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Letzte Aktualisierung: 17.04.2024

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‚Die Tradition des Karlsamtes ist wichtig für den Frieden und die Geschichte Europas‘

von Ilse Romahn

(01.02.2021) Seit 1332 feiert die katholische Stadtkirche Frankfurt das traditionelle Karlsamt im Kaiserdom – einst Krönungskirche deutscher Kaiser. In Erinnerung an Kaiser Karl den Großen, der nicht nur als Gründervater Europas gilt, sondern auch Patron der Stadt und des Kaiserdoms ist, wird das Karlsamt gefeiert.

Die einzigartige Liturgie mit mittelalterlichen Gesängen wird seit alters her nur in der Karlsstadt Aachen und in Frankfurt zelebriert, wo im Mittelalter die deutschen Kaiser gewählt wurden. Hauptzelebrant und Prediger ist dabei jedes Jahr ein anderer europäischer Bischof. Auch dieses Jahr hat die Feierlichkeit unter strengen Hygienevorschriften am Samstag, 30. Januar, stattgefunden. Als Hauptzelebrant und Prediger der diesjährigen Feier sprach Bischof Gerhard Feige aus Magdeburg.

Vor Beginn des Gottdienstes anlässlich des Karlamtes empfing Oberbürgermeister Peter Feldmann Stadtdekan Johannes zu Eltz und Bischof Gerhard Feige sowie Stadtrat Bernd Heidenreich.

„Das Karlsamt hat Tradition in unserer Stadt und wir lassen uns von der Pandemie nicht unterkriegen. Vielmehr müssen wir den Gesundheitsschutz beachtend, Traditionen wahren und deren Botschaft auf die Anforderungen heutiger Zeit übertragen“, sagte das Stadtoberhaupt. So täten die anwesenden Kirchenvertreter genau dies für die Institution katholische Kirche: Tradition wahren, aber auch neu denken und deren Botschaft auf Anforderungen heutiger Zeit übertragen.

So habe Stadtdekan zu Eltz es geschafft, dass die sich katholische Stadtkirche als kritischer, zukunftweisender Impulsgeber in die Stadt etabliert habe. Feldmann nannte die Beteiligung am Römerbergbündnis als Beispiel. Der Einsatz Bischof Feiges für Ökumene, Frauenordination und seine Einstellung zum Zölibat oder auch zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zeuge davon, dass die katholische Kirche Antworten auf die Entwicklung der Gesellschaft finden müsse, sagte das Stadtoberhaupt. All diese Punkte eine sie und sie stünden mit geballter Kraft an Zukunftsgewandheit im Rahmen der katholischen Kirche: „Welch schönes Signal für das diesjährige Karlsamt!“

„COVID-19 hat in der EU Grenzen wieder hochgezogen und hart gemacht. Umso besser, dass wir beim ‚Karlsamt‘ den tief gegründeten Zusammenhalt Europas spüren können. In ökumenischer Weite aufgewiesen wird er uns am 30. Januar von Prof. Gerhard Feige, dem Gast-Bischof aus Magdeburg“, sagte Stadtdekan zu Eltz.

Im Anschluss an das Treffen fand der Gottesdienst im Kaiserdom statt, der live übertragen wurde.

In seiner Rede betonte Feldmann, dass man sich in den Kaiserstädten Aachen und Frankfurt angewöhnt habe, Karl den Großen als „Vater Europas“ zu bezeichnen. Das möge seine Berechtigung haben, doch tatsächlich habe dieser „Vater“ seine Familie mit Gewalt zueinander getrieben. „So wie nach Karl dem Großen alle Versuche der Einigung Europas letztlich auf Gewalt gründeten – auch alle letztlich scheiterten. Der letzte gewaltsame Versuch – von Deutschland ausgehend – endete in der Menschheitskatastrophe des Nationalsozialismus“, sagte Feldmann. Doch buchstäblich aus den Trümmern dieser Katastrophe heraus sei die Idee eines freien Europas geboren und verwirklicht worden.

„Es hat ein Jahrtausend, geprägt von Kriegen, Konflikten, unendlichem Leid und Elend gedauert, bis wir Europäer das Geheimnis einer erfolgreichen Einigung entdeckten: Die Gleichheit der Nationen, die demokratischen Prinzipien und Menschenrechte.“

Diese Basis müsse immer wieder neu festgelegt werden: „Wir müssen uns vergewissern, dass dieses geeinte friedliche Europa nicht selbstverständlich ist. Hier in Frankfurt haben wir die gute Grundlage dafür. Nicht nur weil viele der besagten Herrscher hier im Dom gekrönt wurden, sondern vor allem, weil unsere Stadt eines zeigt: Frieden und Pluralität als Basis des gemeinsamen Erfolges“, betonte das Stadtoberhaupt.

Die Frankfurter Tradition sei verknüpft mit Offenheit gegenüber Fremden und dies sei kein Phänomen der Moderne. „Es ist gelebte Tradition und damit die Kultur unserer Stadt. Wir haben es nicht lernen müssen – es ist eingebrannt durch unsere Geschichte.“ Ein Teil dieser Geschichte sei das Karlsamt im Sinne einer geschichtsbewussten, kritischen, traditionellen Bürgergesellschaft. „Kritische Bürgergesellschaft und katholische Kirche und Tradition passt das zusammen? Hier in Frankfurt schon!“

Standfestigkeit im Glauben und Prinzipientreue bedeuteten nicht den Ausschluss aus der modernen Stadt – sie seien vielmehr Basis gelebter Caritas und praktizierter, echter Nächstenliebe. „Es ehrt unsere Stadt, wenn auch in diesem Jahr das Karlsamt begangen wird, trotz all der äußeren widrigen Umstände. Denn das Karlsamt erinnert uns an die tiefen Wurzeln Karls des Großen in der europäischen Geschichte und zugleich mahnt es die Voraussetzungen, dieses Europa gut zusammenhalten: Der Geist des Friedens, das Bewusstsein der gemeinsamen Geschichte, die gerade in den traditionellen Formen dieser besonderen katholischen Messe zum Ausdruck kommt“, sagte Feldmann. (ffm)