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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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„Auf die Barrikaden!“ - Ausstellung im Institut für Stadtgeschichte

Paulskirchenparlament und Revolution 1848/49 in Frankfurt

von Karl-Heinz Stier

(13.09.2022) Die Ausstellung beleuchtet zum einen die Rolle der in der Paulskirche tagenden Nationalversammlung und zum zweiten die revolutionären Ereignisse und Debatten im Stadtstaat Frankfurt zwischen 1848 und 1850. Eingebettet wird die Darstellung der Revolutionsjahre in Stationen zum Vormärz und zu den Nachwirkungen der Revolution.

Bildergalerie
Plakatmotiv der Ausstellung: Verkündung der Waffenruhe auf der Barrikade an der Bornheimer Pforte
Foto: (kolorierte Lithografie von Wilhelm Völker) C 10164c
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Sie erläuterten die Ausstellung (v.r.n.l.): Franziska Kiermeier, kommissarische Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte, Kurator Dr. Markus Häfner und Mitkurator Dr. Thomas Bauer
Foto: Karl-Heinz Stier
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Einblick in den Ausstellungsraum mit Orten der Revolution.
Foto: Karl-Heinz Stier
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„Die Ereignisse im damaligen Frankfurter Stadtstaat standen oft im Schatten der Paulskirche und werden leicht übersehen“, sagt Franziska Kiermeier, die kommissarische Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte. Hier setze die Ausstellung  an. Sie stelle die Frankfurter Protagonisten, Schauplätze, Entwicklungen, Ereignisse und die Verfassungsdebatte heraus und ordnet sie in den gesamtdeutschen Kontext der Revolution ein. Im Mittelpunkt steht der Septemberaufstand 1848.

Frankfurt bot 1848/49 nicht nur die Kulisse für die Verfassungsdebatten im Paulskirchenrund, sondern erlebte 1848 Petitionen seiner Bürger und blutige Auseinandersetzungen sowie bis 1850 eine eigene intensive Verfassungsdiskussion für den Stadtstaat. „Nachdem der Frankfurter Senat den Märzforderungen nach Presse- und Versammlungsfreiheit schnell entsprochen und Verfassungsreformen in Aussicht gestellt hatte, richteten sich die Bemühungen von Stadt und Einwohnern in den folgenden Wochen vor allem darauf, als perfekte Gastgeber den passenden Rahmen für Vorparlament und Nationalversammlung zu bieten“, betont Dr. Markus Häfner, Kurator und verantwortlich für das Gesamtkonzept der Ausstellung. Die Stadt nahmen hunderte von Abgeordneten auf. Zum Einzug der Parlamentarier und des Reichsverwesers Erzherzog Johann von Österreich war die Stadt festlich in schwarz-rot-gold gehüllt und Tausende jubelten ihnen zu. Doch angesichts der langwierigen Verhandlungen wandelte sich die Stimmung. So erlebte Frankfurt auch die blutige Seite der Revolution mit Barrikadenkämpfen, wie wir sie aus Berlin und Wien kennen“, skizziert Häfner den Verlauf der Revolution in der Mainmetropole.

Als Reaktion auf den Waffenstillstand von Malmö kam es am 18. September 1848 zu gewalttätigen Unruhen in der Stadt. Mitkurator Dr. Thomas Bauer: „An 50 Barrikaden in der Innenstadt wurde erbittert gekämpft, mehr als 50 Soldaten und Aufständische kamen ums Leben, die beiden Abgeordneten der Nationalversammlung Hans von Auerswald und Felix von Lichnowsky wurden ermordet. Die Parlamentarier mussten Truppen reaktionärer Herrscher anfordern, um sich gegen den Umsturzversuch der außerparlamentarischen Opposition zu schützen. „So wurde der Aufstand zu einem Wendepunkt der Revolution. Er machte den Paulskirchenabgeordneten ihre eigene Machtlosigkeit bewusst.“

In diesem Bewusstsein verabschiedeten die Abgeordneten der Nationalversammlung im Winter 1848/49 die „Grundrechte des deutschen Volkes“ und die „Reichsverfassung“. Spätestens als der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 die ihm angetragene Kaiserwürde ablehnte, war die Revolution zum Scheitern verurteilt.

Die „gescheiterte“ Revolution wirkte jedoch vielfältig nach und manche Entscheidungen wurden später in die Tat umgesetzt. So hatte sich mit der Frankfurter Nationalversammlung die Idee konkretisiert, einen Nationalstaat unter preußischer Führung und ohne Österreich zu schaffen. Diese kleindeutsche Lösung fand schließlich im Kaiserreich von 1871 ihre Realisierung. Den nachhaltigsten Einfluss hatte der Grundrechtskatalog. Zwar fand er im Kaiserreich nur partiell Anwendung, diente aber als Vorbild für die Verfassungen von Weimar 1919 und Bonn 1949. „So fußt unsere Demokratie auf dem Verfassungswerk der Frankfurter Nationalversammlung“, erinnert Kurator Dr. Markus Häfner an deren Bedeutung.

Verfassungsdebatten gab es von 1848 bis 1850 auch in den Einzelstaaten. Die Frankfurter – nach dem Wiener Kongreß einer von vier Stadtstaaten - die bereits vorhandenen Strukturen ihrer bürgerlichen Gesellschaft und ihre bestehende Verfassung weiter reformieren. Oberstes Ziel war die Gleichstellung aller männlichen Bürger – von Gleichberechtigung der Geschlechter war nicht die Rede.

Ein vier Quadratmeter großer Stadtplan in der Mitte des Ausstellungsraumes im Institut für Stadtgeschichte, die von heute ab bis zum 18. September 2023, dem 175.Jahrestag des Septemberaufstandes 1848, dauert, visualisiert 33 ausgewählte Orte der Revolution. So werden elf zentrale Orte der Debatte abseits der Paulskirche, Treffpunkte der Fraktionen und Orte des Septemberaufstandes wie z.B. die Versammlung auf der Pfingstweide, die Barrikaden, die Ermordung der Abgeordneten oder die Versorgung der Verwundeten und Aufbewahrung der Toten im Hospital zum Heiligen Geist erwähnt.

Öffnungszeiten MO-SO von 11-18 Uhr. Eintritt frei.

Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm unter www.stadtgeschichte-ffm.de