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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Der schnellste Postbote der Welt

Von Straßburg nach Korsika in wenigen Minuten / Abstecher nach Schönbrunn inklusive

von Stefan Heß

(10.05.2021) Wofür andere Stunden mit dem Flieger brauchen, benötigt er nur wenige Minuten mit seinem gelben Transporter. Die Strecke von Straßburg nach Korsika hat er voll im Griff und fährt sie jeden Tag. Hin und zurück in einer knappen halben Stunde?

das „Etappenziel“ Korsika ist erreicht: Michael Pliska beim Zwischenstopp am Abzweig nach Korsika.
Foto: Deutsche Post DHL Group
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Das schafft nur einer: „Für mich überhaupt kein Problem. Die Strecke kenne ich aus dem Effeff. Und weil das so ist, kann ich mir sogar noch einen täglichen Abstecher nach Schönbrunn erlauben“, lacht Michael Pliska. In nur 30 Minuten von Straßburg über Korsika nach Schönbrunn: diese Leistung ist weltweit einzigartig. Und deshalb ist der 58-jährige Wald-Michelbacher der schnellste Postbote der Welt.

Sogar vollbeladen schafft er den Rekord
Seine täglichen „Rekordfahrten“ absolviert er locker und sogar mit voll beladenem Sprinter. Bis zum Start steht aber auch für den schnellsten Mann mit Posthorn morgens erst einmal das tägliche Pflichtprogramm jedes Zustellers und jeder Zustellerin auf der Agenda: Tour vorbereiten. „Mein Arbeitstag beginnt morgens entweder um 7.30 oder 9.00 Uhr mit der Verteilung der eingehenden Sendungen“, berichtet Michael Pliska, der bereits seit 30 Jahren für die Deutsche Post arbeitet. „Zuerst die ‚Kurzen’, danach das ‚Langholz’“, erklärt er und nimmt zunächst die kleinformatigen und dann die größeren Briefsendungen aus seinem Fach mit der Nummer 01. Zusätzlich noch jede Menge Zeitungen, Päckchen und Pakete, denn der gebürtige Ruhrpottler ist als sogenannter „Verbundzusteller“ im Einsatz und bringt seinen Kunden sowohl Brief- als auch Paketsendungen. Die Fachnummer passt irgendwie, klingt schwer nach „Pole Position“ und ist angesichts dieser Geschichte nicht wirklich eine Überraschung.

Erfahrung & Gangfolge
Zurück an seinem Platz im Zustellersaal in der Wald-Michelbacher Poststraße „steckt er seine Tour“. Das heißt, er bringt die Sendungen genau in die Reihenfolge, nach der er dann seine Tour fährt. „Ich fahre meinen Bezirk jeden Tag exakt in der gleichen Reihenfolge ab, das ist nämlich der kürzeste Weg. ‚Gangfolge‘ heißt das bei uns im Postjargon. So können sich meine Kunden darauf einstellen, wann ich ungefähr bei Ihnen bin“, erklärt der vierfache Vater. Der schnellste Weg führt in seinem Fall über die Hauptstraße, den Finkenbacher Weg, den alten Finkenbacher Weg, den Neuen Weg, die Kirchstraße, den Alten Weg und Ludwigsdorf, bis es dann über die Hauptstraße wieder retour geht. Ziemlich viele Straßen und Wege, die Michael Pliska, seit 16 Jahren Stammzusteller dieser Tour, allesamt bestens kennt. Vielleicht ist es ja die Erfahrung, die ihn so schnell macht? Oder die Gangfolge? Oder beides?

Fahren unter erschwerten Bedingungen
Zurzeit fährt er seine „Rekord-Strecke“ aber unter erschwerten Bedingungen. „Normalerweise ist das für mich jeden Tag ein bisschen wie Urlaub. Gerade die Auffahrt hinauf nach Schönbrunn, das mitten im Wald liegt, ist wunderschön“, schwärmt Pliska, der in seinem „früheren Leben“ auch schon mal einige Semester BWL an den Universitäten Mannheim und Münster studiert hat. Allerdings ist die Freude durch Corona momentan etwas getrübt: „Durch die Pandemie macht das zur Zeit weniger Spaß als sonst. Ich bin besonders vorsichtig, um mich und meine Kunden zu schützen. Das ist bisweilen ganz schön anstrengend.“  Aber für „seine Kunden“ nimmt er das gerne in Kauf: „Ich kenne hier alle, bin mit fast jedem per Du und möchte natürlich, dass alle gesund bleiben“, sagt Michael Pliska, der in seiner Freizeit gerne Gitarre spielt und sich auf die Restauration antiker Möbel spezialisiert hat. „So ein Schrank kann schon mal 20 bis 30 Stunden dauern bis er fertig ist, je nachdem“, schätzt er. 20 bis 30 Stunden? Das könnte auch die Fahrzeit per Bummelzug vom Elsass bis Korsika sein. Michael Pliska schafft die Strecke „Straßburg – Korsika“, wie gesagt, in wenigen Minuten: jeden Tag und bei jedem Wetter! Denn er ist der schnellste Postbote der Welt.

(Auflösung:  Die Weiler Straßburg und Korsika gehören zum Ortsteil Unter-Schönmattenwag, der wiederum zur Gemeinde Wald-Michelbach im südlichen Odenwald zählt. Und bei „Schönbrunn“ handelt es sich nicht um die Wiener Top-Sehenswürdigkeit, die der Erzherzogin Maria Theresia früher als Sommerresidenz diente, sondern um einen spektakulär gelegenen Weiler im Überwald.)