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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024

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Deutschland 2020. Ein Wintermärchen

Premierenvorstellungen am 20. und 27. September, 16.00 Uhr

von Ilse Romahn

(11.09.2020) Eine Heine-Skizze von Regina Wenig mit dokumentarischen Texten von Seda Ardal, Tamara Ikharev, Jonatan Avadov u.a.

gfIm traurigen Monat November war’s…« als Heinrich Heine zu einer letzten Reise von Frankreich nach Deutschland aufbrach. Station für Station auf dem Weg zu seiner Mutter zeichnet er ein messerscharfes Bild seiner Heimat. Heine – in Deutschland wegen seiner jüdischen Herkunft angefeindet – beschreibt das Land, das ihm nach Jahren des Exils in Frankreich so fremd wie nah ist, aus der Perspektive seines eigenen Zwiespalts: als reaktionäres Land, geprägt von Militarismus und Nationalismus mit einer Sprache, wie sie nicht schöner sein könnte (wenn man sie so zum Klingen bringt wie Heine). Heines Motive sind Heimat, Staat, Religion, Ausgrenzung und Identität – es sind Fragen, die noch immer unsere Diskurse bestimmen und auch heute so explosiv sind, wie sie es für den politischen Autor Heine 1843 waren.

Die Regisseurin Regina Wenig unternimmt auf Basis von Heines Versepos eine theatrale Reise durch das Deutschland unserer Zeit und spiegelt mit dokumentarischem Textmaterial die heutige Wirklichkeit an Heines poetischen Bildern. Für das Stück hat mit Menschen unterschiedlicher Generation und Herkunft gesprochen und diese Texte in ihr Stück integriert. Das Thema der Grenze, das für Heine, der von Deutschland aus ins französische Exil flüchtete, eine persönliche aber auch übergeordnete Rolle spielte, führt der Text eng mit Interviewpassagen eines Anwalts für Asylrecht, der über die Ankunft seiner Mandanten berichtet: Geflüchtete, die in Frankfurt ankommen. Das Stück reist durch die Zeit und bewegt sich dabei in Wellenbewegungen vor und zurück. So gelangt es zum Zweiten Weltkrieg. Hier spricht ein Zeitzeuge, über die brutalen letzten Tage des Kriegsendes vor 75 Jahren. Das Schwerpunktthema des Schauspiels - „Rassismus und Antisemitismus" - ist in dieser Stückentwicklung vielfach abzulesen. Erschreckend konkret werden die Ereignisse von Hanau 2020 im Bericht von Seda Ardal. Die gebürtige Hanauerin hat nach den Anschlägen die Initiative „19. Februar" gegen das Vergessen mitbegründet hat.

Das Regieteam hat sie in der Begegnungsstätte in Hanau getroffen und mit ihr über das Attentat und die Folgen gesprochen. Tamara Ikharev und Jonatan Avadov, aktive Mitglieder des Jugendzentrums AMICHAI der jüdischen Gemeinde, werfen mit ihren Statements Schlaglichter auf das Leben jüdischer Jugendlicher hier und heute in Frankfurt.

Regina Wenigs Stück webt ein Geflecht unterschiedlicher Zeiten und Stimmen so ineinander, dass Reibungen, Widersprüche und Überraschungen entstehen und reflektiert gleichzeitig, wie sehr Rassismus und Antisemitismus damals wie heute in unserer Gesellschaft präsent sind – und wie wichtig es ist, dies nicht zu verschweigen, sondern sichtbar zu machen.

Unter der Regie von Regina Wenig spielen Vanessa Bärtsch und Nora Solcher (Mitglieder des Studiojahr Schauspiel).

Nächste Vorstellung: 13. Oktober, 20.00 Uhr.

www.schauspielfrankfurt.de