Das Online-Gesellschaftsmagazin aus Frankfurt am Main

Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

Werbung
Werbung

„Lockerungen können wir uns absolut nicht leisten!“

Intensivmediziner warnen vor Aufweichung des Lockdowns

von Nina Meckel

(14.01.2021) Weiterhin verzeichnen die Intensivstationen in Deutschland steigende Patientenzahlen. „Einen Effekt des Lockdowns spüren wir auf den Intensivstationen immer mit einer Verzögerung von 14 Tagen bis drei Wochen – aber derzeit ist noch gar nichts zu spüren“, sagt der neue Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen.

DIVI-Präsident Prof. Dr. med. Gernot Marx warnt vor Lockerungen beim Lockdown.
Foto: DIVI
***

Man steuere kontinuierlich auf die Marke von 6.000 COVID-19-Patienten zu. „Eine Lockerung von Maßnahmen, Begegnungen von mehr Menschen oder die Öffnung von Geschäften können wir uns aus medizinischer Sicht deshalb absolut noch nicht leisten!“, so Marx. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung könne bei möglichen Lockerungen – und dadurch wieder steigenden Infektionszahlen – nicht mehr aufrechterhalten werden, konstatiert Marx. Wie lange der Lockdown fortgesetzt werden müsse, kann der DIVI-Präsident derzeit aber noch nicht vorhersagen. Was den Intensivmedizinern derzeit für Prognosen fehlt, sind valide Infektionszahlen. „Die Datenbasis ist durch die vergangenen Feiertage sehr lückenhaft. Vor Mitte Januar ist die Entwicklung der kommenden Wochen für uns daher nicht sicher einschätzbar“, so Marx.

Die DIVI hat gemeinsam mit der RWTH-Aachen ein Prognosemodell entwickelt, dass sich im Dezember bereits als sehr verlässlich herausgestellt hat. So gelang es den Intensivmedizinern, die Entwicklung der Belegungszahlen auf den Intensivstationen sehr genau im Voraus zu berechnen – und damit zum Beispiel frühzeitig die Verlegung von Intensivpatienten aus stark belasteten Regionen in Regionen mit mehr freien Intensivbetten zu veranlassen. „Wir können, werden und wollen jeden Patienten behandeln – aber dies ist in einigen Regionen Deutschlands nicht mehr in Wohnortnähe möglich“, erläutert Marx.

„Auch deshalb ist eine Fortsetzung des Lockdowns unumgänglich: Die Stationen sind voll. Das Personal arbeitet am Anschlag unter extrem hohen physischen und psychischen Stress!“ Deshalb richtet Marx einen klaren Appell an die Politik: „Aus medizinischer Sicht gibt es absolut keinen Spielraum für Diskussionen über mögliche Lockerungen!“
(Originalpublikation: https://www.divi.de/presse/pressemeldungen/pm-intensivmediziner-lockerungen-koen...)