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Letzte Aktualisierung: 19.04.2024

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Wieder mobil nach dem Oberschenkelhalsbruch

Zwei Alterstraumazentren in Frankfurt optimieren die Hilfe

von Karin Willen

(28.06.2017) Alterstraumazentren helfen Senioren rascher auf die Beine – Die BGU ist Vorreiter dieses Modells. Jetzt hat sich an den Unikliniken ebenfalls ein Alterstraumazentrum etabliert.

Unfälle sind für alle Altersklassen unangenehm bis lebensgefährlich. Doch für Ältere können sie fatal werden. Schon allein, weil Muskeln und Knochen im Alter instabiler werden und die Koordinationsfähigkeit nachlässt, brauchen Senioren nach Unfällen besondere Aufmerksamkeit, damit sie möglichst gut und rasch wieder auf die Beine kommen. Doch das Immunsystem arbeitet im Alter auch langsamer. Ganz zu schweigen von internistischen Vorerkrankungen, die sich nach Unfällen oft verschlimmern und mitbehandelt werden müssen. Seh-und Hörschwächen, Schwindel oder Fehl- und Mangelernährung erschweren die Behandlung ebenfalls. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) will die Senioren deshalb gezielt mit Alterstraumazentren vor einer Verschlechterung ihres Zustandes nach Unfällen bewahren. Immerhin brechen sich jährlich über 700.000 betagte Menschen in Deutschland Oberschenkel, Wirbel oder Arme.

Komplikationen vorbeugen
Die BG Unfallklinik Frankfurt (BGU) gehört seit 2012 zu den ersten drei Zentren für unfallgeschädigte Senioren in Deutschland, die von der DGU zertifiziert wurden. Eine enge Zusammenarbeit von Unfallchirurgen, Geriatern (Altersmediziner), speziell geschulten Pflegepersonal, Physio- und Ergotherapeuten sowie dem Sozialdienst sorgt dafür, dass typische geriatrische und internistische Begleiterkrankungen und Komplikationen den Heilungsprozess so wenig wie möglich beeinträchtigen. Jetzt gibt es eine solche Zusammenarbeit auch zwischen dem Uniklinikum und dem Elisabethenkrankenhaus.

Gute Vorberreitung, individuelle Nachbehandlung
„Eine herabgesetzte Medikamententoleranz und Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt sind im Alter unter anderem dafür verantwortlich, dass es nach Operationen nicht selten zu Wahrnehmungsstörungen bis hin zum Delir kommt“, sagt der Ärztliche Direktor der BGU und Generalsekretär der DGU, Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann. Eine gute Vorbereitung und eine individuell angepasste Nachbehandlung könnten diese wie andere Störungen mindern. Schon vor der Operation werden Fragen geklärt wie: Leidet der Patient an Osteoporose und wie stark? Muss bei der Narkose etwas beachtet werden? Besteht die Gefahr der Inkontinenz? Welche Risiken gibt es für die Organe? Welche Medikamente nimmt der Patient bislang, auf welche kann, auf welche muss verzichtet werden während der Einnahme starker Schmerzmittel? Wie ist es um die kognitiven Fähigkeiten bestellt?

Schneller wieder mobil
Hoffmann zieht nach mehr als drei Jahren positive Bilanz: „Die Liegezeiten sinken, die Patienten sind schneller und häufiger wieder eigenständig mobil. Auch die Sterblichkeit sinkt tendenziell.“ Das Konzept der frühzeitigen interdisziplinären Betreuung schließt ein 24-Stunden-Notfalltelefon zwischen Unfallarzt und Geriater sowie ausgeklügelte standardisierte Prozesse ein. Das beginnt schon beim Erstkontakt in der Notfallambulanz, wo gleich potentiell erhöhte Risiken wie etwa Wundliegen erfasst werden. Während der unfallchirurgischen Erstversorgung in der BGU stehen Unfallarzt und Geriater mit dem Fachpersonal zweimal die Woche zusätzlich zu den normalen Visiten am Bett der alten Patienten und veranlassen die jeweils weiteren Schritte. Sobald die altersspezifische unfallchirurgische Erstbehandlung abgeschlossen ist, werden die Patienten in die Geriatrie des Agaplesion Markus Krankenhauses verlegt. Jetzt kümmert sich der Geriater, den die Patienten schon von den Visiten in der BGU kennen, darum, dass die Senioren ihren Alltag bald möglichst selbstständig fortführen können. Der Unfallarzt kommt nun zweimal die Woche zur Nachsorge.

Pflegeheim vermeiden
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zwei Drittel aller Patienten, die seit 2012 im Alterstraumazentrum von BGU und Markuskrankenhaus behandelt wurden, konnte direkt nach der geriatrischen Behandlung wieder in ihr gewohntes Umfeld entlassen werden. Der Anteil derer, die danach neu in ein Pflegeheim mussten, lag deutlich unter zehn Prozent. Damit solche guten Ergebnisse noch gesteigert werden können, sammeln die Zentren Daten in einem Register.

Jetzt sammelt auch das Uniklinikum mit der Geriatrie des Elisabethenkrankenhauses mit. Es ist das zweite Frankfurter Zentrum für Alterstraumatologie und verfügt über 45 Betten. Seit der Zertifizierung im April wurden dort 140 Patienten behandelt. Auch hier überweigen die guten Erfahrungen:  Rund zwei Drittel unserer Patienten können wir wieder zu alter Beweglichkeit verhelfen“, sagt Professor Dr. Ingo Marzi, Direktor für Unfall­Hand und Wiederherstellungschirurgie an der Uniklinik.

Weitere Informationen
Knochenbrüche haben für ältere Patienten zum Teil dramatische Konsequenzen. Ohne spezielle Hilfe können der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zufolge bis zu 50 Prozent der Patienten mit Oberschenkelbrüchen nicht wieder in ihr altes häusliches Umfeld zurückkehren und werden hilfsbedürftig. Mit dem Ziel, die Behandlung von betagten Patienten flächendeckend zu verbessern, etablieren sich ähnlich der Stroke Units deshalb momentan europaweit spezialisierte Alterstraumazentren.

Kern der ganzheitlichen Behandlungsstrategie ist die gemeinsame ortho-geriatrische Betreuung der Patienten durch Unfallchirurgen und Geriater. Die DGU, die diese Entwicklung spezialisierter Einheiten vorantreibt, hat Kriterien entwickelt, nach denen Alterstraumazentren zertifiziert werden. Aktuell sind 59 solcher Zentren zertifiziert, darunter auch die MTK-Kliniken und das Katholische Klinikum Mainz.