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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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Der jüngste Anhänger Schopenhauers, sein Vater und sein bester Freund

Neue Studie über unbekannte Anhänger des Frankfurter Philosophen

von Ilse Romahn

(31.01.2023) Bis wenige Jahre vor seinem Tod lebte Arthur Schopenhauer, kaum beachtet, in Frankfurt am Main und hatte nur wenige Anhänger. Der philosophische Schriftsteller Axel Schlote holt in einer Studie nun drei interessante Persönlichkeiten ans Licht, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind bzw. deren Bezüge zu Schopenhauer und seiner Philosophie unterschätzt wurden.

Schlote-Buchcover
Foto: Axel Schlote/Parodos-Verlag
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Völlig unentdeckt als früher Anhänger Schopenhauers war bislang der Frankfurter Mathematiker Harald Schütz. Schlote zeigt in seinem Buch, daß Harald Schütz bereits 1857, als 16-jähriger Schüler in Bielefeld, die Ansichten Schopenhauers in einem Schulaufsatz zustimmend darstellte. Damit war er der jüngste Anhänger Schopenhauers zu dessen Lebzeiten, jünger als alle bekannten Anhänger des Philosophen. Trotz seiner philosophischen Neigung studierte Harald Schütz später Mathematik und Physik. In Schopenhauers Wahlheimat Frankfurt war er seit 1862 Hauslehrer bei dem Bankier Franz Joseph Schuster, bevor er die Lehrerlaufbahn einschlug und nach auswärtigen Zwischenstationen ab 1878 bis zu seinem Tod 1915 in Frankfurt lebte. Schütz engagierte sich als angesehener Gymnasialprofessor unter anderem für den Aufbau einer Mathematischen Bibliothek in der Frankfurter Stadtbibliothek. Der Öffentlichkeit war er bisher, wenn überhaupt, nur als Studienfreund des Optikers Ernst Abbe bekannt. Sein Sohn Ludwig Harald Schütz, das Frankfurter Sprachgenie, wurde als „Herr der Sprachen“ berühmt, weil er mehr als 300 Sprachen sprechen und größtenteils schreiben konnte. Als jüngster Anhänger Schopenhauers steht Harald Schütz jetzt auch stellvertretend für viele unbekannte Anhänger des Frankfurter Philosophen, die im Privaten wirken und durch Gespräche neue Anhänger für dessen Philosophie werben.

Nur dem Namen nach einigen Spezialisten bekannt, da er mit Schopenhauer korrespondierte, ist Haralds Vater Carl Schütz, Gymnasialprofessor in Bielefeld. Seine Verbindung zu Schopenhauer war tiefer als bisher gewürdigt, wie Schlote durch Belege und Entdeckungen nachweist. Carl Schütz begann 1849, die Werke Schopenhauers zu studieren, lange bevor dieser öffentlich anerkannt wurde. Der Frankfurter Philosoph zählte Carl Schütz ausdrücklich zu seinen wenigen Aposteln. Ihre Verbindung war von Dankbarkeit und Verehrung auf der einen, Sympathie und Anteilnahme auf der anderen Seite geprägt. Carl Schütz gehörte zu dem kleinen Kreis großer Verehrer, die zu Schopenhauers Lebzeiten seine Bedeutsamkeit erkannten, bevor dieser berühmt wurde. Darüber hinaus war Carl Schütz nicht nur Lehrer, sondern ein überregional angesehener, höchst produktiver Sanskritforscher und -übersetzer der ersten Stunde.

Schon bekannt ist das Lebenswerk des Physikers und Optik-Unternehmers Ernst Abbe – aber nicht sein Verhältnis zu Schopenhauers Philosophie. Kurz nach Schopenhauers Tod, von 1861 bis 1863, hatte auch Ernst Abbe seine erste berufliche Station in Frankfurt beim Physikalischen Verein. Ernst Abbe war der beste Freund von Harald Schütz. Schlote rekonstruiert in seiner Studie, daß Abbe durch Harald Schütz mit der Philosophie Schopenhauers vertraut wurde, was letztlich sogar indirekt zur Gründung der Carl-Zeiss-Stiftung in Jena im Jahr 1889 beigetragen haben dürfte. Ernst Abbe war auch ohne Schopenhauer außergewöhnlich, aber genau deshalb hat Schopenhauers Philosophie Eindruck auf ihn gemacht. Das prominente Lebenswerk von Ernst Abbe zeigt, daß die Philosophie des „Frankfurter Weisen“ Arthur Schopenhauer auch praktisch wohltuende Folgen haben kann, die das Leiden in der Welt zwar nicht aufheben, aber doch merklich lindern.

Axel Schlote: Der jüngste Anhänger Schopenhauers, sein Vater und sein bester Freund. Über Harald Schütz, Carl Schütz und Ernst Abbe, Parodos Verlag: Berlin 2022 – Preis: 17,90 €