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Letzte Aktualisierung: 16.04.2024

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Aufbruchstimmung zum Abschluss des 3. Kongresses Zukunft Deutscher Film

von Ilse Romahn

(25.04.2023) Zuversichtlich endete der 3. Kongress Zukunft Deutscher Film am vergangenen Freitag in Frankfurt am Main. Edgar Reitz, Dominik Graf, Irene von Alberti, Saralisa Volm, Wolfgang M. Schmitt, Alfred Holighaus und viele weitere Persönlichkeiten der deutschen Filmszene diskutierten in zahlreichen Panels und Workshops in der Mainmetropole die Zukunft der hiesigen Filmkultur.

Einmal mehr zeigte der Kongress, wie wichtig der intensive Austausch zwischen den verschiedenen Film-Gewerken ist. Fünf Jahre nach dem ersten Kongress ist Zukunft Deutscher Film ein unverzichtbares Zentrum der filmpolitischen Debatte in Deutschland geworden. Dieser Austausch soll in Zukunft noch intensiviert werden und eine beständigere Form erhalten.

Der Kongress Zukunft Deutscher Film, der wie auch in den Vorjahren im Rahmen des Lichter Filmfests Frankfurt International stattfand, stand diesmal unter dem Motto „100 Jahre Frankfurter Positionen“. Die Verknüpfung zweier Jubiläen gab das thematische Spannungsfeld des Kongresses vor: Das vor 100 Jahren in Frankfurt gegründete Institut für Sozialforschung wurde zur Keimzelle der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule. „Frankfurter Positionen“ ganz anderer Art sind die Thesen des Positionspapieres, das unter diesem Namen auf dem ersten Kongress Zukunft Deutscher Film vor fünf Jahren verabschiedet und seitdem bundesweit beachtet wurde.

5 Jahre Frankfurter Positionen zur Zukunft des deutschen Films
Für viele aus der Filmbranche sind die „Frankfurter Positionen“ Impulsgeber für den jüngst von Kulturstaatsministerin Claudia Roth zur Berlinale vorgestellten 8-Punkte-Plan zur Reform der Filmförderung. Der Berliner Regisseur RP Kahl resümierte zum Kongress-Abschluss: „Auch wenn die Referenten Roths eine direkte Verbindung zu den Frankfurter Positionen sicherlich verneinen, haben sie sogar einige deren Kommafehler übernommen.“ Gregor Maria Schubert, der neben Johanna Süß das Lichter Filmfest leitet, gab die Losung aus: „Jetzt müssen wir dranbleiben!“ Der politische Betrieb ziele durch Absichtsbekundungen oftmals nur auf das Ruhigstellen neuer politischer Impulse. Deshalb müssten die Anstrengungen der vergangenen Jahre, die auf eine grundlegende Erneuerung des bisherigen Filmfördergesetzes drängen, weiter intensiviert werden. Dazu gehöre auch das Finden neuer Formen.

Edgar Reitz zur Zukunft des Kinos
Einer der Höhepunkte des Kongresses war der Vortrag des Regisseurs Edgar Reitz zu den Chancen des Kinos als Ort und zur Zukunft des Filmsehens. Die 90-jährige Autorenfilmlegende, bereits vor fünf Jahren Ehrengast des Kongresses, beschrieb die Allgegenwart des Streamings von Bewegtbildern: Die moderne Gesellschaft leide unter dem Irrglauben, „dass zuhause alles und draußen nichts mehr zu haben ist.“ Für Reitz eine große Gefahr für die demokratische Öffentlichkeit: Menschen müssten sich auch physisch begegnen und austauschen – und eine lebendige Gegenwart teilen. Dafür brauche es neue Kinoräume, die mit völlig neuen Architekturen Kino wieder zu einem Live-Ereignis machten. Reitz schlug den Bau eines modellhaften Experimental-Kinos vor.

Eine neue Kinobewegung
In den vergangenen Jahren sind in Deutschland vielfältige Konzepte für neue Orte des Bewegtbildes entstanden. In Frankfurt kamen Vertreterinnen und Vertreter dieser Projekte erstmals zusammen – aus den größten Städten Deutschlands. Sie tauschten sich über ihre Vorhaben im Hinblick auf Realisierbarkeit und städtebauliche Qualitäten aus und verständigten sich auf eine kontinuierliche Zusammenarbeit. Die deutsche Kinoszene erlebt die Gründung einer neuen Kinobewegung.

Angst essen Kino auf
„Eure Angst tötet unsere Kreativität, unsere Ideen, unsere Lust am Schaffen.“ So wandten sich über 300 Filmschaffende in Form eines Appells zu Beginn des Kongresses an die Öffentlichkeit und zielten insbesondere auf die Finanzierungs- und Denklogik der Branche. Die Jung-Regisseurinnen Pauline Roenneberg und Eileen Byrne, mit anderen Initiatorinnen der Kampagne, stellten diesen „Appell des jungen deutschen Films“ unter tosendem Applaus vor. Seither wurde er bereits von rund 500 weiteren Personen unterzeichnet. „Daraus erwächst Mut!“, so die beiden Vertreterinnen, die auf eine Reaktion der Kulturpolitiker und Förderer hoffen.

FERA Eco-Manifest
Im Rahmen des letztjährigen Kongresses Zukunft Deutscher Film hielt der griechisch-französische Regisseur Costa-Gavras in der Frankfurter Paulskirche ein nachdrückliches Plädoyer für die Kraft des europäischen Films. Auch in diesem Jahr erhielt der Kongress europäischen Besuch. Der größte europäische Regieverband FERA stellte sein Eco-Manifest vor; ein Versuch, nachhaltiges und klimaschonendes Filmemachen zu fördern. Gewissermaßen als Experiment angelegt, will man nach dem Vorbild des dänischen Dogma-Manifestes von 1995 aus der selbstgewählten Beschränkung zusätzliche künstlerische Freiheiten gewinnen.

100 Jahre Frankfurter Schule
In Kooperation mit dem Frankfurter Institut für Sozialforschung standen einige der Veranstaltungen in Zusammenhang mit dessen Jubiläum. Das Institut wurde vor 100 Jahren gegründet – gewissermaßen die Geburtsstunde der Kritischen Theorie. Bereits im Vorfeld hatte der Kulturtheoretiker Georg Seeßlen einen filmtheoretischen Essay zur Kritischen Theorie bei epd Film veröffentlicht, der auf den Kongress vorbereitete. Dort zeigte sich dann die Relevanz der Frankfurter Schule für die Gegenwart und Zukunft des Films – zur Schärfung des Blicks als auch zur Reflexion von Stoffen und Formen. Gerade durch die Offenheit ihrer Methoden und Gegenstände bietet die Kritische Theorie vielfältige Angebote. Die Regisseurin Irene von Alberti etwa betonte die Anregung der Theorie für die eigene Filmarbeit. Der Filmwissenschaftler Felix Trautmann wiederum verwies auf die Qualität des Films als eigenständiger Erkenntnisform.

Verstetigung des Kongresses
Zum Abschluss des Kongresses betonte die Festivalleiterin Johanna Süß, in Zukunft solle der Kongress verstetigt werden. Der Austausch der drei Kongresstage könne so in Zukunft noch intensiviert werden. Es brauche einen Rahmen, um das Potential des Kongresses auszuschöpfen und seine Anregungen nachhaltig zu verfolgen. Aus diesem Grund ergreift die Kongressleitung die Initiative zur Gründung einer Gesellschaft zur Förderung der Filmkultur.