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Letzte Aktualisierung: 28.03.2024

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«Partnerschaftskrise mit der Erde»

Die Goetheanum-Leitung zeigt Perspektiven aus dem Krisenmodus auf

von Ilse Romahn

(14.05.2021) Die Corona-Pandemie ruft als Kulmination aktueller Krisen dazu auf, das Verhältnis Mensch und Erde zu befragen. Die Mitglieder der Goetheanum-Leitung arbeiten im Buch ‹Coronazeit› heraus, wie die Art des Blicks den Umgang mit den anstehenden Aufgaben prägt und dass dabei Wesenszusammenhänge zu berücksichtigen sind.

Covermotiv des Buches ‹Coronazeit›, Verlag am Goetheanum, mit Detail des Goetheanum
Foto: Fotograf / Quelle Gestaltung: Wolfram Schildt
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Der Umgang mit der Corona-Pandemie hängt vom jeweiligen Standort und Erfahrungsraum ab – betroffen sind gleichwohl alle Menschen. Denn Covid-19 greift «auch die Mitte der Gesellschaft» an und droht, «uns im Dialog zu spalten», diagnostiziert Georg Soldner, Co-Leiter der Medizinischen Sektion am Goetheanum: «Covid-19 stellt die Frage nach dem Zusammenleben.» Er nimmt die gegenwärtige Situation als eine «Partnerschaftskrise mit der Erde, mit dem Lebendigen» wahr. Damit muss man sich aber nicht abfinden. Gerald Häfner, Leiter der Sektion für Sozialwissenschaften am Goetheanum: «Wir können, wenn wir wollen, alles ändern. Es liegt in unserer Hand.» Wir würden uns oft noch so verhalten, «als ob jemand anderes verantwortlich wäre und nicht wir selbst».

Am Beispiel Sars-CoV-2 zeigt sich, was geschieht, wenn der Lebensraum von Wildtieren vernichtet oder enge Gefangenschaft zu dauerhaftem Stress führt. Und nicht erst jetzt: In der Landwirtschaft treten seit Jahrzehnten regelmäßig neue Epidemien auf, durch Viren, Bakterien oder Pilze ausgelöst. Die schädliche Wirkung durch Dekontextualisierung entsteht auch, wenn auf bestimmte Bereiche begrenzte wissenschaftliche Aussagen auf andere übertragen oder verallgemeinert werden, denn «ein wissenschaftliches Ergebnis mit seiner Erkenntnissicherheit» ist «nur in dem Setting, in dem es gewonnen worden ist, gültig», sagt Matthais Rang, Co-Leiter der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum. Zudem sind nach Christiane Haid, Leiterin der Sektionen für Schöne Wissenschaften und Bildende Künste, unterschiedliche Erkenntnisformen nötig, je nachdem, «ob ich untersuche, wie ein fallender Stein sich verhält, ob ich das Wachstum einer Pflanze anschaue oder ein Kunstwerk betrachte».

Dem Bildungsbereich kommt dabei eine besondere Aufgabe zu. Lernen beruht auf Eigenständigkeit und Erlebnissen, im Respekt vor der «Einmaligkeit eines jeden Menschen», wie es Constanza Kaliks, Leiterin der Jugendsektion und Mitglied des Vorstands am Goetheanum, sagt. Stefan Hasler, Leiter der Sektion für Redende und Musizierende Künste, weist auf einen Dreiklang hin: «Im Leiblichen Ruhe; im Seelischen Gegenwärtigkeit; im Geistigen Transparenz und Ehrlichkeit.»

Buch Ueli Hurter, Justus Wittich (Herausgeber): Coronazeit. Zur geistigen Signatur der Gegenwart, Verlag am Goetheanum, 288 Seiten, 2021, 18 Franken, 15 Euro

Das Goetheanum ist Sitz der weltweit arbeitenden Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und der Anthroposophischen Gesellschaft. Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren elf Sektionen ist in Forschung, Entwicklung, Lehre und der praktischen Umsetzung ihrer Ergebnisse wirksam und wird in ihrer Arbeit durch die Anthroposophische Gesellschaft gefördert.
 
Die Corona-Pandemie zeigt auf, wie komplex Lebensformen miteinander interagieren. Kommt es dabei zu einer Störung, treten Stresssymptome auf, die gegebenenfalls zerstörisch wirken. Die Leitung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum entwickelt aus ihrem Verständnis des Lebendigen heraus mehrdimensionale Lösungsansätze.