Letzte Aktualisierung: 11.12.2024
„Äpfel gehören ins Glas“
Devise der Keltereien in Hessen für das diesjährige Herbst - Erntejahr
von Karl-Heinz Stier
(29.09.2023) Derzeit möchte sich kein hessischer Kelterer vorstellen - und da sind immerhin 30 an der Zahl -, dass es einen Herbst ohne Duft frisch gekelterter Äpfel gibt und kein Klimpern der Flaschen auf den Bändern der Abfüllanlage, auf denen dann der Apfelsaft läuft. „Hinzu kommt noch die Kreation neuer Produkte, die es hoffentlich im Markt schaffen werden“, ergänzt Martin Heil, Vorsitzender des Verbandes der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaft-Keltereien e.V.
Im Rückblick: vor einigen Jahren hatten die Keltereien je nur einen Apfelwein und einen Apfelsaft im Sortiment, 1,0 Liter die Flasche in einer 12er Kiste. Das wars. Innovationen gab es damals auch, wenn auch wenige, wie etwa die Umstellung auf den Schraubverschluss anstatt Kronkorken sowie erste Versuche, neue Produkte auf den Markt zu bringen.
In den letzten Jahren ist die Innovationskraft der Betriebe jedoch sprunghaft gestiegen. Neue Marken, Apfelwein-Mix-Getränke (z.B. Apfelwein-Cola oder die Ergänzung des klassischen Sauergespritzen durch Rosee) und unterschiedliche Gebinde halfen den Keltereien sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Oftmals waren sie sogar Vorreiter, wie der Trend zu alkoholfreien Weinen – schon seit 2011. Nischenprodukte, wie die hochwertigen Apfelschaumweine oder sortenreine Apfelweine sowie besonders gestaltete kleine Flaschen und Etiketten, lassen eigentlich nicht vermuten, dass dahinter kleine Apfelwein – Unternehmen stehen, die mit 1 bis 50 Beschäftigten über keine großen Marketing-Abteilungen verfügen.
In Hessen wird im Gegensatz zum weltweiten Apfelweinmarkt regional geerntet und alles aus einer Hand erarbeitet. „Dass sich die regionalen Keltereien auch um hessische Streuobstwiesen kümmern und deren Äpfel weiterverarbeiten ist auch ein nicht zu unterschätzender Beitrag für die Natur,“ betonte Dr. Johanna Höhl-Müller, Vorstands-Mitglied des Verbandes. Sorgenvoll blicken die Betriebe aber in die Zukunft. Die Bestände an Streuobst nähmen weiter ab. Wetterkapriolen machen die Ernten zunehmend unberechenbar. „Auch in diesem Jahr sieht es so aus als ob die Ernte unter den Erwartungen bleibt“. Äpfelimporte kommen auch aus Baden-Württemberg, dem Bundesland mit dem stärksten Äpfelanbau in der Bundesrepublik.
Aus anderer Sicht blickt Verbands-Vorsitzender Heil aber positiv in die Zukunft. Es gäbe Regionen in Hessen, in der sich der Konsum von Apfelwein derzeit stark verbreite. Dazu zählen Gegenden um Fulda, Fritzlar und Gießen. Auch die Jugend greife vermehrt zu dem hessischen Nationalgetränk und zu kleinen Flaschen. Der Konsum von jüngeren und älterer Generationen liege bei fünfzig zu fünfzig. Und noch ein statistischen Beitrag zum Konsum des „Stöffsche“ vermerkte Heil : In Hessen werde pro Kopf 6 -7 Liter pro Person verkostet, in Frankfurt beträgt der Pro-Kopf-Konsum rund 30 Liter.
Zur wirtschaftlichen Zukunft der Apfelwein- und Fruchtsaftbetriebe wagte Heil keine bindende Voraussage. Die Energiekrise mache vor den Herstellern aber möglicherweise keinen Halt. Das gelte zum Beispiel auch für die Flaschenproduktion. Er befürchtet eine Verknappung von Rohstoffen, der sich jetzt schon drastisch beim Angebot von Orangensaft bemerkbar mache. Es werde Zeiten geben, in denen es überhaupt kein Orangensaft aus Mangel an Rohstoffen gebe oder zumindest einen kräftigen Anstieg der Preise mit sich bringe. „Es besteht die Gefahr, dass die kleinen Betriebe die großen mit bezahlen. „Dieser Entwicklung und Herausforderungen können wir nur mit Mut und Enthusiasmus im neuen Jahr begegnen“, erklärte Heil resignierend abschließend.