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Amazonas: Niedrigster Pegel seit 120 Jahren

Dürre in Südamerika eine Folge von El Niño

Blanke Sandbänke statt Wasser – der Pegelstand des Amazonas ist auf ein Rekordtief gesunken. Ursache dafür ist eine ausgeprägte Trockenzeit im Amazonasbecken, die wiederum auf verschiedene Klimaphänomene zurückzuführen ist. Eine halbe Million Menschen haben dadurch nur noch eingeschränkten Zugang zu Trinkwasser und Nahrungsmitteln.
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Der Amazonas ist derzeit auf dem niedrigsten Stand seit mehr als 100 Jahren. Ursache ist eine langanhaltende Dürre, die weite Teile Südamerikas betrifft.
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Der wasserreichste Fluss der Erde ist mit einem Pegelstand von weniger als 13 Metern bei Manaus auf den niedrigsten Stand seit Beginn der kontinuierlichen Aufzeichnungen im Jahr 1902 gesunken. Damit wurde der vorherige Rekord von 13,63 Metern aus dem Jahr 2010 unterboten. Normalerweise steht das Wasser dort zu dieser Jahreszeit rund 4 Meter höher. Erst vor zwei Jahren wurde im Juni dort der Rekordhöchststand von knapp über 30 Metern verzeichnet.  

„Der Amazonas ist mit nahezu 20 Prozent des Gesamtabflusses aller Flüsse weltweit das mit Abstand größte Flusssystem der Erde und daher von enormer Wichtigkeit für das dortige Leben“, fügt Frédéric Boutelant, Projektleiter im Wasserbau in Berlin, hinzu. Laut der Einschätzung des Bauingenieurs zur hydrologischen Situation ist der Tiefststand des Amazonas nun erreicht und mit der einsetzenden Regenzeit im Äquatorialbereich ist bald mit einem Ansteigen des Pegels zu rechnen.

Ein Pegelstand entspricht übrigens generell nicht der absoluten Wassertiefe ­– diese variiert je nach Messpunkt deutlich stärker. Beim Errichten der Messstelle wird der Pegelstand in der Regel als willkürliches Maß festgelegt. 

El Niño und dessen „kleiner Bruder“ im Atlantik sind „schuld“
Als Ursache für die anhaltende Dürre nennen Forscher die Warmwasseranomalien im Ostpazifik sowie im tropischen Atlantik. „El Niño“ im Ostpazifik tritt aktuell zusammen mit dem sogenannten „Atlantik Niño“ auf, welcher im Vergleich etwas schwächer ausgeprägt ist. Beide Klimaphänomene zusammen führen aufgrund komplexer Strömungsveränderungen dazu, dass die Regenfälle im Amazonasbecken abnehmen. Da ein Andauern von El Niño bis zum Frühling des kommenden Jahres derzeit wahrscheinlich ist, könnte es im Amazonasgebiet weiterhin weniger regnen als im Durchschnitt. 

Trinkwasserknappheit und verendete Tiere
Der Amazonas ist eine wichtige Wasserstraße für den Güter- und Personentransport. Die Dürre beeinträchtigt jedoch die Schifffahrt auf dem Amazonas und seiner Nebenflüsse stark. Durch den niedrigen Wasserstand ist somit auch der Zugang zu Nahrungsmitteln und Trinkwasser für viele Menschen bereits stark eingeschränkt. Betroffen sind fast eine halbe Million Menschen, in 50 Städten entlang des Flusses gilt bereits der Ausnahmezustand. Zusätzlich zur langen Trockenphase hat die andauernde Hitze in den vergangenen Wochen für ein Ansteigen der Wassertemperatur gesorgt. Aufgrund des niedrigeren Sauerstoffgehalts ist das unter anderem auch für die Flussdelfine und viele Fische tödlich. Im Lago de Tefé, einem großen See südlich des Amazonas starben Ende September in nur einer Woche mehr als 150 Delfine – rund 10 Prozent der gesamten Population. Die Wassertemperaturen lagen dort mit über 38 Grad mehr als 7 Grad über dem Durchschnitt.  

Titicacasee ebenfalls auf historischem Tiefststand
Große Hitze und sehr wenig Niederschlag in den vergangenen Monaten haben auch den Titicacasee an der Grenze zwischen Peru und Bolivien auf einen historischen Tiefstand sinken lassen. Seit April ist der Pegel des Sees im peruanischen Puno um mehr als einen halben Meter auf 3808,05 Meter über der Meeresoberfläche gesunken. Der Wassermangel durch den niedrigen Pegelstand führte in der Region in jüngster Zeit zu erheblichen Ernteverlusten. So brach die Quinoa-Ernte um 90 Prozent ein. Auch die Fischerei, die Jagd und der Tourismus sind betroffen. Der Titicacasee ist mit einer Fläche von rund 8400 Quadratkilometern der größte Süßwassersee Südamerikas.

Als Trinkwasserreservoir ist der Titicacasee für rund 2 Millionen Menschen in der Region von großer Bedeutung. Doch weil die Abwässer der umliegenden Städte und Bergwerke größtenteils ungeklärt in den See fließen, nimmt seine Wasserqualität immer weiter ab.

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