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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Die Berliner Moderne und das Bauhaus erleben: Berlin zelebriert die Architektur

von Ilse Romahn

(04.10.2022) Während der Triennale der Moderne im Oktober 2022 stellt die Stadt die Berliner Moderne und das Bauhaus in den Vordergrund.

Berlin, in den 1920er Jahren bedeutendste Industriestadt Europas, Elektropolis und Zentrum der Architekturmoderne
Von Bauhaus über die Siedlungen der Moderne bis zur Nachkriegsmoderne im Ost- und Westteil der Stadt war Berlin Vorreiter für Neues, Außergewöhnliches, Meisterhaftes. Bedeutende Persönlichkeiten sind mit diesen Epochen verbunden: die Architekten Walter Gropius, Mies van der Rohe, Werner Düttmann, Hermann Henselmann und viele weitere.

Geprägt von innovativen Entwürfen steht die Berliner Moderne für architektonische Vielfalt. Dahinter steckte auch fast immer die Idee des genossenschaftlichen Wohnungsbaus und der sozialdemokratische Gedanke. Der durchgrünte, städtische Raum und das Spiel mit Licht, Luft und Farbe für gesundes und glückliches Wohnen in bezahlbaren Wohnungen war das Ziel und bewirkte eine Innovation. Der Einfluss auf die Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus ist bis heute spürbar.

Alle avantgardistischen Strömungen nach 1919, die sich vom Architekturstil des vorangegangenen wilhelminischen Kaiserreiches abwandten, beschreiben den Begriff der Moderne. Eine Strömung ist das Bauhaus, eine der weltweit einflussreichsten Architektur-, Kunst-, Fotografie-, Theater- und Designschulen. Neue und industriell gefertigte Baumaterialien wie Beton, Stahl und Glas kamen zum Einsatz. Weg vom rein Dekorativen und hin zu experimentellen Material, Form- und Farbspielen mit klarem Fokus auf die Funktionalität.

Die Moderne hat das Stadtbild Berlins nachhaltig geprägt. Allein sechs Siedlungen der Berliner Moderne wurden 2008 in das UNESCO-Welterbe aufgenommen. Zahlreiche andere Bauten wie das Haus Lemke, die Bundesschule Bernau und schließlich auch das Bauhaus-Archiv selbst zeugen von der bahnbrechenden Kraft dieser Ideen, die sich weltweit verbreiteten.
Details zur Berliner Moderne finden Sie auf visitBerlin.de.

Alle drei Jahre feiert Berlin ihre Architektur anlässlich der Triennale der Moderne – das überregionale Festival zur Baukultur und den Ideen der Moderne. Im Oktober 2022 findet das Festival erneut statt und bietet ein breites Spektrum von Programmangeboten.

Die engen Beziehungen der Bauhäusler zu Berlin
Berlin war bis zum Beginn der Herrschaft des Nationalsozialismus Wirkungsort, Lebensmittelpunkt und künstlerischer Nährboden vieler bedeutender Bauhäusler: Walter Gropius, in Berlin geboren und Gründungsdirektor des Bauhauses 1919 in Weimar, hatte sein Architekturbüro in Berlin. Mies van der Rohe, dritter Direktor des Bauhauses in der Berliner Zeit, kam bereits vor dem ersten Weltkrieg nach Berlin und blieb bis 1938. Beide lernten in Peter Behrens‘ Berliner Architekturbüro in den 1910er Jahren zusammen mit Le Corbusier. Behrens, der als Pionier des modernen Industriedesigns und Erfinder des Corporate Design gilt, prägte seine jungen Kollegen maßgeblich. Auch der Bauhaus Meister Johannes Itten zog 1926 nach Berlin und gründete hier seine private Kunstschule. Namhafte Künstler wie Kandinsky und das Ehepaar Moholy-Nagy wirkten in Berlin. Das gesellschaftliche und kulturelle Zentrum Deutschlands faszinierte und forderte die Protagonisten des Bauhauses. Berlin, die geradezu mythische Stadt der Moderne, diente mit ihren sozialen und politischen Gegensätzen, einem schillernden Kulturleben und mit der ihr eigenen Ambivalenz und Ruppigkeit als Inspirationsfläche für die Ideen der Bauhauskünstler. Das Bauhaus fand mit seiner Radikalität des Denkens und dem Bruch mit der Tradition in der innovativen Industriemetropole seinen idealen Sparringpartner.

In Berlin wurde aber auch das Bauhaus 1933 von den Nationalsozialisten aufgrund seiner links liberal geprägten Kulturauffassung geschlossen und zur Auflösung gezwungen. Viele Mitstreiter des Bauhauses emigrierten nach der Machtergreifung der Nazis ins Ausland und entwickelten dort die Ideen des Bauhauses weiter. Walter Gropius ging an die Harvard University, um dort Architektur zu lehren. Mies van der Rohe ließ sich mit seinem Architekturbüro in Chicago nieder und begann wieder mit seiner Lehrtätigkeit. László Moholy-Nagy gründete in den USA das New Bauhaus. Tel Aviv zählt heute die meisten vom Bauhaus inspirierten Gebäude weltweit. In der ‚Weißen Stadt‘ finden sich rund 4.000 Gebäude im Bauhaus-Stil.

Berliner Nachkriegsmoderne und Gegenwart
Aufgrund der NS-Zeit und den Folgen des zweiten Weltkriegs konnten dem Neuen Bauen verpflichtete Architekten erst wieder in den 1950er und zu Anfang der 1960er Jahre tätig werden.

Mies van der Rohe schuf mit dem Bau der 1968 fertiggestellten Neuen Nationalgalerie seinen einzigen Bau in Deutschland in der Nachkriegszeit und eine Ikone der Architektur des 20. Jahrhunderts. Walter Gropius, Eduard Ludwig (Bauhausschüler unter Mies van der Rohe) und Max Taut nahmen an der Internationalen Bauausstellung in Berlin teil (IBA 1957), die im kriegszerstörten Hansaviertel in Berlin-Tiergarten stattfand. Die Bauten im Hansaviertel versammelt alle bedeutenden Architekten der Nachkriegsmoderne: neben renommierten deutschen Architekten auch internationale Ikonen wie Le Corbusier, Alvar Aalto, Oscar Niemeyer und Arne Jacobsen.

Das nach Entwürfen von Gropius errichtete Bauhaus-Archiv wurde 1979 eröffnet und beherbergt die weltweit größte Sammlung zur Geschichte des Bauhauses mit zugehörigem Archiv. Das Gebäude wird bis 2025 saniert und durch einen Neubau von Staab Architekten ergänzt. Mit dann 2.000 Quadratmetern wird sich die Ausstellungsfläche verdreifachen. Die Dachterrasse von the bauhaus view, das neue Baustellen-Infocenter, ermöglicht eine direkte Sicht auf das Baugeschehen, ein Blick in der Vergangenheit und Zukunft des Bauhaus-Archivs mittels teleskopartigen Viewer und einen Einblick in das Bauprojekt. Der derzeitige Interimsstandort, das temporary bauhaus-archiv, befindet sich im Haus Hardenberg und bietet einen kurzen historischen Überblick über die Geschichte des Bauhauses sowie seit Januar 2022 eine digitale Installation zur größten Sammlung zum Bauhaus, bauhaus infinity archive.

Fünf moderne architektonische Highlights in Berlin / UNESCO-Welterbe „Siedlungen der Berliner Moderne“
In den 1920er-Jahren war Berlin eine der spannendsten Metropolen der Welt. Die als liberal und weltoffen geltende Stadt war ein Zentrum moderner Kunst, Kultur und prosperierender Industrie. Und sie platzte aus allen Nähten. 1920 erfolgte der Zusammenschluss zu „Groß-Berlin“, neues Bauland war vorhanden. Um die enorme Wohnungsnot zu lindern, wurden im großen Stil neue Wohnviertel errichtet. 2008 wurden sechs Anlagen zum UNESCO-Welterbe von herausragendem und universellem Wert erklärt. Ihre politische und gestalterische Umsetzung lieferte Antworten auf elementare Fragen, die sich im Zuge der Industrialisierung in vielen Metropolen Europas ähnlich stellten. Diese Fragen sind auch heute wieder hochaktuell: Wie wollen wir wohnen? Was ist wichtig im Leben? Was macht gute Architektur aus? Was kann die Politik für die Menschen tun?
https://www.visitberlin.de/de/siedlungen-der-moderne

Siemensstadt
Eine der sechs Siedlungen der Moderne ist die Großsiedlung Siemensstadt, die sich in den heutigen Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf und Spandau befindet und vor allem den Arbeitern der benachbarten Siemenswerke neuen Wohnraum bot. An ihr wirkten zwischen 1929 und 1931 Walter Gropius, Otto Bartning, Fred Forbát, Hugo Häring und Rudolf Henning mit Gebäuden unterschiedlicher Formensprache. Sie schufen ein vielgestaltiges Ensemble, das die ganze Bandbreite des ‚Neuen Bauens’ sichtbar macht. Hierzu zählen die Auflösung des rigiden städtischen Zeilenbaus, die Einbeziehung der Natur sowie die Schaffung von Grünanlagen. Die hier präsentierte architektonische Vielfalt der Klassischen Moderne ist einzigartig. Die Großsiedlung Siemensstadt wurde unter der Leitung des Stadtbaurats Martin Wagner und dem städtebaulichen Konzept Hans Scharouns als sozialer Gegenentwurf zu den Berliner Mietskasernen geplant und diente ausschließlich der Erholung und der Lebensqualität der Arbeiter. Hans Scharouns Bau in der Siedlung wird aufgrund seines schiffsähnlichen Aussehens „Panzerkreuzer“ genannt. Viele Freiräume und Grünflächen laden auch hier zu einem Spaziergang durch die architektonischen Denkmäler der Klassischen Moderne ein. Da Teile der Siedlung im Krieg zerstört wurden, fanden in den 1950er Jahren architektonische Wiederrichtungen und Erweiterungen durch Scharoun und Hans Hoffmann statt.
Großsiedlung Siemensstadt | visitBerlin.de

Haus Lemke
Anfang der 30er Jahre entwarf Mies van der Rohe für das Fabrikantenehepaar Lemke das gleichnamige Haus Lemke, ein eingeschossiges Wohnhaus mit schlichter Backsteinfassade. Die 1933 fertiggestellte Villa liegt im Berliner Ortsteil Alt-Hohenschönhausen. Trotz der zahlreichen Vorgaben durch den Bauherrn konnte Mies sein Konzept des fließenden Raumes umsetzen, das die Vermittlung zwischen Innen- und Außenraum anstrebt und das hierarchische Raumgefüge aufhebt. Mit der Einnahme Berlins durch die Rote Armee 1945 musste das Ehepaar sein Eigentum verlassen. Zu DDR-Zeiten fand es als Kantine und Wäscherei für Stasi-Mitarbeiter Verwendung und wurde erst nach dem Fall der Berliner Mauer zwischen 2000 und 2002 saniert. Als Ausstellungspavillon für moderne und zeitgenössische Kunst ist das Haus Lemke, heute Mies-van-der-Rohe-Haus genannt, ein kleines Juwel: Der schlichte L-förmige Bau liegt idyllisch auf einem Grundstück am Obersee und bietet für Liebhaber von Mies van der Rohe eine einzigartige Raumerfahrung. Die von Mies und Arbeitskollegin Lilly Reich entworfene Originalausstattung kann im Kunstgewerbemuseum Berlin besichtigt werden.
Haus Lemke – Mies van der Rohe Haus | visitBerlin.de

Baudenkmal Malzfabrik – ein Stück Berliner Industriegeschichte
Im Vergleich der Großstädte Europas kommt Berlin die Rolle als Metropole der Moderne des 20. Jahrhunderts zu. Wer dies verstehen will, muss bei der Industrialisierung beginnen, als Firmen wie Siemens, AEG, Osram oder Borsig Industriegeschichte schrieben und vor den Toren der einstigen „Elektropolis Berlin“ zahlreiche Industrie- und Werksanlagen, Kraftwerke und Infrastrukturbauten entstanden. Ein frühes Beispiel ist die Malzfabrik. Ihre Geschichte geht zurück ins Jahr 1853: Mit der Übernahme einer kleinen Brauerei im Berliner Zentrum schafft der Kaufmann Jobst Schultheiß die Grundlage für die bis heute in Berlin erfolgreiche und populäre Biermarke. Im Zuge des Geschäftsausbaus und angesichts von kriegsbedingten Versorgungsengpässen entschließt sich Schultheiß, rasch auch in die Malzproduktion groß einzusteigen. 1914 bis 1917 lässt er an der Schnittstelle der heutigen Stadtteile Schöneberg und Tempelhof die damals größte Malzfabrik Europas errichten. Es entsteht eine imposante Backsteinarchitektur, die mit ihren hochaufragenden vier Dunstschloten noch heute das Areal nach Süden hin rahmt und dominiert. Heute ist die Malzfabrik ein lebendiger Kunst- und Start-up-Standort mit gut erhaltener Denkmalsubstanz. https://www.visitBerlin.de/de/malzfabrik-berlin

Bundesschule Bernau
Etwas außerhalb nordöstlich der Stadtgrenze von Berlin liegt Bernau mit dem 2017 als UNESCO-Welterbe ausgezeichneten Bauhausdenkmal Bundesschule Bernau. Der Bau wurde vom damaligen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund 1930 bezogen und diente als erste zentrale gewerkschaftliche Bildungsstätte. Bis zu seiner Schließung durch die Nationalsozialisten besuchten dort über 4.000 Gewerkschaftsmitglieder Lehrgänge mit berufs- und wirtschafts- sowie gesellschaftspolitisch relevanten Inhalten. Den Bauauftrag erhielt Hannes Meyer, der zur Planungszeit des Ensembles die Position des Direktors des Bauhauses Dessau innehatte. Gemeinsam mit Hans Wittwer, dem damaligen Meister der Bauabteilung am Bauhaus und Leiter des Baubüros, realisierte er mit der Bundesschule Bernau ein Musterbeispiel für eine gegliederte bauliche Anlage, die auf einzigartige Weise in die sie umgebende Landschaft integriert ist. Heute ist das Ensemble originalgetreu restauriert. Bundesschule des ADGB | visitBerlin.de

Eine Vielzahl an Events begleiten die Triennale der Moderne im Oktober 2022
Die „Triennale der Moderne“ ist ein überregionales Festival zu der Baukultur und den Ideen der Moderne. Ausgehend von den UNESCO-Welterbestätten der Moderne in Weimar, Dessau und Berlin wird im Dreijahresrhythmus das kulturelle, architektonische und ideengeschichtliche Erbe dieser Epoche und ihre heutige Aktualität präsentiert. Dies geschieht durch ein breites Spektrum von Programmangeboten. 

 
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