohliche Folgeschäden wie eine Nebenniereninsuffizenz nach sich ziehen. Das Risiko für letzteres steigt bei Kombination mehrerer Checkpoint-Inhibitoren.

Nebenwirkungen auch bei zielgerichteten Therapien

Eine weitere neuere Behandlungsoption bei Krebs sind Therapien, die sich präzise gegen bestimmte Eigenschaften von Tumorzellen richten. Hierbei kommen sogenannte Tyrokinase-Inhibitoren zum Einsatz. „Mit dem vermehrten Einsatz dieser Therapien sehen wir auch hier immer häufiger endokrinologische Nebenwirkungen – unter anderem Störungen des Glukosestoffwechsels oder Schilddrüsenunterfunktionen. Bildet sich unter der Therapie mit Tyrokinase-Hemmern ein Diabetes mellitus aus, kann er einen schweren und mitunter sogar tödlichen Verlauf nehmen“, warnt Harbeck.

Worauf sollten Patienten und Ärzte achten?

„Nebenwirkungen in Folge der Anwendung von Checkpoint- und Tyrokinase-Hemmern treten meist in den ersten Wochen oder Monaten nach Beginn der Therapie auf“, erläutert Harbeck. „Symptome wie starke Müdigkeit oder vermehrter Durst und Wasserlassen können beispielsweise Anzeichen für eine Nebenniereninsuffizienz oder einen entgleisten Diabetes mellitus sei, die unmittelbar behandelt werden sollten“.

Patienten müssten über die Symptome ernsthafter Nebenwirkungen, die bei ihrer jeweiligen Erkrankung und Therapieart auftreten könnten, sowie über die notwendige frühzeitige Abklärung gut aufgeklärt werden. Zudem sei seitens der behandelnden onkologischen Fachärzte eine engmaschige Überwachung von Patienten durch regelmäßige laborchemische Screening-Untersuchungen unerlässlich.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend

„Moderne Krebstherapien haben die Prognose vieler Krebsarten erfreulicherweise deutlich verbessert. Um die optimale Versorgung von Patienten sicherzustellen und schwere Begleiterscheinung möglichst frühzeitig in den Griff zu bekommen, ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Fachärzten, etwa der Endokrinologie, jedoch ganz essenziell“, so Harbeck.