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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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"Hannemann, geh Du voran!"

Wie kommen Entscheidungen und Verhalten zustande?

von Bianca Volk

(12.11.2021) Um nachhaltiges Verhalten zu fördern, müssen wir zunächst verstehen, wie Entscheidungen und Verhalten zustande kommen — und wie sie sich beeinflussen lassen. Zu diesen Fragen liefert Behavioral Ethics wichtige verhaltenswissenschaftliche Erkenntnisse. Philipp Schreck, Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensethik und Controlling an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, nennt drei zentrale Ansatzpunkte.

Entscheidungen sind weitgehend unbewusst: Verhalten ist meist nicht Ergebnis rationaler Abwägungen: Unsere Urteile sind von Intuitionen getrieben, derer wir uns gar nicht bewusst sind. Sogenannte kognitive Verzerrungen führen zu systematischen Abweichungen unserer Entscheidungen vom rationalen Ideal, und wir verwenden Entscheidungsheuristiken, die zwar meist hilfreich, aber oft auch suboptimal sind. Mit solchen Erkenntnissen verschiebt sich der Ansatzpunkt zur Förderung nachhaltigen Verhaltens. Ob es um ökologisch schädliche Entscheidungen geht, um die Verletzung von Compliance- oder auch von Integritätsstandards: Das Problem ist häufig nicht fehlende Gesinnung oder Motivation — sondern unbewusste Hürden auf dem Weg zu nachhaltigem Verhalten. Diese gilt es zu analysieren und auszuräumen.

Nachhaltigkeit erfordert Kooperation: Nachhaltiges Wirtschaften erfordert Kooperation in und zwischen Unternehmen. Diese scheitert aber häufig am Trittbrettfahrerproblem: Während einige moralisch motiviert in Vorleistung gehen, halten sich andere wohl überlegt zurück, frei nach dem Motto „Hannemann, geh Du voran!“. Empirische Forschungsarbeiten legen nahe, dass die Antwort auf dieses Problem in der Überwindung der Ausbeutbarkeit moralischer Vorleistungen liegt. Anreize müssen so gestaltet werden, dass die Ehrliche — hier: die Nachhaltige — nicht die Dumme ist.

Entscheidungen durch Nudging beeinflussen: Bei der Überwindung von kognitiven Verzerrungen und Kooperationsproblemen können Nudges helfen. Nudges sind Veränderungen des Entscheidungskontexts, die auch ohne starke Anreize große Wirkungen entfalten können. Z.B. beeinflusst die Art, wie Entscheidungsalternativen präsentiert werden, die Häufigkeit ihrer Wahl. So werden Nudges eingesetzt, um Führungsverhalten zu verbessern, Entscheidern die ökologischen Konsequenzen ihres Handelns bewusst zu machen, oder den Fleischkonsum in Kantinen zu reduzieren. Dabei sind gut durchdachte Nudges beides: wirkungsvoll und legitim.

Werden die genannten Ansatzpunkte verstanden und berücksichtigt, können Entscheidungen und Verhalten effektiver in Richtung Nachhaltigkeit beeinflusst werden.

(Professor Philipp Schreck ist einer von rund 180 VHB experts, also des-Verbands der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V.)