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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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‚75 Jahre – noch kein ganzes Menschenleben‘

Gedenkveranstaltung erinnert an die Befreiung von Auschwitz

von Ilse Romahn

(28.01.2020) Die Stadt Frankfurt hat am Montag, 27. Januar, mit einer offiziellen Gedenkstunde in der Paulskirche der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 75 Jahren gedacht.

OB Peter Feldmann mit Zeitzeugin Edith Erbrich
Foto: Stadt Frankfurt / Salome Roessler
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Der 27. Januar ist seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag. Die rund 600 Gäste wurden mit einer musikalischen Einleitung der transkulturellen Musikinitiative „Bridges – Musik verbindet“ begrüßt, die das Stück „Wiegala“ der jüdischen Autorin Ilse Weber interpretierten. Weber wurde 1944 in Auschwitz gemeinsam mit ihrem zehn Jahre alten Sohn ermordet.

In seiner Rede rief Oberbürgermeister Peter Feldmann die Geschehnisse des 27. Januars 1945 in Erinnerung, als die Rote Armee Auschwitz erreichte. Dort ermordeten die Nationalsozialisten zwischen 1941 und 1945 1,1 Millionen Menschen, die meisten von ihnen waren Jüdinnen und Juden. „Man hat ihnen alles genommen, ihren Besitz, ihre Namen, ihre Rechte“, erinnerte das Stadtoberhaupt. „Seit 75 Jahren steht der Name ‚Auschwitz‘ weltweit als Synonym für die Schoa. 75 Jahre – noch kein ganzes Menschenleben.“

Die Wichtigkeit des Umgangs mit der Vergangenheit stellte Feldmann bei seiner Rede in den Mittelpunkt: „Unsere Geschichte, die Geschichte unseres Landes prägt uns, unser Stadtbild und unser Miteinander. Der Umgang mit ihr wird Einfluss darauf haben, was in unserem Land in 25, 50 und 75 Jahren geschieht.“ Wie bereits bei der Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen am 9. November des vergangenen Jahres hat die Stadt auch dieses Mal 300 Frankfurter Schüler eingeladen. Das Stadtoberhaupt zitierte Theodor W. Adorno: „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ Eine noch heute gültige Aussage von 1966: „Adorno sah als selbstverständlich an, was selbstverständlich sein muss. Es ist eine ewige Aufgabe, unsere ewige Verantwortung, die Erinnerung lebendig zu halten, von Generation zu Generation“, unterstrich der Oberbürgermeister.

Feldmann wandte sich an die jugendlichen Gäste und wies darauf hin, dass diese sich der aktuellen politischen Situation in Deutschland bewusst sind: „Ich erlebe es bei Schulbesuchen und im Gespräch mit Jugendlichen, dass unsere junge Generation sehr wohl spürt, was gerade in unserem Land geschieht. Dass geistige Brandstifter versuchen, sich hinter dem Begriff der Meinungsfreiheit zu verstecken – und welche Folgen ihre hasserfüllten Botschaften haben. Und ich erlebe es, dass unsere junge Generation Widerworte gibt. Ich erlebe, wie sie entschieden dafür eintritt, dass es in unserem Land und in unserer Stadt keinen Platz gibt für Antisemitismus, Rassismus und Hass!“

Die Jugendlichen hatten auch die Möglichkeit, einer Zeitzeugin Fragen zu stellen: Edith Erbrich, 1937 in Frankfurt geboren, rief nach ihrer Rede im Gespräch mit Schülern dazu auf, die „Erinnerung in die nächste Generation zu tragen“. Erbrich überlebte mit ihrer Schwester und ihrem Vater das Konzentrationslager Theresienstadt.

Zum Abschluss legte Feldmann einen Kranz am Mahnmal für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft an der Paulskirche nieder. „Wir müssen uns bewusst sein, dass jede und jeder Einzelne von uns verantwortlich ist für die Zukunft und für den Weg, den unser Land geht.“ (ffm)