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Letzte Aktualisierung: 20.03.2023

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Das Kreuz mit der Post-Covid-Erkrankung

Die schwierige Suche nach wirksamen Therapien

von Dr. Bettina Albers

(16.03.2023) Studien gehen davon aus, dass bis zu zehn Prozent aller COVID-19-Erkrankten Post-COVID-Symptome davontragen könnten. Häufig handelt es sich um neurologische Beschwerden wie Konzentrationsstörungen, Fatigue oder Schmerzen. Weder ist die Ursache geklärt, noch gibt es kausale Therapieoptionen, deren Nachweis belegt ist. Auch Aphereseverfahren (Blutwäsche) können nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) nicht außerhalb von klinischen Studien empfohlen werden. Denn letztlich handele es sich um ein invasives Verfahren, das nicht frei von Risiken ist.

Post-COVID geht oft mit neurologischen Symptomen einher – von Kopfschmerzen über Konzentrationsschwäche, auch „brain fog“ genannt, bis hin zum Fatigue-Syndrom. Die Betroffenen werden bei Neurologen vorstellig und suchen Hilfe. Ursächliche Therapien mit wissenschaftlichem Wirksamkeitsnachweis fehlen jedoch bislang.

Ein Therapieansatz, der immer wieder diskutiert wird, ist die Apheresetherapie. Es gibt zwei unterschiedliche Formen dieser Blutwäsche. Bei der Lipidapherese werden primär Blutfette entfernt, bei der Immunadsorption (Auto-)Antikörper. Beide Therapieformen werden bei Post-COVID diskutiert und praktiziert, obwohl es bislang noch keine randomisierten kontrollierten Studien zu einer der beiden Apherese-Formen gibt. Solche Studien sind aber zwingend erforderlich, um die Wirkung und Sicherheit der Therapien nachzuweisen.

Mit der Immunadsorption hat die Neurologie gute Erfahrungen. Diese Therapie kommt bei verschiedenen neuroimmunologischen Erkrankungen, z.B. Neuromyelitis optica, Myasthenia gravis oder dem Guillain-Barré-Syndrom, zur Anwendung und führt dort nachweislich zu Symptomreduktion und Verkürzung der Erkrankungsdauer, da die „krankmachenden“ Autoantikörper mit dem Verfahren aus dem Blut gefiltert werden.

„Allerdings heißt das nicht, dass diese Therapie auch bei Post-COVID hilft“, erklärt DGN-Generalsekretär und -Pressesprecher Prof. Dr. Peter Berlit, „bislang ist nicht erwiesen, ob Autoantikörper die neurologischen Post-COVID-Symptome tatsächlich auslösen.“ Andere Krankheitsursachen, die diskutiert werden, sind u.a. eine Viruspersistenz, die Aktivierung anderer Viren (z.B. EBV), ein Kortisonmangel oder eine psychische Erschöpfung. Eine Apherese könnte in diesen Fällen wenig ausrichten, womöglich sogar schaden.

Und selbst wenn Post-COVID autoantikörpervermittelt sein sollte, müssten zunächst Studien zeigen, dass die Immunadsorption hierbei wirkt und einer medikamentösen Immuntherapie überlegen ist. Für den Wirkungsnachweis sind randomisierte, kontrollierte Studien erforderlich. Um einen Placeboeffekt auszuschließen, muss dabei die Kontrollgruppe einem invasiven Scheinverfahren unterzogen werden. Solche Studien sind aufwendig, wurden nun aber an verschiedenen neurologischen Zentren gestartet. „Solange die Ergebnisse dieser Studien nicht vorliegen, können wir die Immunadsorption nicht empfehlen“, erklärt Berlit.

Der Experte betont, dass es sich schließlich um ein invasives Verfahren handelt, das nicht risikofrei ist: Die Betroffenen werden bei dem Verfahren mit Heparin behandelt, damit das Blut nicht außerhalb des Körpers gerinnt, was in Folge zu Blutungskomplikationen führen kann. Auch allergische Reaktionen sind nicht ausgeschlossen. „Selbst bei neuroimmunologischen Krankheiten, bei denen Studien einen Wirkungsnachweis erbracht haben, wägen wir Nutzen und Risiken immer sorgfältig ab. Die Immunadsorption stellt auch bei einigen dieser Indikationen nicht immer die erste Therapie der Wahl dar, sondern kommt oft erst dann zum Einsatz, wenn die Betroffenen auf andere Behandlungen nicht angesprochen haben.“

Die DGN spricht sich dafür aus, mit der gleichen Sorgfalt und Wissenschaftlichkeit bei Post-COVID-Erkrankten vorzugehen. Von Apheresebehandlungen außerhalb von klinischen Studien rät sie zum jetzigen Zeitpunkt ab. idw.-