Letzte Aktualisierung: 02.10.2024
Corona-Maßnahmen lokal entscheiden
Projekt AScore präsentiert Pandemie-Cockpit für Kommunen
von Christian Heyer
(08.12.2021) Sollten Restaurants und Diskotheken 2G-Plus fordern, oder reicht auch 3G? Wird die Ausbreitung von Corona verlangsamt, wenn in Schulen Maskenpflicht herrscht? Können die Kosten für Schnelltests an Schulen und bei öffentlichen Veranstaltungen von der Kommune getragen werden? Wem soll bereits eine Booster-Impfung angeboten werden? Mit solchen Fragestellungen werden die Entscheidungsgremien in den Kommunen seit zwei Jahren tagtäglich konfrontiert.
Sie müssen Informationen aus verschiedenen Quellen finden, auswerten und in den Kontext der aktuellen Lage einordnen, um eine informierte Entscheidung zu treffen. Das Forschungsprojekt AScore, durchgeführt von Forschenden der Außenstelle des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) an der Uni Trier, befasst sich mit der Frage: Wie kann die Wissenschaft die Kommunen dabei unterstützen, sinnvoll solche Entscheidungen zu treffen?
Am 25.11.2021 luden die Wissenschaftler um Prof. Ingo Timm zum Abschlussworkshop und präsentierten das Pandemiemanagementcockpit, welches Krisenstäben die benötigten Informationen zum Pandemieverlauf auf kommunaler Ebene darstellt. Per Livestream aus Kaiserslautern wurde Ascore im Detail der breiten Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert.
Lokale Pandemie-Simulationen auf wissenschaftlicher Basis
Über ein intuitiv bedienbares Dashboard führt AScore Daten aus verschiedenen Quellen zusammen und bietet über die angebundene Simulationssoftware die Möglichkeit, die Auswirkung von konkreten Maßnahmenentscheidungen abzuschätzen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der neu eingeführte Pandemic Pressure Score, der die bekannten Kennzahlen wie Inzidenz und Hospitalisierungsrate um nicht-medizinische Faktoren ergänzt. Damit hebt sich das System von ähnlichen Diensten und Tools ab. Zusätzlich zu Informationen über die Gesundheit der Bevölkerung und Auslastung des Gesundheitssystems werden auch wirtschaftliche und soziale Belastungen wie Insolvenzen oder Arbeitslosigkeit berücksichtigt, um die Gesamtbelastung auf die Bevölkerung nachvollziehbar zu machen.
Prof. Dr. Ingo Timm, Projektverantwortlicher und Leiter des Forschungsfeldes „Kognitive Sozialsimulation“ an der DFKI-Außenstelle Trier, erläutert den Mehrwert des Pandemic Pressure Scores: „Aus unserer wissenschaftlichen Begleitung der Stadtverwaltungen Kaiserslautern und Trier in Laufe der Pandemie wissen wir, dass eine Vielzahl von Aspekten bei der Entscheidung über Maßnahmen berücksichtigt werden müssen. Es ist essenziell, dabei den Überblick zu behalten und mögliche Nebeneffekte der Pandemiebekämpfung zu erkennen. Unsere Aufgabe ist es deshalb, entscheidungsrelevante Informationen bedarfsgerecht verfügbar zu machen und mit intelligenten Methoden zu analysieren. Mit dem Pandemic Pressure Score tragen wir dazu bei, die Entwicklung der Lage buchstäblich immer auf dem Schirm zu haben”.
Dazu werden bei AScore bewährte Techniken zur Darstellung und Analyse aus dem Smart City Living Lab des DFKI in Kaiserslautern für die Pandemiebewältigung nutzbar gemacht. „Wir können mit diesen Methoden Daten intelligent aufbereiten, zur Verfügung stellen und dabei lokale Besonderheiten bei der Pandemiebekämpfung berücksichtigen. Denn die Pandemie verläuft nicht immer und überall gleich. Deshalb verknüpfen wir in AScore das Cockpit mit einer Simulationskomponente, welche es erlaubt verschiedene Maßnahmen der Pandemiebekämpfung für die lokalen Gegebenheiten in ihren Auswirkungen zu untersuchen und abzuwägen“, ergänzt Dr. Jan Ole Berndt, der die technische Umsetzung des Projektes leitet.
Ralf Marczoch, Geschäftsführer des Projektpartners mata:solutions, ist vertraut mit Ansätzen zum datengetriebenen Krisenmanagement und sieht große Potentiale in den Ergebnissen von AScore: “Den Verlauf von Krisen und Katastrophen können wir nicht im Detail voraussagen, aber AScore zeigt uns mögliche Entwicklungen und Trends in der Pandemie auf, die uns eine Orientierung geben und so eine Basis für Entscheider schaffen.”
Das AScore-Cockpit wurde bereits mit viel Enthusiasmus beim diesjährigen Kongress des Verbandes für Sicherheitstechnik e.V. (VfS) und bei den Krisenstabsitzungen der Großregion Trier in Empfang genommen. Dr. Clemens Gause, Vorsitzender des VfS, fasst das Projekt und seine Potenziale positiv zusammen: „Die Pandemie begleitet uns nun schon seit fast zwei Jahren und es werden immer wieder Entscheidungen gefordert, die auf den aktuellsten Informationen beruhen. Dabei ist es wichtig, dass den Entscheidern richtige, gut aufbereitete und in einen logischen Zusammenhang gestellte Informationen zur Verfügung stehen. Deshalb ist AScore der gebotene Schritt für die Gefahrenabwehr der Zukunft.”
Enge Zusammenarbeit mit Kommunen
Im Sommer 2021 wurden die hinter AScore stehenden Simulationsverfahren genutzt, um die Entscheidung des Krisenstabes der Stadt Kaiserslautern über die Öffnung verschiedener Freizeiteinrichtungen zu unterstützen und simuliert, wie sich z.B. eine Öffnung der Schwimmbäder auf das Infektionsgeschehen auswirkt. In der aktuellen Krisenlage fehlt es oft an Erfahrung aus vorherigen, ähnlichen Krisen, sodass Simulationen auf Grundlage etablierter Methoden und Konzepte eine starke wissenschaftliche Grundlage für die Entscheidungstragenden sind.
Aus diesem Grund befasst sich das DFKI an der Uni Trier in den kommenden Jahren mit Folgeprojekten, die auf AScore aufbauen. Auf Basis der Kompetenzen und Erkenntnisse aus AScore werden Anwendungsbeispiele auf andere Krisensituationen ausgeweitet und alternative KI-gestützte Ansätze zum Krisenmanagement erforscht. So wird auch weiterhin eng mit den zukünftigen Nutzern kooperiert.
Auch Wolfram Leibe, Oberbürgermeister der Stadt Trier, zieht eine positive Bilanz aus der Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und dem DFKI: "AScore leistet einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung zwischen kommunaler Verwaltung und der Wissenschaft. Die Pandemie zeigt auf, wie wichtig es ist, Daten und Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen und den Beteiligten im lokalen Krisenmanagement ein ganzheitliches Bild der aktuellen Lage zu bieten. Wir hoffen, dass die gute Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und dem DFKI langfristig zu engerer Kooperation zwischen der Forschung und Verwaltung nicht nur in Trier, sondern auch außerhalb inspiriert.“ (idw)