Letzte Aktualisierung: 04.10.2024
30-jähriges Bestehen der Bildungsstätte Anne Frank
von Ilse Romahn
(09.09.2024) Die Bildungsstätte Anne Frank feiert ihr 30-jähriges Bestehen. Anlässlich dieses Jubiläums hat die Stadt Frankfurt zu einer Feierstunde in den Kaisersaal eingeladen. Oberbürgermeister Mike Josef begrüßte die Gäste im Namen der Stadt. Nach der Begrüßung würdigte Gabriele Scherle, Vorstandsvorsitzende der Bildungsstätte Anne Frank, die Gründungsgeneration der Bildungsstätte.
Elke Büdenbender, Mitglied im Kuratorium der Bildungsstätte Anne Frank, Verwaltungsrichterin und Ehefrau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, sprach ein Grußwort. Der Historiker Prof. Dan Diner hielt den Festvortrag mit dem Titel „Das israelische Schisma. Über Fragen von Legitimität“.
Die Bildungsstätte Anne Frank geht zurück auf den Zusammenschluss einer Initiative Frankfurter Bürgerinnen und Bürger. Anne Frank war bis in die 90er Jahre nahezu vergessen – eine der berühmtesten Töchter Frankfurts tauchte im Stadtbild nicht auf. „In den Zeiten des Wirtschaftswunders und der blühenden Bankenmetropole wollte man nichts wissen von Anne Frank – und auch davon nicht, wie eine ganze Generation versagt hat; davon, wie auch die Stadt Frankfurt mit ihrem reichen jüdischen Leben zu einer feindseligen, hetzerischen, lebensgefährlichen Umgebung für die Franks wurde“, sagte der Oberbürgermeister. Dabei sei Anne Frank mehr als eine historische Figur. Sie sei Symbol für Mut, für Menschlichkeit und für den unerschütterlichen Glauben an das Gute, auch in den dunkelsten Zeiten, betonte Josef.
Es waren aber nicht nur historisch Interessierte, die sich für einen Ort der Erinnerung an Anne Frank in ihrer Geburtsstadt einsetzten, sondern auch die Überlebenden selbst. Annes Vater, Otto Frank, hatte mehrfach den Wunsch geäußert, in Frankfurt möge eine Erinnerungsstätte für seine Tochter entstehen. Von Anfang an begleitete Trude Simonsohn die Bildungsstätte. Zu den großen Veranstaltungen der Bildungsstätte gesellte sich Buddy Elias, der Cousin Anne Franks.
Schnell entwickelte sich aus der Stadtteilinitiative eine wichtige Bildungsorganisation. Über fünfzig engagierte, kundige und feste Teammitglieder und eine noch größere Zahl freier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen heute die Arbeit. 1994 als Jugendbegegnungsstätte Anne Frank gegründet, heißt sie seit 2013 Bildungsstätte Anne Frank. Sie liefert eine junge Perspektive auf das Weltgeschehen, eine, die von Hoffnung, Neugierde, aber auch gerechtem Zorn geprägt ist. Josef erinnerte an die Worte Simonsohns: „Zu jedem Unrecht sofort nein sagen“ und betonte, dass es viele Formen gebe, sich Unrecht zu widersetzen.
„Es ist mir eine Freude, heute das Jubiläum der Bildungsstätte Anne Frank zu feiern – ein Institution gewordenes ‚Nein‘. Nein zum Vergessen, Nein zu Menschenfeindlichkeit und Hetze, Nein gegen Hass. Diese Einrichtung ist nicht nur ein wichtiger Teil unserer Stadt, sie ist ein lebendiges Zeichen dafür, wie wir in Frankfurt mit unserer Vergangenheit umgehen – und wie wir gemeinsam an einer besseren Zukunft arbeiten“, betonte Oberbürgermeister Josef. Die Bildungsstätte spreche über schmerzhafte Dinge. Doch sie tue es nie überheblich, nie mit falschem Pathos – und nie aus einer überheblichen Position des Bescheidwissens heraus. Grundsätzlich werde erstmal mit allen geredet, ein Gespräch gesucht, ein Angebot gemacht. „Es wird nach gemeinsamen Horizonten gesucht, nach dem Minimalkonsens, nach allem, was eine demokratische Gesellschaft erhält, in der alle ohne Angst verschieden sein können“, sagte Josef.
Der Oberbürgermeister bedankte sich für die wertvolle und wichtige Arbeit der Bildungsstätte – insbesondere für den Mut, allen Schwierigkeiten zum Trotz, Stellung zu beziehen, Themen und Initiativen anzustoßen, gerade in Zeiten, in denen gesellschaftliche Polarisierung viel Zuspruch erhalte.
„Als Stadt Frankfurt können wir sagen: Was für ein Glück, dass wir die Bildungsstätte haben! Sie macht Frankfurt überhaupt erst zu einem Standort der politischen Bildung. Sie gestaltet bundesweit Debatten mit, ist Kompass und Orientierung im politischen Minenfeld. Die Bildungsstätte macht unsere Stadt reicher, indem sie uns ständig daran erinnert, dass Demokratie, Vielfalt und Menschlichkeit keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern Werte, für die wir jeden Tag aufs Neue kämpfen müssen“, sagte Josef.
Die Bildungsstätte Anne Frank ist ein Ort der außerschulischen Jugendbildungsarbeit, an dem sich Jugendliche und Erwachsene mit der Geschichte des Nationalsozialismus und ihren vielfältigen Bezügen zur Gegenwart auseinandersetzen. Ziel der Einrichtung ist es, Jugendliche und Erwachsene über die Biographie Anne Franks im Nationalsozialismus für die Gegenwart zu sensibilisieren. Neben einem Lernlabor unterhält die Bildungsstätte zwei Beratungsstellen für Betroffene von Diskriminierung und Gewalt. Meron Mendel ist seit 2010 Direktor und Deborah Schnabel seit 2022 Direktorin der Bildungsstätte. (ffm)