Letzte Aktualisierung: 04.10.2024
Besucherrekord beim Filmfestival
125 000 kamen auf die Parkinsel Ludwigshafen
von Michael Hoerskens
(17.09.2024) Das 20. Festival des deutschen Films in Ludwigshafen am Rhein war die bisher erfolgreichste Ausgabe. Über 125.000 Besucher sahen an 19 Tagen 64 Produktionen, von der Komödie über Drama bis zum Krimi. Auch Frankfurt war vertreten.
„Mit dieser erfreulichen Resonanz sind wir erneut und mit noch größerem Abstand zu allen anderen Filmfestivals hier in Ludwigshafen das nach der Berlinale zweitgrößte Filmfestival Deutschlands“, erklärte Festivalintendant Dr. Michael Kötz zu dem Rekord. „Die Welt verändert sich, und wir müssen mit der neuen Realität zu leben lernen.“ Das Festival sei mehr denn je ein starkes Signal für die neue Entschlossenheit der Menschen, sich nicht unterkriegen zu lassen von schlechten Nachrichten. Man müsse sich stattdessen positiv dem Leben und seinen Geschichten widmen, so Kötz. Das Programm des Festivals reflektierte diesen Gedanken.
Es waren zahlreiche bemerkenswerte Filme, die beim Publikum überaus positiv ankamen. Und es war ein französischer Gastbeitrag, welche die Besucher mit am meisten begeisterte. „Oh lala – wer ahnt denn sowas?“ lautet der Titel der Komödie unserer gallischen Nachbarn. Ein heiratswilliges junges Paar lässt aus Spaß in einem Labor die DNA ihrer Eltern prüfen. Und die sind alle stolze Franzosen. Doch der Test offenbart überraschenderweise, dass in deren Adern auch viel fremdes Blut fließt – und zwar von eher wenig geliebten Völkern. Ein herrlicher Klamauk, der bei den Filmenthusiasten für Lachsalven sorgt und das Zwerchfell ordentlich strapaziert. In einer der Hauptrollen glänzt wieder Christian Clavier, bekannt als Film-Vater Monsieur Claude mit seinen vier Töchtern.
Doch auch das Drama kam nicht zu kurz. Zwei Filme behandelten Das Thema Alkoholismus. „Im Rausch“ ist die beklemmende Geschichte zweier Menschen, die der Glücksdroge Alkohol zusehends verfallen. Katja ist Journalistin und hat mit ihrer Chefin Ärger, spült diesen mit Sekt und allem Möglichen hinunter. Eddi ist Handwerker und sieht seine Firma bedroht, als ihm ein lukrativer Auftrag entzogen wird. Er braucht hernach immer mehr Entspannungsdrinks. In einer Kneipe lernen die beide sich kennen, besaufen sich zusehends und wollen schließlich doch gemeinsam den Weg aus dem Sumpf finden. Ein schwerer Kampf. Absolut großartig gespielt dabei von den Hauptdarstellern Frederike Becht und Hans Löw.
Die gleiche Problematik findet sich in dem Streifen „One for the road“. Bauleiter Mark (Frederik Lau) säuft täglich. Er liebt das Feiern in der Gesellschaft, verliert die Kontrolle über sich und muss nach einer Alkoholfahrt zum „Idiotentest“, wo auch Lehrerin Helena (Nora Tschirner) sitzt. Mark versucht, sich von dem Übel des Alkoholmissbrauchs „freizuschwimmen“, hält aber nur eine Weile durch. Auch Helena will sich schließlich nicht ihrer Sucht hingeben und dem Untergang entrinnen. Beide kommen einander näher starten den schwierigen Rückweg in ein normales Leben.
Auch spannende Krimis wurden auf dem Filmfestival gezeigt. Wie etwa „Verbrannte Erde“. Der Thriller führt ins Milieu der Profi-Diebe wie der wortkarge Trojan einer ist. Er soll in einem Museum ein Bild klauen, dessen Wert auf 1,7 Millionen Euro taxiert wird. Der Coup klappt zwar, aber bei der geplanten Übergabe an der Auftraggeber im Dunkel der Nacht läuft etwas schief. Und danach immer mehr.
In diesem Genre kommt auch Frankfurt ins Spiel. Gezeigt wurde in Ludwigshafen der neue Tatort aus der Mainmetropole mit dem Titel „Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh’n“. In der letzten Tatort-Folge mit dem Duo Margarita Broich und Wolfram Koch müssen sich die beiden Kommissare mit dem verwirrten Psychologen Grünthal befassen, der aus wohl Versehen jemanden erschlagen hat. Brix und Janneke werden ihrer Abschiedsvorstellung in das Seelendrama des Psychologen hineingezogen.
Wolfram Koch war auf den Filmfestival noch in dem Streifen „Sterben für Beginner“ zu sehen. Zwar als Komödie im Programmheft deklariert entwickelt sich der Film zu einer einfühlsamen Tragödie. Der Musikmanager Eric (Edin Hasanovic )muss erfahren, dass sein bester Freund Alex einen irreparablen Hirntumor hat. Und der will gerade seine schwangere Freundin heiraten. Wie mit dem Thema umgehen? Eric nimmt einen Job bei einem Bestattungsunternehmen an, führt neue Ideen ein. Zwischen Verzweiflung und Melancholie findet er einen unkonventionellen und zugleich liebevollen Weg des Abschiedsnehmens. Auch die Eltern von Alex (der Vater wird gespielt von Wolfram Koch) sind am Ende damit einverstanden. Kleine Fußnote: Nachfolger von Wolfram Koch im Frankfurter Tatort wird Kollege Edin Hasanovic. Das Filmteam war fast vollständig bei der Aufführung vertreten und schrieb auf dem Roten Teppich fleißig Autogramme für die zahlreichen Fans.
Und noch einmal die Mainmetropole: der Frankfurter Rainer Kaufmann führte die Regie des Films „Endlich Witwer – Griechische Odyssee“ mit Joachim Krol in der Hauptrolle. Und der wurde beim Filmfestival auf der Ludwigshafener Parkinsel mit dem Preis für Schauspielkunst ausgezeichnet.
Joachim Krol ist so etwas wie ein Stammgast beim Festival des Deutschen Films in der Chemiestadt. Daher war die Auszeichnung wenig überraschend. „Er wirft sich in seine Rolle, er spielt sie nicht, er verkörpert sie buchstäblich, verschmilzt mit ihr“, lobte Michael Kötz. „Und er macht das schonungslos. Ich vermute, wenn man ihn seitens der Regie machen lässt, dann tut er es auch: nämlich sich selbst vergessen, mit Haut und Haaren in der Rolle verschwinden“, so der Festivalintendant. „Das Festival ist mein Lieblingsfestival“, bekannte Preisträger Joachim Król. „In so einem Moment, wenn man so eine tolle Laudatio hört, dann kommt man an Danksagungen natürlich nicht vorbei. Denn all das, was Michael Kötz über mich erzählt hat, hat mit unendlichen vielen Leuten zu tun. Das geht ja nicht ohne die vielen Kreativen an meiner Seite“ warf der Schauspieler anerkennend den Blick auf die gesamte Filmcrew.
Den Preis für Schauspielkunst erhielten in diesem Jahr auch Liv Lisa Fries und Christoph Maria Herbst. Fries hat sich vor allem einen Namen als Charlotte Ritter In der Serie „Babylon Berlin“ gemacht, sie spielte aber schon mit 15 Jahren in ihrer ersten Rolle in Reihe „Schimanski“ mit Götz George. Später spielte sie auch Sophie Scholl. Sie hat bereits den Bayrischen Filmpreis und den Max-Ophüls-Preis erhalten.
Christoph Maria Herbst ist Komödienstar. Er kann auf rund 100 Filmrollen zurückblicken, man kennt den Meister der Mimik und Gestik durch „Sketchup“, „Ladykracher“, aus „Stromberg“ oder „Merz gegen Merz“. Auch er bekam schon einige Auszeichnungen wie den Deutschen Comedy-Preis oder den Grimme-Preis.
Es gab darüber hinaus noch drei Filmkunstpreise 2024. Zum besten Film kürte die Jury Angelina Maccarones „Klandestin“. Der Streifen widmet sich den Themen Flüchtlingsdrama und islamistischer Terror mit beinahe täglich neuen Schreckensnachrichten. „Dieser beeindruckende Film – im in Deutschland unterbelichteten Genre Polit-Thriller – zeigt aus vier Perspektiven klug und differenziert die Komplexität dieser existenziellen Probleme“, hieß es in der Begründung.
Thomas Arslan erhielt die Auszeichnung für die beste Regie bei „Verbrannte Erde“. Die Jury urteilte: „Der Film führt uns in eine dunkle Welt von Kriminellen. Wir beobachten sie bei der Planung und Durchführung eines Verbrechens – die Täter gehen mit kalter Professionalität und konzentrierter Präzision an die Umsetzung ihrer Tat. Die vorzügliche Kameraarbeit setzt unwirtlichste urbane Orte von Berlin ins Bild – verlassene Plätze, leere Parkhäuser. Durch den ausgezeichneten Soundtrack ins Unheimliche gewendet.“
Für das bestes Drehbuch verlieh die Jury den Preis an Oliver Ziegenbalg für „One For The Road“. „Endlich wird Alkoholmissbrauch einmal nicht als ein Unterschichtenphänomen gezeigt, sondern deutlich, dass Alkoholkonsum ein gesamtgesellschaftliches Problem ist“, so die Juroren.
Und den Rheingold Publikumspreis 2024 schließlich erhielt Christian Klandt für „Sterben für Beginner“. „Der Publikumspreis ist der beste Preis des Festivals. Und Ludwigshafen ist ein ganz tolles Festival, wenn man sieht, wie viele Menschen hier ins Kino kommen. So viele Kinobesucher in nur vier Kinos, das schafft selbst die Berlinale nicht“, freute sich Klandt.