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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild

Eröffnung heute um 19 Uhr im Museum Angewandte Kunst Frankfurt

von Karl-Heinz Stier

(27.01.2023) Das Museum widmet sich als erste Kultureinrichtung dem Privatsammler und Mäzen sowie seiner einstigen Kunstsammlung. In ihrer Geschichte spiegelt sich der Lebensweg ihres im Nationalsozialismus als Jude verfolgten Sammlers wider.

Bildergalerie
Einzelheiten der Ausstellung erläuterten in der Pressekonferenz: Direktor und Kurator Prof. Matthias K und die Kuratorin Dr. Katharina Weiler
Foto: Karl-Heinz Stier
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Plakat zur Ausstellung
Foto: Karl-Heinz Stier C: Museum Angewandte Kunst
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Im Fokus der Ausstellung stehen daher der NS-verfolgungsbedingte Verkauf der Sammlung an die Stadt Frankfurt am Main im Jahre 1938, die anschließende Übereignung ihrer kunsthandwerklichen Stücke an das Museum für Kunsthandwerk (heute Museum Angewandte Kunst) und die Rückgabe eines Großteils der Sammlung an die rechtmäßigen Erben nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die für das Museum Angewandte Kunst in der Erarbeitung und Ausführung aufwendigste Ausstellung präsentiert die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild und ihre Biographie im Spiegel der Geschichte des Museum Angewandte Kunst. Dabei stützt sie sich mit einer kritischen Betrachtung der eigenen Institutionsgeschichte auf die jüngsten Ergebnisse der Provenienzforschung am Museum. Diesbezüglich präsentiert und hinterfragt die Ausstellung Objekte der Sammlung, die sich noch heute im eigenen Bestand befinden. Zudem kommen erlesene internationale Leihgaben aus namhaften Museen und aus dem Privatbesitz hinzu: seltene Kirchenschätze, wertvolle Skulpturen und frühneuzeitliches Kunsthandwerk (Gefäße, Silberpokale, Bestecke, Majoliken, Email-Gläser, Porzellane, Miniaturen und Schnupftabakdosen), aber auch erlesene altmeisterliche Gemälde sowie Louis XV. Möbel. Die Kontextualisierung der Kunstobjekte und der Sammlungsgeschichte im Spannungsfeld von „Leerstelle“ und „Rekonstruktion“ bietet hierbei den ästhetischen Ausgangspunkt. Die Ausstellung ist für Frankfurt am Main von besonderer (kunst)historischer Relevanz und (kultur)historischer Brisanz und stellt gleichzeitig erstmals zeitgenössische globale Zusammenhänge zwischen den Exponaten und ihrer Provenienz her.

Biografie und Sammlung
Mayer Benedikt Hayum Goldschmidt wurde am 20. Juni 1843 in die jüdische Frankfurter Bankiersfamilie Goldschmidt-Kassel geboren. Durch die Heirat mit Minna Caroline (Minka) von Rothschild (1857–1903) wurde er 1878 ein Teil jener jüdischen Familie, die durch ihre erfolgreichen Bankgeschäfte eines der größten Vermögen ihrer Zeit erwirtschaftete. Das Paar hatte fünf Kinder. Nach dem Tod seines Schwiegervaters, Wilhelm Carl Freiherr von Rothschild (1828–1901), führte er dessen Familienzweig in Frankfurt weiter. Als sein Nachfolger wurde er 1902 zum kaiserlich und königlich österreichisch-ungarischen Generalkonsul ernannt. Durch seine herausragende Laufbahn galt er 1912 als reichster Jude in Preußen und viertreichster Preuße insgesamt. Seine gesellschaftliche Stellung bewahrte jedoch weder ihn noch seine Familie ab 1933 vor der antisemitischen Verfolgung durch die Nationalsozialisten.

1933 wurde Maximilian von Goldschmidt-Rothschild 90 Jahre alt. Im selben Jahr begannen die Nationalsozialisten auf der Grundlage antisemitischer Verordnungen systematisch mit der Entrechtung der als Juden und Jüdinnen verfolgten Bürgerinnen und Bürger. Der Nationalsozialismus erzwang damit auch das Ende des Frankfurter Kunst- und Kulturlebens, das jüdische Kunstsammelnde, Händlerinnen und Händler sowie Mäzenatinnen und Mäzene bis dahin geprägt hatten. Im Alter von 95 Jahren sah er sich gezwungen, sein Palais am 5. September 1938 für 620.000,– Reichsmark deutlich unter Wert an die Stadt Frankfurt zu verkaufen. Er bewohnte fortan nur noch wenige Räume des Palais gegen eine hohe jährliche Miete von 25.000,– Reichsmark, blieb aber zunächst Eigentümer seiner Kunstsammlung.

In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 trennte er sich schließlich in einer verzweifelten Lage drohenden Terrors durch antisemitische Übergriffe hastig von seiner Sammlung. Der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt bot ihm am Telefon als Kaufpreis die verhältnismäßig niedrige Schätzsumme an. Die Stadt Frankfurt überwies den Betrag teilweise auf ein Sperrkonto, auf das er keinen Zugriff hatte. Nachdem Museumsmitarbeiter eine Inventarliste erstellt hatten, wurde die Sammlung Goldschmidt-Rothschild auf drei Frankfurter Museen verteilt. Das Museum für Kunsthandwerk (Museum Angewandte Kunst) erhielt rund 1.350 kunsthandwerkliche Objekte, die Städtische Galerie (Städel) 71 Gemälde und das Liebieghaus 85 Kleinplastiken. Maximilian von Goldschmidt-Rothschild wohnte bis zu seinem Tod am 15. März 1940 im Alter von 96 Jahren als Mieter in der Bockenheimer Landstraße 10.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bemühten sich die Erben von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild im Zuge der Wiedergutmachung um die Rückgabe der Kunstsammlung. Die Stadt Frankfurt und die Museumsdirektoren versuchten dagegen vehement, eine Rückgabe zu verhindern. Die Parteien einigten sich schließlich am 16. Mai 1949 auf eine Vergleichsvereinbarung. Damit waren alle gegenseitigen Ansprüche hinsichtlich der Sammlung Goldschmidt-Rothschild abgegolten. Die Stadt Frankfurt restituierte den Großteil aller Objekte. Die Erben ließen diese anschließend über den Kunsthandel in New York verkaufen. Sie fanden und finden bis heute den Weg in Museen und Privatsammlungen rund um den Globus. Im Besitz des Museum Angewandte Kunst sind insgesamt 68 eindeutig identifizierte Objekte aus der Sammlung Goldschmidt-Rothschild verblieben. Über eine faire und gerechte Lösung hinsichtlich der übrigen 53 Objekte stehen die Stadt Frankfurt, das Museum Angewandte Kunst und die Erbberechtigten von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild derzeit im Dialog.

Infos zur Ausstellung, die bis 4. Juni 2023 dauert: (069)21231286 und info.angewandte-kunst@stadt-frankfurt.de.
Öffnungszeiten Di, Fr-So 10-18 Uhr, Mi 10-20 Uhr, Mo, Do geschlossen.

Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 6 Euro , Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Studierende der Uni, der Städelschule und der HFG- OF