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Letzte Aktualisierung: 04.10.2024

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Auf den Spuren der Schweinswale

von Ilse Romahn

(13.09.2024) Vor 25 Jahren wurde vor der Sylter Westküste das erste Walschutzgebiet Europas eingerichtet. Und doch sind nach wie vor viele überrascht, wenn vor ihnen die Rückenfinne eines Schweinswals auftaucht. Fasziniert sind alle, informiert kaum jemand. Das soll sich ändern.

Schweinswal voraus! Eine Wal-Sichtung ist immer ein besonderes Erlebnis - auch wenn der heimische Schweinswal ein vergleichbar kleiner Vertreter seiner sonst oft so riesigen Verwandtschaft ist.
Foto: Ulli Gritzan
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Ein Sommertag auf Sylt, irgendwo am knapp 40 Kilometer langen Sandstrand entlang der Westküste: Es ist nahezu windstill, das Wasser glitzert, die Blicke schweifen über die glatte See. Plötzlich durchbricht eine kleine dunkle Finne die Wasseroberfläche. Ein Schweinswal! Immer wieder auf- und abtauchend zieht er vorbei und dabei alle Blicke auf sich. Mit einer Körperlänge von bis zu 1,85 Meter sind Schweinswale die kleinste und mit Abstand häufigste Walart in der Nord- und Ostsee. In den vergangenen Jahrzehnten ging der Bestand jedoch so drastisch zurück, dass sie 1982 als eine vom Aussterben bedrohte Tierart unter Schutz gestellt wurden. 1999 wurde dann ein gut 1.200 Quadratkilometer großes Areal, das sich vor Sylt und Amrum zwölf Seemeilen hinaus aufs Meer erstreckt, als Walschutzgebiet ausgewiesen. Dadurch sind insbesondere die Fischerei und der Bau von Windkraftanlagen in diesem Bereich untersagt. Für Schiffe gilt eine Begrenzung der Geschwindigkeit. „Das Schutzgebiet wird von mehreren tausend Schweinswalen als Nahrungs-, Kalbungs- und Auf­zucht­gebiet genutzt und hat damit eine besondere Bedeutung für den gesamten Schweinswalbestand in der Nordsee", unterstreicht der Schleswig-Holsteinische Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz.

Naturkundliche Radtouren unter dem Motto „Auf den Spuren der Schweinswale“
Auch Charlie Esser, Naturschutzbotschafterin der Sylter Naturschutzverbände, weiß um die Bedeutung des Walschutzgebietes. „Das Schutzgebiet liegt an einem Außenriff mit einer Ansammlung von Riffen und Sandbänken. Daher ist es ein sehr artenreiches Meeresgebiet und bietet den Schweinswalen Nahrung. Gleichzeitig ist es ein wichtiges Fortpflanzungsgebiet der Schweinswale. Hier bringen die Mütter im Frühling ihre Kälber zur Welt und schwimmen mit ihnen im Sommer nah an die Sylter Küste, um im flachen Wasser nach Sandaalen und Plattfischen zu jagen." Bei Windstille lassen sich die Tiere manchmal aus nächster Nähe dicht am Flutsaum beobachten. Einzeln oder in kleinen Gruppen unterwegs, sieht man sie dann im Gleichklang auf- und abtauchen. „Es wurden sogar schon ganze Schulen mit bis zu 20 Tieren dicht vor dem Strand gesichtet", weiß Charlie Esser, die in diesem Sommer unter dem Motto „Auf den Spuren der Schweinswale“ naturkundliche Radtouren entlang des Sylter Walpfads anbietet. 

Das Walschutzgebiet vor Sylt ist einzigartig - ebenso der eigens dafür entwickelte Walpfad
Der Walpfad entstand 2016 in Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, der Schutzstation Wattenmeer und dem Erlebniszentrum Naturgewalten. An 22 Strandübergängen entlang der Westküste zwischen Hörnum und List finden sich Module, die in Text, Bild und auch interaktiv Wissenswertes über Schweinswale und ihren Lebensraum vermitteln. Auch Seehunde, Kegelrobben und Hochseevögel sowie Aspekte des Klima- und Küstenschutzes stehen im Fokus. „Die individuelle, interaktive Ausführung jeder einzelnen Infostele macht dieses Projekt dabei zu einem einzigartigen Lehrpfad entlang der Sylter Küste", so Co-Initiator Matthias Strasser vom Lister Erlebniszentrum Naturgewalten.  Die Umsetzung des Projekts durch eine Arbeitsgruppe erstreckte sich über mehrere Jahre: „Es musste sorgfältig recherchiert und das Geld für die Stelen eingeworben werden.“ Doch der Aufwand habe sich gelohnt: „Der Walpfad bietet eine ideale Ergänzung zu den naturkundlichen Ausstellungen auf Sylt. Die Tafeln sollen Begeisterung für den Schweinswal und andere Meerestiere erzeugen sowie auf die Schutzbedürftigkeit unserer Meere, die Insel Sylt und den Nationalpark Wattenmeer hinweisen."

Eine Radtour entlang des Sylter Walpfads macht fit für die Belange der Schweinswale und ihres Lebensraums
Wer nicht nur punktuell über die Belange der Schweinswale und ihres geschützten Lebensraums informiert werden möchte, sondern den Pfad in seiner ganzen Länge kennen lernen möchte, der sollte seine Wal-Expedition als zweiteilige bzw. zweitägige Radtour planen. Wählt man Westerland zum Beispiel als Ausgangspunkt, bietet sich eine Nord- und Südtour mit jeweils 20 Kilometern an. Die Südtour mit dem Ziel Arche Wattenmeer in Hörnum, die Nordtour mit dem Endpunkt Erlebniszentrum Naturgewalten in List. Auch dort ist der Schweinswal ein wichtiges Thema, wie Erlebniszentrum-Geschäftsführer Matthias Strasser unterstreicht: „In unserem Themenbereich 'Leben mit Naturgewalten' gibt es einen eigenen Meeressäuger-Bereich. Dort findet man unter anderem einen Touch-Monitor, an dem die Besucher zu Wal-Beobachtern werden. Außerdem gibt es eine Karte, auf der aktuelle Schweinswal-Sichtungen eingetragen werden. Und last but not least ist der Schweinswal in unserem 3-D-Kino quasi hautnah zu erleben."

Infokasten: Die Termine für die dreistündigen naturkundlichen Radtouren „Auf den Spuren der Schweinswale“ von List nach Kampen: 24. September (im Rahmen der Nachhaltigkeitstage), 15. Oktober und 22. Oktober (beide Termine im Rahmen der Familienwochen Sylt). Weitere Informationen zur Radtour sowie zu den einzelnen Stationen des Sylter Walpfads auf www.sylt.de