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Letzte Aktualisierung: 23.04.2024

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Wandern und Yoga auf El Hierro

von Karin Willen

(08.02.2019) Vor Millionen von Jahren brodelte El Hierro aus dem Atlantikgrund vor Afrika hervor. Heute bietet die 270 Quadratkilometer kleine Kanareninsel Traumwandertouren zwischen Vulkanbergen und Steilküsten. Man durchstreift in Stunden Klima- und Vegetationszonen, die anderswo tausende Kilometer auseinanderliegen. Und erlebt außerordentliche Plätze für Yoga in der Natur.

Bildergalerie
Kraftplatz-Yoga: Versammlungsplatz der Ureinwohner El Tagoror auf El Hierro
Foto: Karin Willen
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Blick-Achse: Sicht vom Aussichtspunkt von Peña, den der Künstler César Manrique gebaut hat
Foto: Karin Willen
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Manchmal macht gerade das einen Ort attraktiv, was er nicht hat. So wie El Hierro, 40 Flugminuten von der Touristenhochburg Teneriffa entfernt. Was die kleinste Kanareninsel nicht hat? Große Hotels, Autobahn, Einkaufszentren oder Vergnügungsmeile, schicke Restaurants – und einen Fluss. Letztgenannter würde den Bewohnern heute vielleicht gefallen. Die Unreinwohner, die sich Bimbaches nannten, wussten sich ihrerzeit aber gut zu helfen. Sie schauten einfach von ihrem Heiligen Baum Garoé ab, wie man den Nebel der Passatwinde „melkt“ und als Wasser in Tümpeln aufbewahrt.

Was El Hierro bietet? Ein Modell für die Vereinbarkeit von Zivilisation und Natur mit einem ruhigen, ländlichen Naturtourismus ohne Chichi. Seit 2000 ist El Hierro Biosphärenreservat, die Meeresschutzzone gibt es seit 1996. Deshalb darf die Insel sich seit 2014 mit dem Titel Unesco-Geopark schmücken. Der Strom kommt aus sechs Windgeneratoren. Kostenfreie Tankstellen für Elektroautos gibt es auch, darunter eine am Mirador de la Peña im Nordwesten.

Schöne Aussichten

Der Aussichtspunkt von Peña wurde vom Künstler César Manrique aus Lanzarote in der Nähe von Guarazoca gebaut. Genau auf dem richtigen Fleck mit Blick auf das fruchtbare Golfo-Tal und etliche Naturattraktionen: zerklüftete Berghänge, Täler, Ebenen, Steilküste und Charcos. Das sind Meerwasserschwimmbäder, die ins Vulkangestein geschlagen wurden. Ausgestattet sind sie mit Badeleitern und Duschen.

Tauchen und Fliegen

Denn ernst zu nehmenden Sandstrände, die sonnencremeduftende und bierdurstige Touristenscharen anlocken könnten, gibt es hier ausgesprochen wenig. Das sehen die meisten der 11.000 Bewohner, darunter auch Aussteiger aus Deutschland, eher als Gewinn. El Hierro soll ländlich und ruhig bleiben. Nur im Süden ziehen die sehenswerte Unterwasserwelt in La Restinga die Taucher und die Thermik Segel- und Gleitschirmflieger an.

Ansonsten locken 300 Kilometer Wanderwege Touristen auf der Suche nach unverfälschter Natur. Auf El Hierro zu wandern und sich yogisch in ihr zu versenken, hat einen besonderen Erholungsfaktor, bestätigt auch Wanderführerin und Yogalehrerin Aminata. Sie lebt seit mehr als 30 Jahren auf El Hierro. Die kleine, spärlich besiedelte südwestliche Kanareninsel sei wie geschaffen für den Ausstieg aus der Hektik.

Wandern zwischen bizarrem Wacholder

Aminata führt ihre Gruppen auf bis zu 1.000 Meter hohe Steilküsten, über bizarre, trockene Steinlandschaften, durch den mystischen Nebelwald, ins fruchtbare subtropische Tal und natürlich zu den windgebeugten Wacholderbäumen in El Sabinar. Immer wieder mit großartigen Landschaftsaussichten. Etwa im würzig duftenden Kanarenkiefernwald, dessen Bäume unter schwarz verkohlten Rinden munter weiter wachsen. Die Wanderung bietet Sicht auf die Nachbarinseln bis zum Teide. Oder auf den 1.503 Meter hohen Malpaso. Am höchsten Berg der Insel erinnert eine Friedenstaube daran, dass die Insulaner erfolgreich gegen den Regierungsplan protestiert haben, hier eine Militärstation zu errichten.

Prozession als Ausnahmezustand

In der Nähe des Malpaso-Gipfels steht die Kapelle der Virgen de los Reyes. Alle vier Jahre wird die Schutzheilige der Insel von hier aus für einen Monat in einer Inselprozession bis zur Kirche Santa Maria de la Concepcion in der verschlafenen Hauptstadt Valverde getragen. Entlang der 28 Kilometer langen Strecke der sogenannten Bajada, die das nächste Mal am 3. Juli 2021 stattfindet, wird ausgiebig gefeiert. El Hierros Ausnahmezustand sozusagen.

Spektakuläre Yogaplätze

Wo andere mühsam nach Kraftplätzen für ihre Yogasessions schauen müssen, schöpft Aminata aus dem Vollen: Auf einer sonnigen Lichtung im Nebelwald, vor der tosenden Gischt durch den Felsbogen Arco De La Tosca, oben zwischen den bizarren Wacholderbäumen oder in der steinernen Wüste inmitten von Flechten, Kandelaber-Wolfsmilch und Kakteen beim Leuchtturm Ochillo, wo man in der Antike das Ende der Welt sah, zum Beispiel. Und bei Regen in ihrem eigenen Yogastudio oder im Informationszentrum Parque Cultural El Julán.

Ein Platz aber toppt alle: El Tagoror. Von fern rauschen die Wellen, ansonsten ist es einfach nur still. Man braucht schon festes Schuhwerk, um diesen in den Lavafeldern versteckten Versammlungsplatz der Ureinwohner zu erreichen. Der Weg zum Steinkreis über dem Atlantik führt an Höhlen der Ureinwohner und noch nicht entschlüsselten Felsritzungen der Bimbache vorbei.

Mystischer alter Versammlungsplatz

Die Petroglyphen und die Concheros, alte Muschelabfallhaufen, weisen darauf hin, dass die Ureinwohner, die wahrscheinlich aus Afrika kamen und kaum Kontakt zur übrigen Welt hatten, hier in El Julan ihre „heilige Zone“ sahen. Da wundert es gar nicht, dass sich ein Kolkrabe fast unbemerkt als teilnehmender Beobachter zur Meditationsgruppe gesellt, und sich nach einer kleinen Weile wieder mit leisem Flügelschlag davonstiehlt, als hätte er nach dem Rechten geschaut. Ja! Da, wo der antike Geograf Ptolemäus das Ende der westlichen Welt gesehen hat, ist die Welt noch in Ordnung.

Information

Wandern und Yoga mit Aminata gibt es im Programm von Wikinger Reisen