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Letzte Aktualisierung: 11.10.2024

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Bregenzer Festspiele: Rossini, Puccini und ein Publikum unter dem Oktopus

Opernstudio-Premiere und Opernatelier-Uraufführung im August

von Adolf Albus

(09.08.2024) In den letzten zehn Tagen der diesjährigen Festspielsaison feiern zwei besondere Musiktheaterabende Premiere: Im Theater am Kornmarkt ist ab 12. August Der Ehevertrag | Gianni Schicchi zu sehen, die letzte Produktion des Opernstudios unter der Intendanz von Elisabeth Sobotka. Auf der Werkstattbühne wird am 15. August nach dreijähriger Vorbereitungszeit im Rahmen des Bregenzer Opernateliers die Oper Hold Your Breath uraufgeführt.

Zwischen Brauthandel, Erbschleichern und einem riesigen Oktopus bewegen sich die Höhepunkte der zweiten Programmhälfte der Bregenzer Festspiele: Im Theater am Kornmarkt ist ab 12. August der Doppelabend Der Ehevertrag | Gianni Schicchi zu sehen. Regie bei dieser Produktion des Bregenzer Opernstudios führt wieder die Grande Dame des deutschsprachigen Musiktheaters Brigitte Fassbaender. Die Werkstattbühne wird am 15. und 17. August zum Schauplatz für Hold Your Breath, der zweiten zeitgenössischen Uraufführung des Festspielsommers 2024. Es ist die dritte Produktion des Bregenzer Opernateliers in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Bregenz, gemeinsam entwickelt von der irischen Komponistin Éna Brennan, dem aus Portugal stammenden bildenden Künstler Hugo Canoilas und dem ehemaligen Festspielintendanten, Regisseur und Librettisten David Pountney.

OPERNSTUDIO
Ironische Situationskomik und bezaubernde Nachwuchsdarsteller
14 Sänger und eine einzigartige Regisseurin gestalten einen besonderen Opernabend: Obwohl zwischen Gioachino Rossinis erster öffentlich aufgeführter Oper Der Ehevertrag (La cambiale di matrimonio) und Giacomo Puccinis Einakter Gianni Schicchi mehr als 100 Jahre liegen, lassen sich beide Werke gut vereinen. Sie überzeugen mit ihrer Fülle an musikalischem Humor, Wortwitz und Situationskomik. Inszeniert wird diese ebenso amüsante wie ungewöhnliche Kombination von Kammersängerin Brigitte Fassbaender.

Der Ehevertrag ist die erste öffentlich aufgeführte Oper Rossinis, mit der sich der gerade einmal Achtzehnjährige 1810 in Venedig dem Publikum präsentierte. Obwohl er damals noch über sehr wenig Erfahrung verfügte, zeichnen sich bereits die Elemente seines unverwechselbaren Stils ab. Auch sein komödiantisches Naturtalent ist deutlich zu erkennen. In dem witzigen Einakter will der Kaufmann Tobia Mill seine Tochter Fanní an seinen reichen Geschäftspartner Slook aus Kanada vermitteln. Doch die junge Frau liebt Edoardo Milfort, den sie schließlich – dank der unerwarteten Großzügigkeit Slooks – tatsächlich zum Mann nehmen darf.

Mehr als 100 Jahre später war in New York Puccinis Gianni Schicchi erstmals auf der Bühne zu erleben. Die Geschichte des gleichnamigen Erbschleichers stammt ursprünglich aus Dante Alighieris Inferno, dem ersten Teil der Göttlichen Komödie und bildet den dritten Teil von Puccinis Dreiteiler Il trittico. Der reiche Buoso Donati ist gestorben. Gierig und gespannt versammeln sich die Hinterbliebenen an seinem Totenbett und erfahren entsetzt, dass sie leer ausgehen. Da erscheint der gewitzte Gianni Schicchi. Er legt sich in Donatis Sterbebett, mimt vor dem Notar den Verstorbenen und verteilt das Erbe großzügig unter den anwesenden Verwandten. Die besten Besitztümer vermacht sich Schicchi jedoch kurzerhand selbst.

„In beiden Opern geht es um Liebe und Gier. Und in beiden siegen Witz und Schlauheit“, sagt Fassbaender und betont, dass bei ihren Inszenierungen in Bregenz stets die jungen Künstler im Zentrum stehen: „Ich möchte spannende, kluge, kurzweilige Geschichten erzählen“. Wie funktionieren die Proben bei so vielen jungen Sängern und zwei so unterschiedlichen Stücken? „Wir haben beide Stücke parallel geprobt, damit das Ensemble ständig beschäftigt ist und niemand Leerlauf hat. Es ist eine große Herausforderung, zwei so unterschiedliche Musikstile zu erarbeiten und an einem Abend aufzuführen. Aber es ist auch reizvoll, schauspielerisch lehrreich und spannend in so unterschiedliche Rollen zu schlüpfen“.

Schon in anderen Inszenierungen für das Bregenzer Opernstudio hat Brigitte Fassbander das Publikum mit ihrem perfekten Gespür für Komik begeistert. Wie gelingt es ihr, junge Künstler mitzureißen? „Das Komische ist schwerer auf die Bühne zu bringen als das Dramatische, weil es ungeheure Präzision und perfektes Timing erfordert. Ich glaube, das fällt niemandem leicht, egal ob jung oder alt. Es braucht Handwerk und Können.“

OPERNATELIER
Uraufführung Hold Your Breath: Zusammen unter dem Oktopus
Nach dreijähriger Vorbereitungszeit im Rahmen des Bregenzer Opernateliers ist am 15. August auf der Werkstattbühne erstmals die Oper Hold Your Breath zu sehen. Sie ist im Bregenzer Opernatelier in einem mehrjährigen Arbeitsprozess zwischen Komponistin Éna Brennan, Künstler Hugo Canoilas und Regisseur und Librettist Sir David Pountney entstanden. Das Publikum hatte bereits in mehreren Einblicken Gelegenheit, die Arbeit der drei Künstler zu begleiten. Die musikalische Leitung von Hold Your Breath liegt bei der irischen Dirigentin Karen Ní Bhroin, die Choreografie stammt von der Britin Caroline Finn. 

Der ehemalige Intendant der Bregenzer Festspiele hat in seinem Libretto die Ideen des Trios zu einer bewegenden Geschichte gebündelt, die den gesamten Raum der Werkstattbühne für klangliche, räumliche und szenische Vorgänge nutzt: „Wir haben versucht, ein Stück zu konzipieren, das so nur auf der Werkstattbühne stattfinden kann.“

Ein riesiger Oktopus, erdacht und erschaffen von Hugo Canoilas, steht nicht nur im Mittelpunkt der Geschichte von Hold Your Breath, er wird auch als überlebensgroßes Wesen direkt über den Köpfen des Publikums schweben. Dieses wird sich einzeln und in Gruppen frei auf der Werkstattbühne bewegen können, erläutert Regisseur David Pountney: „Die Besucher erleben alles selbst mit: Das ist ein viel intensiveres Erlebnis, als in einem Sessel zu sitzen, sich etwas anzusehen und dann wieder nach Hause zu gehen.“

Aber was wäre eine Oper ohne Musik? Die belgisch-irische Komponistin Éna Brennan, die als Geigerin und Komponistin zwischen zwei Welten wandelt, beschreibt ihre Musik für Hold Your Breath als stilistisch sehr vielfältig: „Es gibt Fanfaren und Tänze, die an den Barock angelehnt sind, die sich mit freitonalen Abschnitten, aber auch mit Improvisation abwechseln. Ein weiteres Element sind elektronische Klänge, die teils separat ertönen, teils gemeinsam mit den Musikern des Symphonieorchesters Vorarlberg zu hören sind“.

Der in Lissabon geborene Künstler Hugo Canoilas hat für Hold Your Breath mit seinem riesigen Oktopus erstmals eine Arbeit für einen Bühnenraum geschaffen. Gemeinsam mit anderen ein Musiktheaterwerk zu entwickeln, sei für ihn eine faszinierende neue Erfahrung gewesen, sagt Canoilas: „Es war ein interessanter Lernprozess! Das Wissen und Können der verschiedenen Abteilungen, vom Bühnenbau bis zur Kostümabteilung, war großartig. Ich konnte immer um Hilfe bitten.“ Neu war für ihn auch, dass das Publikum während des Stücks über eine vergleichsweise lange Zeitspanne mit seinem Werk konfrontiert werden wird: „In einer Galerie bleibt man ein paar Minuten vor einem Kunstwerk stehen, mehr nicht.“

Doch warum ausgerechnet ein Oktopus? „Ich bin schon lange von diesen Kreaturen fasziniert“, sagt David Pountney. „Es gibt viel Literatur über Kraken – darüber, wie intelligent sie sind, dass sie uns Menschen erkennen und sich an uns erinnern können. Dass sie wissen, wer wir sind und was wir tun. Eines Tages sagte ich zu Hugo: ‚Weißt du was, ich sehe da diesen riesigen Oktopus in unserem Stück.‘ Hugo fand das interessant. Er ist losgegangen und hat ein neunzig Meter langes Gemälde von einem Oktopus gemalt: eine spontane Reaktion auf unser Gespräch.“

Symphonie- und Pfeifkonzerte in der letzten Festspielwoche
Mit der 2022 ins Leben gerufenen Orchesterakademie setzen die Bregenzer Festspiele zusammen mit den Wiener Symphonikern und der Stella Vorarlberg Privathochschule für Musik ein wichtiges Zeichen für den künstlerischen Nachwuchs. Am Sonntag, 11. August präsentieren die jungen Musiker unter der Leitung von Daniel Cohen die Ergebnisse ihrer einwöchigen Probenarbeit. Als Solistin ist die Sopranistin Marlis Petersen zu hören. Ein besonderes und längst ausverkauftes Konzert folgt am Abend des 11. August im Rahmen von Musik und Poesie, wenn es im Seestudio heißt: Ich pfeif‘ auf die Sobotka. Nikolaus Habjan, nicht nur Puppenspieler und Regisseur, sondern auch einer der weltbesten Kunstpfeifer, lässt gemeinsam mit Ines Schüttengruber die Bregenzer Intendanz von Elisabeth Sobotka humorvoll Revue passieren. 

Am Sonntag, 18. August steht mit der Matinee des Symphonieorchester Vorarlberg das letzte Konzert der diesjährigen Saison auf dem Programm, die am Abend mit der 28. Vorstellung von Der Freischütz auf der Seebühne endet.