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„Zurück in die Zukunft“

Hankas Weingut neue Anbauideen im Rheingau

Eigentlich ist die betriebliche Anspruchsphilosophie widersprüchlich, wenn man das Leitmotiv des Weingutes wörtlich nimmt. Legt man das Motto auf die Goldwaage, dann schöpft die Hanka-Winzerfamilie ihre Kraft aus der Tradition.
Sebastian Hanka, der Schöpfer von „Zurück in die Zukunft“
Sebastian Hanka, der Schöpfer von „Zurück in die Zukunft“
Foto: Karl-Heinz Stier
Auf dem Oestricher Doorsberg wächst der neue Mischsatz-Wein.
Auf dem Oestricher Doorsberg wächst der neue Mischsatz-Wein.
Foto: Weingut Hanka
Vater Hanka (im Hintergrund Mutter Sigrid) ermitteln in historischer Manier den Öchsle-Grad  der neuen Ernte
Vater Hanka (im Hintergrund Mutter Sigrid) ermitteln in historischer Manier den Öchsle-Grad der neuen Ernte
Foto: Weingut Hanka
Die Straußwirtschaft des Weingutes – auch „Wohnzimmer des Rheingaus“ genannt
Die Straußwirtschaft des Weingutes – auch „Wohnzimmer des Rheingaus“ genannt
Foto: Weingut Hanka
So sieht die braune Schlegelflasche von „Zurück in die Zukunft“ aus
So sieht die braune Schlegelflasche von „Zurück in die Zukunft“ aus
Foto: Karl-Heinz Stier

Im Zentrum ihres Schaffens steht der Riesling als Fixstern (80 Prozent Anbaufläche). Aber um ihn kreisen  „Planeten“ wie der Spätburgunder, der Weißburgunder oder als Newcomer der Sauvignon Blanc, der sich auch im Rheingau durch den Klimawandel immer mehr breit macht.

Doch vor zwei Jahren hat die Winzerfamilie einen Plan umgesetzt, der den bisher gepflegten Ordnungsprinzipien im Weinberg ‚Adieu“ sagt und für den Rheingau heutzutage einmalig ist: der Mischsatz. Er präsentiert auf  2000 Quadratmeter im Oestricher Doosberg alte Rebsorten wie Traminer, Muskateller, Heunisch, Gelber Orleans, Riesling weiß und rot. „Jede Sorte hat Vor- und Nachteile, die ich zusammen zu bringen versuche. Der Sortenspiegel und der Zeitpunkt der Lese sollen den Mischsatz bewusst stärker definieren als eine herkömmliche Anlage. Daraus ergibt sich eine besondere Spannung zwischen der individuellen Genetik und dem idealen Erntezeitpunkt. Es wird mit Freunden gemeinsam gelesen, dann gekeltert und vergoren“, beteuert Sebastian Hanka, Juniorchef und Vordenker der neuen  Anlage.

Im 19.Jahrhundert wurden die Weine im Rheingau aus 20 Prozent der Mischsatz - Rebflächen erzeugt. Heute sind sie noch vereinzelt in Franken zu finden und jetzt auch bei den Hankas: „Mischsätze waren früher wirtschaftlicher, es gab keinen Totalausfall, keinen nachträglichen Verschnitt vom Wein, keine Steuerung. Man sucht sich einen Kompromiss aus der komplexen Pflanzengemeinschaft. Der Wein verdankt seinen Charakter der Unberechenbarkeit der historischen Mischung und seiner optimalen Lesezeit“. Deshalb nennt er seinen Mischsatz-Wein „Zurück in die Zukunft“. Es ist keine verklärte Flucht in die Vergangenheit, sondern er will eine ausgestorbene Kulturtechnik wiederbeleben.                    

Erstmals hat Sebastian Hanka seinen trockenen  Wein unter dieser Bezeichnung  2017 in den Verkauf gebracht. 800 Liter waren in den Fässern, nachdem die Trauben von Hand gelesen, auf der Korbpresse gepresst, in Edelstahltanks und Halbstückfässern vergoren,  ohne Reinzuchthefe behandelt und später auf die große braune Schlegel-Flasche abgefüllt und mit einem Naturkorken verschlossen wurden. Die Etiketten werden auf einem Heidelberger Tegel gedruckt und dann mit echtem Leim in Handarbeit auf die Flaschen aufgebracht. Der Wein hat einen Alkoholgehalt von 13,5 Prozent, die Säure liegt bei knapp 6 Promille.

Der 31jährige hat eine Winzerlehre in der Pfalz („ich wollte immer raus an die Luft und in die Natur“) hinter sich, studierte in Geisenheim  Önologie und Weinbau, machte Praktika jeweils dreiundeinhalb Monate in Südtirol und Südafrika und übernahm in dritter Generation von und mit seinen Eltern Sigrid und Veit das Familienweingut in Johannisberg.

Er betreibt mit ihnen eine Straußwirtschaft mit 70 Plätzen im Grund 41, wie sich die Straße nennt. Neben dem „Zurück in die Zukunft“ (0,1 Glas 3.70 Euro) werden auch 14 verschiedene  Weine  aus seinem Gesamtanbaugebiet von 11 Hektar ausgeschenkt. „Hier ist die Liebe zur Ursprünglichkeit zu Hause, wo man die Kultur des Einfachen pflegt. Das Servicepersonal besteht nur aus den Familienmitgliedern und Freunden des Hauses“. Zweimal im Jahr öffnen sie ihre Türen, von Mitte Oktober bis Mitte November und vom 1. Januar bis Fassenacht jeweils donnerstags bis sonntags von  16 Uhr bis open end. Mehr nicht, da kann kommen, was will.

Die Speisekarte kann sich sehen lassen. Es gibt u.a. Himmel und Erd, Winzerweck, Handkäs mit Musik, in der Nacht zuvor in Riesling eingelegt und als einzige warme Speise Ochsenfleisch mit der echten Grünen Soße aus 7 Kräutern („weil wir Pimpernelle nicht kaufen können, pflanzen wir sie eigens in unserem Garten an“) - alles von Mutter Sigrid persönlich zubereitet.

Zu seinen Zukunftsplänen gehört ein neuer Keller im Hang, den Erwerb neuer Anbauflächen, die Herstellung eines  Winzersektes „mit eigener Handschrift“ und dem weiteren Ausbau seiner Mischsatz-Reben, denn „ich will die Natur weiter beobachten, mit ihr Neues ausprobieren und von ihr Neues lernen, um zu beweisen, dass es auch ohne perfektionistische Eingriffe geht“.

Eines hat sich der Autor  persönlich vorgenommen, wenn er die Straußwirtschaft, die wegen ihrer gemütlichen Inneneinrichtung auch „Wohnzimmer des Rheingaus“ genannt wird, aufsucht: er wird den von Mama Hankas selbstgemachten Spundekäs‘ probieren und dazu ein Glas „Zurück in die Zukunft“ trinken. Das wird sicher ganz spannend sein.