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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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50 Jahre Kommunales Kino

Filmreihe und Feier am 2. Dezember im DFF

von Ilse Romahn

(22.11.2021) Mit Buster Keaton fing vor 50 Jahren alles an: Am 3. Dezember 1971 eröffnete eine Stummfilmreihe mit dem stoischen Komiker das Programm des Kommunalen Kinos in Frankfurt, das in den ersten Monaten seiner Existenz als Gast dreimal die Woche im Theater am Turm Filme vorführte – sofort mit großem Erfolg, und das, obwohl das Kino nur außerhalb der Theaterzeiten spielen durfte.

Buster-Filmplakat
Foto: DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V.
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Es war das erste Filmtheater in Deutschland, das als städtisch vollsubventioniertes Kino mit ständigem Programm den politischen Anspruch des damaligen Frankfurter Kulturdezernenten, Hilmar Hoffmann, erfüllte, Film den anderen Künsten gleichzustellen – eine kulturpolitische Pioniertat. Und eine Initialzündung für die Förderung und Pflege der Filmkunst in Deutschland, die Folgen in vielen Städten und Gemeinden zeitigen sollte: Schon wenige Jahre später gab es 150 kommunal geförderte Lichtspieltheater in Deutschland, deren Existenz Karrieren wie die von Wim Wenders, Volker Schlöndorff und Rainer Werner Fassbinder beförderte und anspruchsvollen Filmen ein Forum in Deutschland gab.

Das Kino des DFF nimmt den 50. Jahrestag seiner Gründung zum Anlass, mit seinen Besuchern auf eine bewegte Geschichte mit heftigen politischen und kulturellen Auseinandersetzungen zurückzublicken und sich einmal selbst zu feiern: Den gesamten Dezember über mit einem Filmprogramm, das Filme, die auch im Dezember 1971 liefen, wieder aufführt.

Am Donnerstag, 2. Dezember, geht es um 18 Uhr Uhr los mit einem Buster-Keaton-Kurzfilmprogramm. Um 20 Uhr folgt dann die Feier mit Weggefährten und befreundeten Institutionen. Zu sehen ist Steamboot Bill, JR. (USA 1928,  R: Charles Reisner, D: Buster Keaton).  Heide Schlüpmann spricht ein Grußwort, bevor sich zahlreiche WegbegleiterInnen bei einem kleinen Empfang im Anschluss austauschen können.

Weitere Filme werden im Dezember gezeigt.

Erstes Programm vom Dezember 1971 im Kommunalen Kino
Ziel der GründerInnen des Kommunalen Kinos war es, Film als ein künstlerisches, aber auch gesellschaftspolitisch wichtiges Medium zu etablieren, das alle Bürgerschichten erreicht. Von Anfang an war es daher der Anspruch des Kommunalen Kinos, wirtschaftlich unabhängig und frei von materiellen Zwängen zu sein. Film sollte mehr sein als kommerzielles Massenvergnügen. Geboten wurde – bezahlbares – Kino, das jenseits des Mainstreams stand. Hieraus entwickelten sich ganz neue Möglichkeiten, Filmkultur zu präsentieren. Thematische, auch politisch akzentuierte Filmreihen sorgten für lebhafte Debatten. Das Kommunale Kino etablierte eine cineastische Gegenkultur.

Das gefiel nicht allen: Noch vor der Eröffnung, bereits im Mai 1971, klagten fünf kommerzielle Frankfurter Kinobetreiber wegen Wettbewerbsverzerrung. Doch die Klage wurde abgewiesen und ging als „Frankfurter Urteil“ in die Geschichte der Kommunalen Kinos ein.

1972 zog das Kommunale Kino vom Theater am Turm ins Historische Museum am Römer und nahm seinen regulären Spielbetrieb dort mit einer Charlie-Chaplin-Retrospektive auf. „Andere Filme anders zeigen“ war fortan die Devise im KoKi, wie es von den Frankfurtern schon bald liebevoll genannt wurde. Ein Leitspruch, der für viele der nun rasch entstehenden Kommunalen Kinos in Deutschland galt.

In Frankfurt bildeten sich in den frühen Jahren neben den filmhistorischen Reihen zwei Schwerpunkte der Programmarbeit heraus: ein dezidiert politisches Profil und ein besonderes Engagement für den aktuellen deutschen Film – dieses Profil setzt sich bis heute fort.

Zu sehen waren weiterhin große Reihen etwa zum jiddischen Kino oder zum Kino in den Sowjetrepubliken sowie eine Fülle von Länderschwerpunkten und Retrospektiven zu einzelnen FilmemacherIinen.

1984 zog das KoKi auf Initiative von Hilmar Hoffmann in das neu gegründete Deutsche Filmmuseum am Schaumainkai, wo beide Institutionen zusammen mit dem Deutschen Filminstitut ein neues Zentrum der Filmkultur am Main bildeten. Mit einer Federico Fellini gewidmeten Ausstellung und Retrospektive wurde das Haus eröffnet und bot nunmehr als einzige Kinemathek in Deutschland die Möglichkeit, Ausstellungs- und Kinobesuch zu vereinen.

Es folgten üppig angelegte, sich über mehrere Monate erstreckende Filmreihen mit einer großen thematischen Bandbreite: von King Vidor über John Ford und Stan Brakhage bis zu Charlie Chaplin, Yasujirō Ozu, Marguerite Duras oder Jean Renoir; hinzu kamen regelmäßige Schauspielerporträts und thematische Reihen wie jene zum Kino der deutschen FilmemigrantInnen.

Die größte Krise in seiner Geschichte überstand das Kino in den Jahren 1993 und 1994. Der Magistrat hatte auf Betreiben der Kulturdezernentin Linda Reisch im Zuge seines Sparkurses beschlossen, das Kommunale Kino zu schließen. Mehr als 200 Protestschreiben aus aller Welt gingen ein. Die Entscheidung wurde revidiert, aber der Schließungsbeschluss offiziell nie zurückgenommen.

In der Folge verlor das Kommunale Kino seine Eigenständigkeit: Zunächst als Abteilung des Deutschen Filmmuseums geführt, ist es nun zentraler Kern der 2006 mit dem Deutschen Filminstitut fusionierten Institution, die seit 2019 als DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V. firmiert.

Beim Umbau des Hauses zwischen 2009 und 2011 wurde das Kino komplett renoviert und zusätzlich mit neuester Vorführtechnik (2K-Digitalprojektion und 3D) ausgestattet. Der neue Saal an gleicher Stelle im Untergeschoss der Gründerzeitvilla erstrahlt nun in Rot und bietet Platz für 131 Besucher.
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Mit der Wiedereröffnung schärfte das Kino ein weiteres Mal sein Profil. Neben altbewährten Formaten wie „Klassiker & Raritäten“ und „Was tut sich – im deutschen Film?“ wurden neue Angebote wie die Reihe „Lecture und Film“, das „Late Night Kultkino“ und ein wöchentlicher Programmplatz für „Specials“ eingeführt. Der von jungen Leuten organisierte Filmclub Treppe 41 lädt zum Austausch ein.

Zweimal im Jahr werden deutsche Filmschaffende eingeladen und erhalten Carte Blanche, Filme vorzustellen, die sie beeinflusst haben.

Die Reihe „Lecture und Film“, beleuchtet in Kooperation mit der Frankfurter Goethe-Universität das Werk bedeutender RegisseurInnen, bisher etwa Jean-Luc Godard, Agnès Varda, Andy Warhol, Chantal Akerman oder Pier Paolo Pasolini.

Verschiedene Festivals strukturieren das Jahresprogramm: Neben den vom DFF organisierten Festivals wie LUCAS – Internationales Festival für junge Filmfans, goEast - Festival des mittel- und osteuropäischen Films, Africa Alive, dem italienischen Filmfestival Verso Sud oder Southern Lights – Kino des globalen Südens, beteiligt sich das Kino am Lichter Filmfest Frankfurt International und dem japanischen Festival Nippon Connection. Weitere umfangreichere Filmreihen finden begleitend zu den aktuellen Sonderausstellungen statt.

Das Kino ist darüber hinaus durch zahlreiche Kooperationspartner, Institutionen, Museen und kulturelle Organisationen eingebunden in das Kulturleben der Stadt Frankfurt. Darüber hinaus ist das DFF Mitglied in verschiedenen nationalen und internationalen Verbänden: dem Kinemathekenverbund, der ACE und der FIAF.

DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V.   www.dff.film