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Letzte Aktualisierung: 23.04.2024

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Besserer Herzkreislauf durch Blutdrucksenkung

Systolischer Wert sollte bei Älteren unter 130 sein

von Prof. Helmut Schatz

(19.10.2021) Wie der Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie mitteilt, verringerte eine Blutdrucksenkung auf systolische Werte von 110 bis 130 mm Hg bei älteren Hochdruckpatienten die Herzkreislaufereignisse signifikant im Vergleich zu einer Absenkung auf 130 bis 150 mm Hg.

Am 30. September 2021 wurde im New England Journal of Medicine eine Untersuchung an älteren japanischen Hochdruckpatienten publiziert, die ein strengeres Blutdruckziel mit der aktuellen japanischen Standardeinstellung verglich. Unter den tieferen Blutdruckwerten traten signifikant weniger kardiovaskuläre Ereignisse auf.

In einer randomisierten kontrollierten Multicenterstudie wurden 60-80-jährige chinesische Hochdruck-Patienten über im Median 3.34 Jahre verfolgt. Von ~10.000 gescreenten Patienten wurden ~8.500 in die Studie aufgenommen. Randomisiert behandelte man je ~4200 entweder intensiviert mit einem systolischen Zielwert von 110- <130 mm Hg oder standardmäßig mit dem Ziel von 130- <150 mm Hg

Der erreichte systolische Blutdruck lag nach einem Jahr in der intensiven Gruppe im Mittel bei 127.5 mm Hg und bei 135.3 mm Hg in der Standardgruppe. Der primäre Komposit-Endpunkt bestand aus ischämischem oder hämorrhagischem Schlaganfall, akutem Koronarsyndrom (Herzinfarkt oder Hospitalisation wegen instabilter Angina) akut dekompensierter Herzinsuffizienz Koronarrevaskularisation, Vorhofflimmern oder kardiovaskulärem Tod.

Dieser Endpunkt trat in der Beobachtungszeit in der Intensivgruppe bei 147 Patienten (3.5 Prozent), bei der Standardgruppe bei 196 (4.6 Prozent) auf (Hazard Ratio, 0.74; 95 Prozent CI, 0.60-0.92; p=0.007). Für die einzelnen Komponenten fanden sich ebenfalls signifikante Unterschiede. Die Sicherheitsdaten und die Nierenfunktion waren hingegen nicht signifikant unterschiedlich ausser der Inzidenz für Hypotonien, die in der Intensivgruppe höher war.

Kommentar

Ob diese Daten auch außerhalb Japans bei ethnisch unterschiedlichen Populationen wie etwa Kaukasiern, mit anderen Lebensumständen (Ernährung, Bewegung etc.) von Bedeutung sind, wurde schon auf dem Europäischen Herzkongress 2021, wo die Studie vorgetragen wurde, und auch in der Folgezeit lebhaft, teils auch kontrovers diskutiert. Die japanischen Resultate liegen auf der Linie der Sprint-Studie. Insgesamt wurde durch diese Studie das Ziel für den systolischen Blutdruck in verschiedenen Leitlinien in unterschiedlichem Ausmaß etwas abgesenkt.

Bryan Williams vom University College of London, einer der Vorsitzenden der Kommission für die Europäische Hochdruckleitlinien, empfahl ein pragmtischen Herangehen und individualisierte Zielwerte gerade bei älteren Patienten, bei denen offenbar die Heterogenität zunimmt. Er empfahl, bei >65-Jährigen, einen Blutdruck zunächst von <140/80 anzustreben, wenn auch solche Werte oft kaum erreichbar sind. Ist dies aber der Fall, könne man den Blutdruck weiter unter 130 systolisch senken, wenn die Patienten nicht gebrechlich oder multimorbide sind. Die Verträglichkeit der Hochdruckmedikamente sei ebenfalls ein auch für die Compliance wichtiger Faktor.

Insgesamt meint der Referent (H.S.) aus Erfahrung in der eigenen Praxis, dass ein derartiges "personalisiertes“ Herangehen sinnvoll und praxisnäher als ein starres Festhalten an in Leitlinien vorgegebenen Zielwerten.